Sagt Saffe

Sagt Saffe

Als was, zum Deibel, wird der Streit beim Spiegel eines Tages erzählt werden – als Nico-Hofmann-Produktion? Bis das gewusst werden kann, kommen immerhin weniger martialische Formen in Betracht: eine Thomas-Bernhard-Erzählung, ein Gerhard-Friedl-Film, ein riesiges Missverständnis beziehungsweise eine Satire auf die Eitelkeit der Branche

Tag 4 in Sachen Spiegel, Büchner, Blome. Und die Branche noch immer so: so – wie Jannis Kucharz das in seinem tumblr aus animierten Gifs dargestellt hat.

Zumal heute, wo ordentlich was los ist, weil gestern Big Runde, Montagskonferenz war. Oder in den Worten Kai-Hinrich Renners in der Welt:

"Montags lädt sich der 'Spiegel' gern Gäste ein. Prominente aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Sport und Gesellschaft begutachten dann gemeinsam mit der Redaktion das neueste Heft und verteilen Lob und Tadel. Diesen Montag hatte man wohlweislich auf Besuch von außen verzichtet."

Das sind Einstiege, die Großes erahnen lassen. Wobei Renner, man kann sich auch täuschen, ein bisschen wirkt, als fahre er mit angezogener Handbremse; Springers Welt ist aber auch nicht der einzige Platz, an dem gewisse Befangenheiten erklärbar sind.

Aber es geht ja auch so. Die Konferenz ist so gut dokumentiert, dass sich ein eigener Text aus den gesammelten Durchstechereien montieren ließe.

"Um kurz vor elf Uhr ist es an diesem Montag so voll, dass kein Mitarbeiter mehr in den Konferenzraum passt. Dort, im ersten Stock des 'Spiegel'-Verlagsgebäudes an der Ericusspitze in Hamburg, warten sie gespannt darauf, ob der neue Chefredakteur sich entschuldigt, vielleicht einen Rückzieher macht."

Steigt Sonja Álvarez im Tagesspiegel ein.

Johannes Boie und Claudia Fromme bringen in der Süddeutschen ebenfalls erstmal Druck auf den Kessel, in dem die Bedeutung kocht:

"Es war eine besondere Konferenz, die beim Spiegel am Montag um 11 Uhr stattfand. Geschäftsführer Ove Saffe nahm ausnahmsweise teil, der designierte Chefredakteur des Spiegels, Wolfgang Büchner, kam aus Berlin."

Roland Pimpl führt auf horizont.net die Rednerliste.

"Die nach Angaben von Teilnehmer denkwürdige und (auch mit Online-Redakteuren) in Rekordstärke besuchte 11-Uhr-Konferenz begann mit Beteuerungen von Geschäftsführer Ove Saffe... Dann bekam den Schilderungen nach Wolfgang Büchner das Wort erteilt... Als dritter Redner verlas Stefan Willeke im Namen der mächtigen Ressortleiter die erwähnte Bitte, dass Büchner auf Blome verzichten möge."

Als großer Freund der Filme von Gerhard Friedl und der Erzählungen von Thomas Bernhard ("Saffe sagte, dass es hier nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Verlag und Redaktion gehe, Büchner wiederholte, dass er von der Berufung Blomes nicht abrücke") könnte man hier nun etwa diese Abzweig nehmen, damit das Material mit sich selbst ins Gespräch kommt:

"Die Stimmung war angespannt. Der Erste, der sich aus der Redaktion zu Wort meldete, war Thomas Darnstädt, der frühere Sprecher der Mitarbeiter KG, die mit 50,5 Prozent Hauptgesellschafter des Spiegel-Verlags ist. Wie ein Staatsanwalt beim Plädoyer, berichten Teilnehmer, sei er mit erhobenem Zeigefinger hin- und herspaziert, während er erläuterte, wieso ein hochrangiger Bild-Mann nicht zum Spiegel passt."

Schreibt Ulrike Simon in der Berliner, die wie Sonja Álvarez mit filmischen Bildern umgeht, was der Anschaulichkeit und Emotionalität der Darstellung natürlich nur gut tut.

Als Zwischenbilanz empfiehlt sich der resümierende Dreiklang aus dem SZ-Text.

"Ein Teilnehmer spricht von einer 'düsteren Veranstaltung', einer, der schon lange beim Spiegel arbeitet, sagt, dass er so etwas wie diese Redaktionskonferenz noch nie erlebt habe, ein dritter spricht von 'körperlich spürbarer Spannung'. Andere beschreiben die Konferenz aber auch als 'erhebend', weil die Redaktion um 'ihre Rechte kämpfte'."

Um das Drama weiter aufzufächern, böte sich an dieser Stelle eine Analepse an, um die Spannung noch etwas rauszuzögern:

"Am Sonntagabend hatten sich die Spiegel-Topjournalisten zu der Erklärung entschlossen, in der es u.a. heißt, die Ernennung Blomes verstoße gegen bestehende Regeln und schade der 'Kultur' des Hauses."

