Was stellen wir eigentlich für Fragen?

Was stellen wir eigentlich für Fragen?

In einer ARD-Talkshow macht man sich Gedanken darüber, ob die Gefahr besteht, dass Glenn Greenwald erschossen wird. Ein Popkultur-Magazin steht unter Beschuss, weil es einen mutmaßlichen Terrroristen zum Coverboy gemacht hat. Außerdem auf der Agenda: ein höchstrichterliches TV-Urteil für unsere „individualisierte, fragmentierte Gesellschaft“, die 20-Uhr-Nachrichten von RTL II und die Zukunft des Hörspiels (also nach der digitalen Revolution).

Die heute in der FAZ zu findenden Überschriften „Recht auf Fußball“ und „Der Fußball bleibt frei“ klingen recht bedeutungsschwer, wenn man bedenkt, dass es dabei um ein Gerichtsurteil zu Fußball im Fernsehen geht. Die erste steht auf der Zeitgeschehen-, die zweite auf der Medienseite. Überhaupt ist es ja auffällig, dass sich die Frankfurter entschieden haben, ein Contra-Pay-TV Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Pressemitteilung des Gerichts hier als PDF) gleich zweimal zu kommentieren. 

„Der Europäische Gerichtshof hat letztinstanzlich entschieden, dass das Recht auf Information für europäische Fernsehzuschauer höher zu bewerten ist als der freie Wettbewerb und das Eigentumsrecht. Zumindest wenn es sich um die Übertragung von Spielen der Endrunde bei Fußball-Europa- und -Weltmeisterschaften handelt.“

So fasst „mse“ auf der Medienseite die Causa zusammen. Der Jurist Reinhard Müller, der das Ressort Zeitgeschehen verantwortet, ergänzt:

„Der EU-Kommission steht es nicht zu, wie der Europäische Gerichtshof jetzt klargestellt hat, darüber zu befinden, was denn etwa für Belgien, Großbritannien oder Deutschland Ereignisse und Spiele von großer gesellschaftlicher Bedeutung sind. Die EU-Staaten haben hier einen erheblichen Beurteilungsspielraum, die EU-Kommission nur eine eingeschränkte Überprüfungskompetenz.“

Der Text endet dann mit einer kleinen Schmunzelei:

„Das ist durchaus angebracht, wenn es um das nationale Grundrecht schlechthin geht - bei dessen Ausübung man sich bestens von europäischen Krisen ablenken kann.“

Auf der SZ-Medienseite äußert sich Wolfgang Janisch ausführlich:

„Im Grundsatz (...) folgt das Urteil aus Luxemburg jener großen Linie, die sich auf folgende Formel bringen lässt: Der Sport ist für das Gemeinwesen zu wichtig, als dass man ihn den exklusiven Vermarktungsinteressen seiner Veranstalter überlassen könnte (...) Hinter dieser Rechtsprechung steckt (...) die Erkenntnis, dass eine säkularisierte, individualisierte, fragmentierte Gesellschaft gar nicht mehr so viel hat, worüber man mit allen reden könnte.“

Nicht gut findet das Urteil dagegen Peter Riesbeck (FR):

„Fußball ist kein Menschenrecht (...) Selbst wenn man den Fußball als Kulturgut verstünde – müsste es dann nicht auch ein Informationsrecht auf große Opern, Theateraufführungen oder Ausstellungen im Fernsehen geben?“

Kritische Töne auch bei Legal Tribune Online:

„Zudem erscheint die vom EuGH bestätigte Antwort auf die Frage, was von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung ist, im Übrigen nicht unerheblich politisch begründet. Es ist nicht auszuschließen, dass die Politik in Deutschland versuchen wird, das Urteil für sich zu nutzen, und wie ihre Kollegen in England und Belgien eine Erweiterung der Liste auf alle Spiele der Fußball-WM und EM fordern – spätestens wenn der nächste Bieterstreit zwischen Free-TV und Pay-TV vor der Tür steht.“

Eine Stellungnahme des Rechtsstreitsverlierers UEFA gibt es auch, aber die ist so dreist und doof, dass man sie nicht zitieren kann. Zu einem Link auf eine digitalfernsehen.de/dpa-Meldung kann ich mich aber durchringen.

