In dunklen Netzen

In dunklen Netzen

Der Lokaljournalismus in Franken eifert Buzzfeed nach. Noch ist Wolfgang Büchner noch im Amt.de. Die schönsten Umschreibungen von Intendanten für 3sat. Von den Schwierigkeiten, gut synchronisierte Klassiker auf DVD herauszubringen.

Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen die neueste Sau im Dorf vorstellen: Sie hört auf den Namen „Dark Social“ und hat gestern das schöne Franken erreicht, genauer gesagt infranken.de, das Online-Angebot der Tageszeitungen der Mediengruppe Oberfranken, zu der unter anderem der Fränkische Tag und die Bayerische Rundschau gehören.

Anders, als es der Name vermuten lässt, hat dieses Dark Social gar nichts mit Swingerclubs zu tun, sondern beschreibt jene sozialen Netze, die nicht öffentlich agieren und daher für Außenstehende schwer zu durchschauen sind, wie es zum Beispiel bei WhatsApp der Fall ist.

„Die Undurchsichtigkeit ist einer der wichtigsten Gründe für die Popularität der Messaging-Apps: Jugendliche verlassen vor allem in den USA Facebook, weil sie nicht von ihren Eltern und Lehrern beobachtet werden wollen; Mittzwanziger chatten auf WhatsApp, weil es nicht semi-öffentlich, sondern privat ist; ältere Menschen schätzen die Simplizität und Bequemlichkeit der Messaging-Dienste und alle scheinen müde zu sein vom Social News-Stream, der nicht (mehr) wirklich interessiert. Wichtig aber bleibt der soziale Austausch mit Freunden. Und das leisten die Messaging-Apps.“

Schreibt Klaus Goldhammer bei kress.de.

####LINKS####Nun wissen wir ja spätestens seit dem neuen Trend der Berichte über Jugendliche, die das allererster Mal eine Zeitung in der Hand halten, dass der Prophet (junger Mensch) wohl nicht zum Berg (alte Zeitung) kommen wird. Also macht sich der Berg auf zum Propheten, und wo trifft man dieses junge Volk? Meist am Smartphone, wie heute in der NZZ steht.

 

Ohne Smartphone scheint für Junge das Leben kaum mehr vorstellbar zu sein. Über 80 Prozent verwenden es mehrmals täglich. Diese starke Nutzung kommt nur bei gut der Hälfte der Gesamtbevölkerung in der deutschen und der französischen Schweiz vor. Für die Jungen dient das Smartphone offenbar als Telefon schlechthin. 90 Prozent nutzen es nämlich auch zu Hause. Das ist fast die Hälfte mehr als im Durchschnitt der Bevölkerung.“

Und auf diesem Smartphone sehr gerne bei WhatsApp.

Bei den Traffic-Verstehern von Buzzfeed weiß man das schon eine ganze Weile.

„,Every time we looked at WhatsApp’s numbers, it blew us away,’ said BuzzFeed president Jon Steinberg. ,We knew last April this was a huge social network and have become increasingly obsessed with it.’ BuzzFeed integrated WhatsApp’s share button on iOS in October, and has seen shares double in the last few months, said BuzzFeed VP of business development Ashley McCollum.“

So ließ es sich bereits vor zwei Wochen von Joshua Benton bei niemanlab.org nachlesen, wo sich zudem eine kleine Studie findet, die die Bedeutung von WhatsApp auf der Website des spanischen Fußballclubs Valencia CF getestet hat (mit großem Erfolg).

Womit wir nach Franken kommen, denn was Buzzfeed kann, kann infranken.de schon lange.

„Vor einiger Zeit haben wir zwei Wochen lang getestet, ob sich Lokalnachrichten auch per WhatsApp bei den Nutzern verbreiten lassen. Damals meldeten sich innerhalb kürzester Zeit über 440 freiwillige Tester, die gemeinsam mit uns das WhatsApp-Experiment wagten. Mit großem Erfolg: Bei einer anschließenden Befragung gaben über 90 Prozent an, dass sie die Nachrichten gerne weiterhin per WhatsApp erhalten möchten. Auch wir waren begeistert von dem Kontakt zu unseren Lesern, der per WhatsApp ermöglicht wurde. Zum 1. Dezember werden wir deswegen unseren WhatsApp-Dienst wieder aufnehmen.“

Hieß es gestern auf der Internetseite. Wer mitmachen will, muss sich nur eine angegebene Handynummer als Kontakt ins Smartphone speichern und dieser eine WhatsApp-Nachricht schicken. Als unerschrockene Testerin im Sinne des Altpapiers habe ich das gestern gemacht; leider hat mich bislang allerdings noch keine Nachricht erreicht. Dafür vermeldet der In-Franken-Account als Status „Vielen Dank für die überwältigende Resonanz! Aktuell dauert es deswegen etwas länger, alle in den Verteiler aufzunehmen.“

Sind wir mal gutmütig und gehen nicht davon aus, dass das auch alles nur Medienjournalisten auf der Suche nach einer guten Story sind, so stellen sich doch zwei Fragen: Wollen die vielen angemeldeten Leute überhaupt ganze Artikel lesen, oder reicht ihnen schon der Teaser in der WhatsApp-Nachricht?