Erinnert Christian Meier auf Meedia.de. Am Tag vor dem Montag war allerdings auch das geschehen, wie Michael Hanfeld in der FAZ (und nicht in ganzer Fülle online schreibt):

"Das Krisengespräch am Sonntagabend, zu dem sich Büchner, Vertreter der Mitarbeiter KG und einige Ressortgesandte getroffen hatten, trug zur Deeskalation nicht bei."

"Nach anderthalb Stunden endete die Konferenz in großer Ratlosigkeit."

Könnte man das Ding dann abrupt runterfahren mit Ulrike Simon. Und zu den interessanten Entwicklungen überleiten.

"Büchner, an dem alle Kritik abzuprallen schien, 'als trage er einen Neopren-Anzug', sagt ein Teilnehmer, entgegnete, die Griechenland-Serie, die Blome verantwortet habe und für die die Bild-Zeitung – für Kritiker unverständlich – den Quandt-Preis erhalten hat, hätte auch dem Spiegel gut zu Gesicht gestanden; lediglich sprachlich hätte sie dem Spiegel entsprechend anders formuliert werden müssen."

Schreibt die SZ über Büchners Hartbleiben, hinter dem wie dem gesamten Streit natürlich "vor allem ganz andere Fragen stecken" (horizont.net).

Bemerkenswert ist das Zitat, das in der TAZ David Denk und Jürn Kruse ins Rennen schicken:

"In der Montagskonferenz soll Büchner sich noch einmal für seinen Favoriten ins Zeug gelegt haben. Blome sei in der Lage 'sich anzupassen', soll er gesagt haben. Man würde ihm noch dankbar sein, Blome geholt zu haben."

Gerade für Haltungsjournalisten muss das ein schwerer Schlag sein, wenn in Aussicht gestellt wird, dass Überzeugungen für die Karriere natürlich sausen gelassen werden können.

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Und damit sind wir beim – da nichts entschieden ist, die Frage der Mitarbeiter KG-Information wie -Mitbestimmungsmöglichkeit so unklar ist wie Büchners/Saffes Drohpotential – schönsten Punkt der ganzen Angelegenheit, die dem Drama die Chance auf eine Satire über den Berufsstand eröffnen.

"Eingeräumt habe er [Büchner] lediglich, dass der Bild-Mann beim Spiegel nicht das Blatt machen werde, also weniger redaktionellen Einfluss auf die Produktion hätte, als es Stellvertreter beim Spiegel bislang haben. Auch soll Blome Ressortleitern gegenüber nicht weisungsbefugt sein. Blomes Titel, erklärte Büchner, sei eine 'Schulterklappe'; der Bild-Mann soll zusätzlich auch Büroleiter des Spiegels in Berlin werden und auch dort, nicht in der Zentrale in Hamburg, arbeiten."

Wird in der SZ die Luft aus der angeblichen Macht von Blome gelassen, so dass sich Kai-Hinrich Renner in der Welt fragen kann, wieso es überhaupt der Blomi-Luftballon sein soll?

"Weshalb dann aber der Titel Stellvertretender Chefredakteur?"

Die mutmaßliche Antwort liegt so nahe und ist – für alle die, die von Spiegel und links und Inhalt und Haltungen und dem ganzen Gedöns reden – deprimierend:

"Weil Blome ihn schon bei 'Bild' trägt und er seine Eitelkeit befriedigt? Vor den Ressortleitern hatte Büchner bereits am Mittwoch so etwas angedeutet. Dass er dies nun vor einem größeren Kreis wiederholte, dürfte Blomes Standing in der Redaktion, so er denn überhaupt sein Amt antritt, kaum zuträglich sein."

Das wäre doch mal eine Pointe: Der stolze Spiegel, dieses "ehemalige" (Fefe) Sturmgeschütz zerfleischt sich bis zur Sinnkrise, weil Blome die Karrierebefehle des Kapitalismus so verinnerlicht hat, dass er unmöglich von Springers hottem Blatt zum Spiegel wechseln kann, wenn dabei ein Stern an seiner Reichsjägermeisteruniform seinem Stellvertreterspezialanzug verloren geht. Wie traurig ist das?

Womöglich läge ein Kompromiss darin, einen möglichst originellen, aber harmlosen Titel für jemanden zu finden, der keinerlei Befugnisse hat und im Fernsehen rumsitzen soll. Friedrich Küppersbusch hatte neulich schon den Befugnisinhaber aufgetan, weil das in dem Falle etwas irritierend sein könnte, würden wir Großwesir oder Maharadscha vorschlagen.

Und wie geht es nun weiter beim Spiegel?