####LINKS####

Weitere Texte zum Thema Sportübertragungen im Kurzdurchlauf: Alexander Becker (meedia.de) kann der Internet-Sportschau der Bild-Zeitung teilweise Positives abgewinnen, meint aber auch, man müsse beobachten, ob es sich auf die Spielberichte der Bild-Print-Redakteure auswirkt, dass das eigene Haus nunmehr Geschäftspartner der Bundesliga ist. Und Volker Nünning stellt bei funkkorrespondenz.de die Privat-TV-Senderschwester Sport1.FM vor („In dem neuen 24-stündigen Programm wird es auch um die Handball- und Basketball-Bundesliga gehen [...] Außerdem werden [...] über das neue Radioprogramm mehrere Sport-1-Fernsehsendungen wie etwa der sonntagsvormittags ausgestrahlte Fußballtalk ‚Doppelpass‘ zeitgleich zu hören sein“). Zu beiden Themen siehe jeweils auch das Altpapier von Donnerstag.

[+++] Zwischendurch ein „mittelschwerer Kulturschock“ gefällig? „Feuilletonisten“ jedenfalls hätten kürzlich einen erleiden müssen, weiß Welt-Autorin Antje Hildebrandt. Es geht um die 20-Uhr-Nachrichten von RTL II und eine Begebenheit vom 9. Juli:.

„In der Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen hängte der kleine Privatsender die ‚Tagesschau‘ ab, zum ersten Mal in seiner zwanzigjährigen Geschichte. 720.000 Zuschauer schalteten die ‚RTL II News‘ ein, 50.000 mehr als den Platzhirschen im Ersten.“

Zum ersten Mal? Vor 14 Monaten meldete RTL II schon einmal Ähnliches, und die ARD konterte damals unter anderem, nicht die Zahlen im Ersten allein seien entscheidend, vielmehr müssten die Zuschauer in den dritten Programmen mitgezählt werden. Die Neue Osnabrücker Zeitung berichtete damals umfänglich.

Somit ist es mit dem „mittleren Kulturschock“ dann doch nicht weit her. Aber unabhängig davon, zum wievielten Mal es kürzlich passierte, dass an einem Tag mehr Zuschauer aus einer bestimmten Altersgruppe die ‚RTL II News‘ einschalteten als die Tagesschau im Ersten: Beruhigendes über das Publikum der RTL-II-Nachrichten hat die Autorin auch noch mitzuteilen:

„‚15 Prozent der Zuschauer haben Abitur oder einen Hochschulabschluss‘, heißt es in der RTL-II-Pressestelle. Das Vorurteil, dass sich die 14- bis 49-Jährigen nicht für Politik interessieren, kann RTL-II-Nachrichtenchef Jürgen Ohls glaubwürdig ausräumen.“

Hildebrandt, die alte Häsin! Niemand erkennt einen glaubwürdigen Ausräumer besser als sie.

[+++] Kaum einen „Kulturschock“ dürfte die Studie „Gefallen an Gefälligkeiten“ auslösen, die Transparency International, Netzwerk Recherche, die TU Dortmund und die Otto-Brenner-Stiftung gerade vorgestellt haben (siehe Altpapier). Mit der Untersuchung über Korruption im Journalismus befasst sich nun auch Petra Sorge in ihrer Cicero-Medienkolumne. Sie blickt dabei zurück auf eine Diskussion bei der Jahrestagung des Netzwerks Recherche vor einigen Wochen, auf sich Jörg Eigendorf (Welt) und Hans Leyendecker (SZ) wenig freundlich zu der in ihrer Zunft verbreiteten Haltung zum Thema Korruption in den eigenen Reihen äußerten:

„Während der Podiumsveranstaltung über Medienkorruption in Hamburg war der Saal bis an den Rand mit Journalisten gefüllt. Trotzdem drangen die erstaunlichen Zitate von Eigendorf und Leyendecker nicht an die Öffentlichkeit. Warum eigentlich? Man stelle sich vor, ein Pharmavertreter würde seine Industrie als korrupt bezeichnen. Oder ein FDP-Vorstand seine Partei. Wäre das nicht jedem Journalist eine Nachricht wert? Und warum erinnert sich eigentlich jeder Deutsche an die legendäre Prostitutions-Party der Ergo-Versicherung, niemand aber an die Bordellbesuche von Mazda-Reportern?“

[+++] Kommen wir nun zu unserem beliebten, niemals Vollständigkeit suggerierenden Überblick zu aktuellen Artikeln über Prism und die Folgen: 

Sollen wir unsere Kommunikation verschlüsseln?, lautet die aktuelle Frage auf der Pro-und-Contra-Seite der Jungle World. „Viel Aufwand, wenig Nutzen“, meint Boris Mayer. Eine seiner Begründungen:

„Viel wichtiger als der Inhalt sind den Geheimdiensten die Verbindungsdaten – auch nach Angaben von Edward Snowden. Der Grund dafür ist klar: Verbindungsdaten sind mit der Hilfe von Computern sehr einfach auszuwerten. Wer kommuniziert wie oft und wie viel auf welchem Weg mit wem? Das ist die Frage, die Geheimdienste wirklich interessiert.“

Die Gegenposition vertritt Stephan Urbach von der Piratenpartei.

Der Blog Überschaubare Relevanz zerpflückt den auch hier erwähnten FAZ-Feuilletonaufmacher vom Donnerstag, den die IT-Unternehmerin Yvonne Hofstetter geschrieben hat:

„Frau Hofstetter entwirft abstruse Bedrohungsszenarien, erklärt sie nicht richtig, und hofft, dass wir uns hinreichend gruseln, um ihren Anweisungen zu folgen.“

Frank Lübberding geht bei wiesaussieht unter anderem auf die bisherige Medienstrategie der Bundesregierung ein:

„In der Debatte um das Prism-Programm der USA sind zwei Dinge zu unterscheiden. Zum einen die Aufklärung über die Frage, was im Rahmen dieses Programms tatsächlich seitens der NSA gemacht wird. Hier sind wir seit der Aufdeckung durch Edward Snowden gut vorangekommen. Die zweite Frage betrifft die politischen Folgen dieser Erkenntnisse. Nun hat die Bundesregierung bisher eine Antwort gefunden: Zwar weiß sie noch nichts, sprich alles nur aus den Medien, aber das, was sie nicht weiß, hält sie in Gestalt des Bundesinnenministers Hans-Peter Friedrich im Grundsatz für vertretbar. Diese Strategie des Nicht-Wissens ist politisch klug. Denn erst nach der Anerkenntnis, dass sie etwas weiß, muss sie politisch handeln.“

Apropos Friedrich: Bei den Nachdenkseiten steht eine Teil-Transkription eines Phoenix-Interviews mit ihm. Ein Highlight:

„Es gibt PRISM, PRISM ist… äh…nicht flächendeckend, PRISM geht nach Stichworten – das war’n ja viele Fragen, wir haben noch keine Fragen…äh… Antworten auf die Frage, wo genau holt Ihr die Daten…äh… da geht es um die…äh…Deklassifizierung.”

Die gestrige Diskussion bei „Beckmann“ unter dem Titel „Der gläserne Bürger – ausgespäht und ausgeliefert?“ zeichnete sich, um mal mehrere kursierende Einschätzungen zusammenzufassen, unter anderem dadurch aus, dass keine Politiker mitredeten. Die Auswahl der Gäste war sehr FAZ-lastig: Herausgeber Frank Schirrmacher war dabei, außerdem die freie Mitarbeiterin Constanze Kurz und der kürzlich von der FAZ ausgiebig zum Thema interviewte Ranga Yogeshwar (siehe Altpapier). Bei faz.net hätte heute morgen aber auch sonst eine Frühkritik gestanden. Weil es irgendwie ein Text in eigener Sache ist, fehlt aber eine Autorenangabe. Immerhin kommt auch die Konkurrenz vor:

„Hans Leyendecker, Journalist bei der Süddeutschen Zeitung, benannte die Folgen der Speicherung unserer digitalen Existenz so: ‚Alles was wir einmal Bürgerrechte oder Privatsphäre nannten: Das ist alles weg.‘ Ein fulminanter Satz. In historischer Perspektive bedeutet das nichts anderes als den Verlust dessen, was unsere Vorfahren seit der Aufklärung als die Essenz der bürgerlichen Gesellschaft erkämpft haben.“

Arno Frank geht bei Spiegel Online auf den zugeschalteten Glenn Greenwald ein - und fährt folgendermaßen fort:

„Direkt nach dem Gespräch mit Greenwald tat die ohnehin schlaue Constanze Kurz vom Chaos Computer Club etwas sehr Kluges. Sie fragte verwundert: ‚Was stellen wir eigentlich für Fragen? Gehen wir ernsthaft davon aus, dass er auf offener Straße erschossen wird? Das war eine ernsthafte Frage. Und er hat sie ernsthaft beantwortet.‘ Kurz markierte damit den Umstand, dass eine solch abenteuerliche Vorstellung überhaupt in den Bereich des Möglichen gerückt ist, als den eigentlichen Kern der Debatte. Sind denn alle verrückt geworden?“

Nur am Rande: Über einer männlichen Mittalker würde man wahrscheinlich nicht mitgeteilt bekommen, er sei „ohnehin schlau”.   

Mehr oder weniger in Echtzeit kommentierten bei Twitter Tilo Jung (Stichworte: Leyendecker, Graswurzelrevolution), Andreas Schepers (unter mittelfristig bundespolitischen Aspekten) und mspr0. Letzterer meint:

„wenn man gerade geboren wurde oder die letzten 4 wochen im wald verschollen war, könnte fernsehen bilden.“

Eine vielleicht nicht ganz falsche Einschätzung, aber auch keine besonders originelle.

Über eine mögliche Arbeitsteilung zwischen Edward Snowden und dem gestern in der ARD zu sehenden Greenwald spekuliert die Berliner Zeitung:

„Während Snowden, 30, von seinen früheren Auftraggebern als Verräter verfolgt wird und um Asyl kämpft, rückt Glenn Greenwald immer mehr ins Zentrum des Abhörskandals. Nicht mehr Snowden, sondern er ist es, der immer neue Enthüllungen ankündigt. Snowden meidet die Öffentlichkeit, um sich kein Chance auf Asyl zu verbauen, dafür steht nun Greenwald im Rampenlicht und gibt, gegen Honorare, die Interviews, die Snowden scheut. Ist das noch Arbeitsteilung zwischen den beiden? Oder treibt Greenwald die Super-Story bereits in eigenem Interesse voran? Und gibt es einen sogenannten ‚dead man’s pact‘, also die Absprache, alles – was auch immer ‚alles‘ sein mag – auffliegen zu lassen, wenn Snowden etwas zustößt?

süddeutsche.de berichtet von US-amerikanischen Internet-Unternehmen, die gemeinsam mit Bürgerrechtsaktivisten eine „Bittschrift“ verfasst haben, die „Zeugnis einer ohnmächtigen Wut“ sei:

„In dem neuen Brief fordert eine Allianz aus Unternehmen, Investoren, Non-Profit- und Handelsorganisationen die Regierung und den Kongress auf, Technikfirmen von ihrer Verschwiegenheitspflicht zu entbinden. Internet-, Telefon- und Webunternehmen sollen Informationen über Regierungsanfragen künftig detailliert und regelmäßig veröffentlichen dürfen.“

In der gedruckten SZ auf der ersten Feuilleton-Seite schreibt Ben Scott, der drei Jahre lang Hilary Clintons „Berater für Innovation“ war, „wir“ müssten

„uns in einer historisch einzigartigen Anstrengung damit befassen, neue internationale Standards zu verhandeln, mit denen wir die Gesetze zwischen und in den Nationen gestalten. Diese Standards müssen definieren, welche Arten der Überwachung notwendig und angemessen sind. Sie dürfen die Legitimität von Überwachungsprogrammen nicht allein aufgrund ihrer Existenz, sondern aufgrund der gesetzlichen Zwänge beurteilen.“