Ja, wollen sie, meint Lena Alt bei kress.de. Die Volontärin bei infranken.de hat das Ganze im Rahmen ihrer Bachelorarbeit begleitet.

„,Wir haben den Testnutzern nicht nur einen Link geschickt, sondern auch einen Teasertext zum jeweiligen Artikel. Begeistert waren wir darüber, dass die überwiegende Mehrheit nicht nur den Teaser gelesen, sondern schließlich auch viele der verlinkten Artikel geöffnet hat’, sagt Alt. Die WhatsApp-Nutzer hätten aber auch selbst die ,inFranken.de’-Nachrichten verbreitet: Mehr als ein Viertel der Nutzer teilte mehrere Links per WhatsApp mit Freunden.“

Wie schön für die Klickzahlen. Aber seit wann verdient man damit im Internet Geld? Ach ja, dafür hat man in Franken seit 2012 seine Paywall. Nicht alle Artikel verschwinden dahinter, sondern nur „eigenrecherchierte und exklusive Geschichten“, wie es in dieser Meldung heißt. Wenn man das mit dem Lokaljournalismus ernst nimmt, trifft das auf alles zu; andernfalls bleiben noch Vereinsmitteilungen, die Pressemitteilung aus dem Rathaus und natürlich ganz viel dpa.

Wie hoch der Anteil der Paywall-Texte bei infanken.de ist, konnte ich als Nicht-Fränkin leider auf die Schnelle nicht identifizieren. Eine Stichprobe ergibt, dass man sich frei über die Coburger Bratwurst und die neueste Folge „Bauer sucht Frau“ informieren kann, aber nicht über den SPD-Stadtrat, der mit Rechtsextremen paktiert. Auf der Facebookseite scheint man derzeit allerdings nur frei verfügbare Artikel zu verteilen. Was darauf hindeuten könnte, dass man es bei WhatsApp ähnlich handhabt.

Woraus wir lernen: Der Lokaljournalismus in Franken hat seine jungen Leser noch nicht ganz aufgegeben und versucht sie dort abzuholen, wo sie sich sonst rumtreiben. Von ihnen aber auch noch Geld zu verlangen, erscheint jedoch riskant.

Für Buzzfeed lohnt sich der Dark-Social-Kram, weil man dort tatsächlich über Traffic Geld verdient. Bei infranken.de (aktuelle Meldungen auf der Regionalseite: „Pech im Parkhaus: Passant bekommt Schranke auf den Kopf“,  "Vorsicht auf den Straßen: Glatteis in Oberfranken“, „Mit Radlader Fußballtor angehoben und verschwunden“) wirkt es ein bisschen so wie der komische Onkel, der sich Sneaker und Hoodie anzieht, um bei seinen jungen Neffen anzukommen.

Eine Zeit lang finden die das sicher amüsant. In ihre WhatsApp-Gruppe der wirklich coolen Kids aufnehmen werden sie ihn daher aber noch lange nicht.

[+++] In der beliebten Rubrik www.istwolfgangbuechnernochimamt.de gibt es heute zu vermelden, dass Peter Turi meint, Büchner werde „mit einer millionenschweren Abfindung getröstet als zerzauster Zierfisch das Haifischbecken ,Spiegel’ verlassen“.

Offiziell hat gestern eine Sprecherin des Verlages die Gerüchte dementiert, dass Büchner ein Angebot zur Vertragsauflösung unterbreitet worden sei (Altpapier gestern).

„Die Personalie dürfte auch im Zentrum einer Betriebsversammlung beim Spiegel stehen, die für diesen Dienstag in den ,Speiseräumen’ an der Ericusspitze anberaumt ist. Unter Punkt eins vermerkt die Tagesordnung ,#Bleierne Zeiten im Spiegel – Wer zahlt die Zeche?’“ (Quelle: Medienseite SZ).

Womit zumindest ein Geheimnis gelüftet wäre: Die Spiegel-Titel macht der Mensch, der auch die Tagesordnungspunkte für Betriebsversammlungen benennt. Das erklärt einiges.