"Für Mittwoch ist eine Informationsveranstaltung der Mitarbeiter KG angesetzt. Bis dahin verlangt Büchner eine klares Bekenntnis zu seiner Person – und zu Blome als Vize-Chef. Gemäß ihrer Satzung entscheiden die KG-Geschäftsführer aber erst in etwa drei Wochen."

Schaut der Tagesspiegel nach vorn, der auch weiß, dass eine Abberufung von Büchner, Saffe und Blome "schnell um die zehn Millionen Euro kosten" könnte.

Es wird jedenfalls nicht langweilig werden. Vielleicht könnte Vroniplag, wenn denn alle Dissertationen von lebenden Politikern durch sind, derweil mal die Impressen der deutschen Zeitungen durchgehen und da nach den Top-Titel-Bezeichnungen suchen. Da geht bestimmt einiges.


Altpapierkorb

+++ Möglicher Posten für Büchner, Blome oder Saffe, wenn das Ding beim Spiegel schiefgeht? "Der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Martin Spieler wird sich zuerst als Baustellenmanager bewähren müssen und vor allem dafür sorgen, dass die Spar- und Renditeziel erreicht werden. Publizistische Ambitionen müssen hinten anstehen. Bisher kursierten erst wenige Namen für den nur noch mittelmässig attraktiven Posten." Geht um Sparmaßnahmen bei Tamedias Sonntagszeitung in der Schweiz, die Medienwoche.ch berichtet. +++ Die Zahlen sind bei der NZZ nicht besser, weiß Wolfgang Koydl in der SZ (Seite 31): "Das operative Ergebnis sank gegenüber dem Vorjahr um 5,6 Millionen Franken auf 15,1 Millionen Franken. Hauptgründe für den Einbruch sind schwindende Auflagen und die sinkenden Werbeeinnahmen für die Druckausgaben." +++ Dabei sollte man die Schweiz nicht unterschätzen, Rainer Stadler hat in seiner NZZ-Kolumne den Medienkonsum einmal hochgerechnet: "Ein Beispiel: Die 'Süddeutsche Zeitung' zählt täglich rund 1,4 Millionen Leser, der publizistisch ähnlich positionierte 'Tages-Anzeiger' hat etwa 500 000 Kunden. Hochgerechnet auf das im Norden 13-mal grössere deutschsprachige potenzielle Publikum wären dies 6,5 Millionen 'Tages-Anzeiger'-Leser. Was heisst: In der Schweiz ist der Medienkonsum weniger segmentiert als in Deutschland; unsere Massenmedien haben eine stärkere gesellschaftliche Bindekraft. Ein Grund für die grössere Überschaubarkeit im Kleinstaat ist der relativ kleine Markt, der weniger Vielfalt ermöglicht." +++ Inga Rogg schreibt ebenfalls in der NZZ über Journalismus in der Türkei: "Die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Besitzer, die um staatliche Grossaufträge fürchten, fördern in den Medien die Selbstzensur. Inzwischen müssen Erdogans Berater gar nicht mehr in den Redaktionen anrufen; die Firmenchefs wissen, wo ihre Grenzen sind." +++

+++ "Übrigens sollte die Jauch-Redaktion mal zur Kenntnis nehmen, dass in Deutschland auch Frauen zur Urne gehen dürfen. Außer der argumentativ bescheidenen Autorin und gefühligen Nichtwählerin Hünniger sitzt keine einzige Frau in der Runde. Wenn das nicht peinlich ist – was dann?", meint Joachim Huber im TSP zur Jauch-Sendung vom Sonntag. +++ Streit um einen "Glee"-Ableger gibt es in Pakistan, informiert die Berliner: "Kritiker fürchten, dass 'Taan' Spannungen eher erzeugen könnte als sie zu lösen. 'Ich glaube an die Meinungsfreiheit, aber wir sollten auf unser Umfeld achten, wenn wir etwas sagen oder zum Ausdruck bringen', sagt der Kunstkritiker Jamal Shah." +++

+++ Und die SZ (Seite 31) macht sich Gedanken, was Nico Hofmann nach den Schleckerfrauen noch alles verwursten könnte: "Nico Hofmann ist der Sohn seiner Mutter, der Sohn seines Vaters. Er wächst in Mannheim auf, dann siedelt er in die süddeutsche Großstadt München über. Dort lernt er das Filmhandwerk. Dann dreht Nico Hofmann Filme, und zwar Filme über alles und jeden. Zum Schluss ist er irre reich und berühmt. Pompöse Musik jetzt, sehr berührend. Der Produzent von 'Der Produzent' hat sein ganzes Leben lang auf diesen Film hingearbeitet." Vorher muss allerdings der Spiegel-Film noch gedreht werden. Götz Otto als Saffe, Hannes Jaenicke als Büchner und Heino Ferch als Blome, Veronica Ferres dessen Frau. +++

Der Altpapierkorb füllt sich morgen wieder.

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