Und Gitta Düperthal (Junge Welt) macht in einem Interview mit dem Kameramann Romas Dabrukas darauf aufmerksam, dass es manchmal nicht immer ganz risikolos ist, über Protest gegen die Praktiken der NSA zu berichten. Dabrukas jedenfalls bekam die Knarre eines Frankfurter Polizisten zu sehen. Er

„war erstaunt, dass mich Polizisten in Deutschland mit der Waffe bedrohen und mir meine Kamera wegnehmen. Das ist mir in meinem Leben als Kameramann noch nicht passiert.“

[+++] Reichlich Debattenstoff liefert in diesen Tagen das Cover des US-amerikanischen Rolling Stone, auf dem der mutmaßliche Boston-Attentäter Jahar Tsarnaev zu sehen ist.

„Die Farben sind verwaschen, das Bild ist ein bisschen unscharf: ein wirklich hübscher, nachdenklicher junger Mann mit einem Blick wie Jim Morrison“,

schreibt Christian Werthschulte in der taz. Darf man das: einen mutmaßlichen Terroristen als Popstar inszenieren? (siehe auch Tagesspiegel)

„Die Aufregung um das Cover hat ihren Ursprung im Mythos des Rolling Stone. Es wirkt wie ein Nachhall der Hochphase des Musikjournalismus“,

meint Werthschulte. The New Republic nimmt die Debatte zum Anlass, eine „visual History of Evil People on Magazine Covers“ abzubilden. Erhellendes steht zum Thema auch beim Online-Ableger von National Geographic - obwohl man hier ja eigentlich auf andere Themen spezialisiert 

Den Vogel oder gleich eine ganze Vogelschar schießt dagegen Hannes Stein ab, ein für Springers Welt in New York stationierter Dichter und Denker:

„Wenn man das Gesicht von Dzhokhar Tsarnaev auf dem Zeitschriftencover betrachtet, fällt einem sofort ein anderer schöner Mensch ein: Ernesto Guevara, den seine Bewunderer ‚Che‘ nannten. Berühmt das Foto von Alberto Korda vom ‚guerillero heroico‘, auf dem er sanft und hart zugleich wirkt: Fransenbart, entschlossener Mund, die Glutaugen in die utopische Ferne gerichtet. Eine Ikone. Nun war der Mann in der harten historischen Wirklichkeit ein mordender Psychopath (...) Guevara hat Konzentrationslager auf Kuba eingerichtet.“

Was mir ansonsten „sofort“ „einfällt“, wenn ich Artikel von Hannes Stein lese, muss ich leider für mich behalten.


ALTPAPIERKORB

+++ Über eine „180-Grad-Kehrtwende“, die EU-Kommissarin Neelie Kroes in Sachen Netzneutralität vollzogen hat, empört sich Daniel Schwerd (Carta)

+++ meedia.de hat die demnächst beim NDR ausscheidende Anna Terschüren interviewt, die in ihrer Dissertation den neuen Rundfunkbeitrag als verfassungswidrig beschrieben hat (siehe unter anderem dieses Altpapier). „Die einzige offizielle Reaktion des NDR auf Ihre Arbeit war, dass es keine ‚neuen Erkenntnisse‘ gebe. Ist das nicht eigentlich schon ein Schuldeingeständnis?“ fragt der Branchendienst. Dazu Terschüren:
 „Also, das war ein Schuss ins eigene Knie, kann man natürlich nicht anders sagen. Nach dem Motto: ‚Der Rundfunkbeitrag ist eine verfassungswidrige Steuer, das ist ja nichts Neues‘ – also, das ist natürlich schräg, wenn man es einfach so zugibt. Dieser Kommentar aber kam, als die Dissertation noch gar nicht veröffentlicht war. Die lag bislang nur meinen Gutachtern vor und niemand anderem. Auch nicht dem Spiegel, der ja zuerst berichtete, und auch nicht meinem Arbeitgeber. Also kannte niemand außerhalb der Uni und meiner Korrekturleser meine Dissertation. Und auf Basis der wenigen Sätze Berichterstattung des Spiegels so eine Meldung herauszugeben, ist natürlich ungeschickt.“