Altpapierkorb

+++ „Natürlich muss ein Kind gemaßregelt und bisweilen bestraft werden. Seine Urteilsfähigkeit, Voraussicht und Kausalitätserkenntnis sind so begrenzt wie sein Weltverständnis. Nicht, dass Erwachsene superklug sind, aber sie wissen mehr, Punkt. Rationale Debatten mit Kindern sind oft sinnlos. Und mit guten Worten und etwas Gewalt erreicht man stets mehr als nur mit guten Worten.“ Diese Meinung von Wolfgang Greber verbreitete am Wochenende Die Presse. Das Internet ist damit umgegangen, wie das Internet mit so etwas umgehen muss; unter anderem Armin Wolff findet dazu ein paar gute Worte. Nun distanziert sich die Chefredaktion von dem Text. „Unsere interne Kontrolle hat am vergangenen Samstag versagt. Wir bedauern dies.“ +++

+++ Es gibt Neues von den Finanzen des Grimme-Instituts. Zuletzt hatte es Ärger gegeben, weil eine Zuwendung der Landesmedienanstalt an die Bedingung geknüpft werden sollte, Einfluss auf die Wahl der Preisträger nehmen zu können. Nun könnte sich im Zuge des neuen Rundfunkstaatsvertrags eine bedingungslosere Finanzierung durch Rundfunkgebühren ergeben, wie Hans Hoff auf der Medienseite der SZ schreibt. „Diskutiert wird, ob Grimme die Förderung, die jetzt noch mühsam bei der LfM beantragt werden muss, direkt aus den Beitragsgeldern erhält. Hintergrund dieser Maßnahme ist eine im Landtag kursierende Rechnung, derzufolge die LfM durch die Umstellung des Gebühreneinzugs mit Mehreinnahmen von jährlich rund 800000 Euro rechnen kann. Zufällig fast genau das Geld, das Grimme braucht.“ +++ Außerdem berichtet in der SZ Jürgen Schmieder von den Schwierigkeiten, Fernsehklassiker auf DVD herauszubringen – die Musikrechte sind schuld. +++

+++ Ebenfalls schwierig: eine Serie gut zu synchronisieren. Dem widmet sich auf der FAZ-Medienseite Markus Engelhardt. „Vieles bleibt auf der Strecke, Feinheiten gehen verloren, Bedeutungen verschieben sich, Anspielungen werden mangelhaft übertragen. Dabei wird gern so getan, als wären die Probleme der Übertragung von Kulturtatsachen erst mit der Synchronisation zeitgenössischer Fernsehserien entstanden. Tatsächlich aber sind sie so alt wie das Übersetzerhandwerk selbst. Banal gesagt: Wer die Tragödien von Sophokles übersetzen wollte, musste sich erst vergewissern, ob die Götter des Olymp auch im Kulturkreis der Zielsprache bekannt sind.“ +++

+++ 3sat feierte gestern seinen 30. Geburtstag und hat zu diesem Anlass einen Haufen Intendanten fragwürdige Synonyme aufsagen lassen, wie Peer Schader bei DWDL schreibt. „Gottfried Langenstein, Vorsitzender der 3sat-Geschäftsleitung und Direktor Europäische Satellitenprogramme beim ZDF, erklärte den Sender zur ,deutschsprachigen Plattform für Weltläufigkeit’ und einem ,kulturellen Fernsehabenteuer für den Geist’. Dem wollten die übrigen Gratulanten nicht nachstehen und lobten den ,Glücksfall’ (SRG-SSR-Generaldirektor Roger de Weck), als ,Projekt mit Zukunft’ (ORF-Intendant Alexander Wrabetz), als ,Kleinod des deutschen Fernsehens’ (ARD-Vorsitzender Lutz Marmor), als ,mediales Mekka für Fernsehfeinschmecker’ und ,audiovisuelles Fernsehabenteuer vom Feinsten’ (Kulturstaatssekretärin Monika Grütters).“  Die NZZ lobt derweil die neue 3sat-Reihe „Meisterfälscher“, in der Wolfgang Beltracchi Prominente wie Christoph Waltz oder Gloria Fürstin von Thurn und Taxis portraitiert. „Gewiss ist es frivol, einem Betrüger eine solche Medienplattform zu verschaffen. Beltracchi schädigte Händler und Käufer. Sein Unrechtsbewusstsein ist begrenzt. (...) Doch die selbstgewisse Persönlichkeit Beltracchis und sein technisches Können, die in den Filmen anschaulich werden, lassen diesen Vorbehalt schnell vergessen.“ +++

+++ Bei Newsroom schreibt Bülend Ürük, dass der Springer-Verlag von der zu verabschiedenden Frauenquote zwar betroffen wäre, davon aber nichts hält. +++

+++ Beim Tagesspiegel dokumentiert Markus Ehrenberg am Beispiel „Mord mit Aussicht“, wie die ARD ihre Serienkoryphäen pflegt, nämlich gar nicht. +++

+++ „Ich erhalte seit fast zehn Jahren regelmäßig Drohungen, per Mail und Telefon. 2003 wurde ich im Taxi beinahe entführt, weil meine Agentur gerade eine Geschichte über Warlords geschrieben hatte. Ich habe nur überlebt, weil ich aus dem fahrenden Auto gesprungen bin. Seitdem wechsle ich ständig die Autos, wenn ich in Afghanistan unterwegs bin. Anfang des Jahres ließen Taliban auf dem Flur vor meinem Büro eine Bombe explodieren.“ Die afghanische Journalistin Farida Nekzad im Interview mit Anne Fromm bei der taz. +++

Neues Altpapier gibt es wieder am Mittwoch.

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