+++ Die Funkkorrespondenz dokumentiert in einem Sonderheft Vorträge der Tagung „Radio Zukunft – Tage der Audiokunst“, die im Frühjahr in der Berliner Akademie der Künste stattfand - unter anderem von Grimme-Institutschef Uwe Kammann zum Wegfall von Sendeplätzen und von Hörspiel-Produzent Andreas Bick zur „Zukunft des akustischen Erzählens“. Letzterer schreibt: Akustische Erzählungen gehören zum Kern des Kulturauftrags der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender. Wenn der neue Rundfunkbeitrag auf dem Vorhandensein eines Internet-Anschlusses beruht, müssen sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an einem umfassenden Online-Angebot an akustischen Erzählungen messen lassen. Wenn die Hörer akustische Erzählungen über Smartphones, Tablets oder Game-Konsolen empfangen wollen, müssen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten den Hörern folgen und ihre Inhalte auch auf diesen Geräten bereitstellen.“ Aber: „Die ARD produziert jährlich zwischen 300 und 400 neue Hörspiele und Features (...) Die Realität im Jahr 2013 ist, dass dieses überaus bunte und attraktive Angebot auf den einzelnen Webseiten der ARD-Sender verstreut und nur partiell in der zentralen ARD-Mediathek zu finden ist.

+++ Daniel Bouhs (taz) hat anlässlich der heute beginnenden Tarifverhandlungen für Zeitungsredakteure mit Georg Wallraf, dem Tarifexperten des BDZV, gesprochen. Der Mann kann einen zu Tränen rühren. Er kenne Verlage, „bei denen die Rendite im niedrigen einstelligen Bereich ist“, sagt Wallraf.

+++ Andreas Kilb begründet auf der FAZ-Medienseite, warum er „George“, dieses erst am Montag zu sehende, aber schon jetzt viel besprochene neue ARD/Teamworx-Großwerk für misslungen hält: „Er habe ‚eine offene Form‘ gesucht, die ‚den Zuschauer mit seinem Urteil dazwischenkommen lässt‘, erklärt der Regisseur Joachim Lang im Presseheft zu ‚George‘. In der Form, die er gefunden hat, kommen weder das Dokumentarische noch die Fiktion zu ihrem Recht. Beide wirken wie Bruchstücke, die aneinander jenen Halt suchen, den sie in sich selbst nicht finden. Ihre Vermischung erzeugt nicht Offenheit, sondern Konformität: Ein selbständiges Urteil, wie es Lang vorschwebt, kann sich der Zuschauer nur gegen die Bilder dieses Films, nicht mit ihnen bilden.“ Immerhin: Es steht in der sonst so teamworx-freundlichen FAZ.

+++ Über Grill Champ, einen neuen E-Magazine-Ableger von Gruner + Jahrs Men‘s Health, schreibt kress.de: „Der digitale Ratgeber liefert Antworten auf 129 Fragen, die Männern den Weg zum perfekten und gesunden Grillgenuss aufzeigen sollen.“ Echt? Nur 129? Dafür gebe ich als gesundheitsbewusster Grillperfektionist doch keine 3,59 Euro aus!

Neues Altpapier gibt es wieder am Montag.

weitere Blogs

Die Generalkonferenz der Methodist:innen hat vor Kurzem die diskriminierenden Regelungen gegenüber queeren Menschen aufgehoben. Katharina Payk traf zwei spannende Vertreter der methodistischen Kirche zum Gespräch über die gegenwärtigen Kämpfe und die Zukunft in der weltweiten Freikirche.
… von monumentalen Skills, die nicht zählen.
Das queere Vereinsleben ist so bunt und vielfältig wie die queere Szene. Aber wie politisch neutral sollten diese Vereine heute (noch) sein?