Die neuen Lieblingsfeinde der Politik: "die Spekulanten"

Die neuen Lieblingsfeinde der Politik: "die Spekulanten"
Die europäischen Politiker haben ein neues Feindbild: Wahlweise sind es "die Spekulanten" oder auch gern "die Märkte", die an der aktuellen Euro-Krise schuld sind. Eigenes Versagen oder Selbstkritik? Völlig Fehlanzeige in der Politik.
10.05.2010
Von Rochus Görgen

In der europäischen Schuldenkrise sind Spekulanten zum Feindbild der Politik geworden. Die mächtigen Angriffe der Finanzjongleure müssten abgewehrt werden. Doch so genau weiß niemand, wer hinter den angeblichen Angriffen auf den Euro steht. Sind wirklich das Risiko suchende Spekulanten für den Druck verantwortlich - oder sackten Euro und griechische Staatspapiere ab, weil Anleger das Risiko scheuten?

In der Wortwahl halten sich die Politiker nicht zurück. "Es geht hier um eine weltweit organisierte Attacke gegen den Euro", sagt etwa der Chef der Eurogruppe, Luxemburgs Premierminister Jean-Claude Juncker. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) meint: "Wir haben festgestellt, dass es doch ein hohes Maß an Spekulationen gegen den Euro als Ganzes gibt." Schwedens Finanzminister Anders Borg sprach gar von einem "Wolfsrudel."

Doch es gibt auch eine andere Sicht: "Ich sehe dieses Rudel von Wölfen nicht", sagt Banken-Professor Martin Faust von der Frankfurt School of Finance & Management. "Die Politik suggeriert, dass es eine Manipulation gibt. Aber das ist es nicht." Stattdessen gebe es viele Gründe, warum der Euro künftig schwächer sein könne - weil zum Beispiel viele Länder hoch verschuldet seien und nur ein geringes Wirtschaftswachstum erwartet werde. Darauf würden zahlreiche Anleger reagieren - im Euroland, in den USA, Japan, im arabischen Raum oder auch in Russland. "Das ist nicht nur eine Handvoll von Hedge-Fonds", sagt Faust.

Ablenken von eigenen Fehlern

Und auch Bankenprofessor Wolfgang Gerke meint: "Dass die Politik die Hauptschuld bei den Spekulanten sucht, ist ein Ablenken von eigenen Fehlern." Finanz-Professor Jan Pieter Krahnen von der Frankfurter Goethe-Universität geht in die gleiche Richtung: "Den Angriffskrieg der Spekulanten halte ich solange für ein Gerücht, bis ich harte Zahlen sehe." Die These des Spekulantenangriffs sei möglicherweise durch die Lobbyarbeit von Banken entstanden, die ohne die Rettungsaktion auf Kosten der Steuerzahler viel Geld verloren hätten.

Tatsache ist: In keinem anderen Markt wird soviel gehandelt wie auf den Devisenmärkten. Es geht um Milliarden. Dabei tauschen Händler zum Beispiel Dollar gegen Euro oder vereinbaren, zu einem späteren Zeitpunkt Währungen in einem schon vorher festgelegten Verhältnis tauschen zu können. Prinzipiell wichtig ist dies zum Beispiel für Unternehmen, die künftige Einnahmen in Fremdwährungen absichern wollen.

Aber auch spekulative Hedgefonds sind in diesem Markt aktiv. Sie leihen sich zum Beispiel in einer Fremdwährung Geld, um es später bei günstigeren Kursen zurückzahlen zu können. Durch die Kredite sind dann immense Hebel möglich: Für jeden eigenen Euro der Fonds wird ein Vielfaches an Geld bewegt und die Gewinne oder Verluste können damit immens sein. Aber die Fonds handeln nicht wahllos: "Die Spekulanten legen die Finger in die Wunde", sagt Gerke.

Eurokurs ist für Experten zu hoch

Im Fall des Euro hat sich eine Spekulation gegen die Währung in den vergangenen Monaten ausgezahlt: Kostete der Euro Anfang des Jahres noch 1,43 Dollar, waren es auf dem jüngsten Tiefpunkt Ende vergangener Woche nur noch knapp 1,26 Dollar. Nach dem immensen Rettungsplan stand er am Montag wieder bei 1,30 Dollar.

Allerdings: Ein Kurs von etwa 1,30 Dollar gilt nach Einschätzung von Experten weiterhin als hoch. Nach Kaufkraft verglichen müsste der Euro bei etwa 1,15 bis 1,20 Dollar liegen, sagt Gerke. Und vor wenigen Jahren noch lag der Euro deutlich tiefer. "Der heutige Kurs ist gar nicht so verkehrt", meint Gerke.

Neben den Devisen-Geschäften gibt es noch die Möglichkeit, dass Spekulanten gegen einzelne Staatsanleihen aus dem Euroland agieren. So waren die Kurse von zehnjährigen griechischen Anleihen zeitweise nur noch rund 65 Prozent ihres Nominalwertes wert, die Renditen stiegen damit auf über zwölf Prozent. Auch Anleihen aus Portugal, Irland und Spanien gerieten immer stärker unter Druck.

Zeichen des Politikversagens

Hedgefonds können mit sogenannten Credit-Default-Swaps (CDS) auf diese Bewegungen wetten. Dabei handelt es sich eigentlich um Kredit-Ausfallversicherungen. Wenn Griechenland Pleite gehen würde, hätten die Versicherungsnehmer gewonnen. Und auch wenn Hedgefonds diese Absicherungen billig kaufen und bei Panik in den Märkten später teuer verkaufen, können sie Gewinne einstreichen. "Die CDS-Geschäfte sind in einer spekulativen Form aufgebläht worden", sagt Gerke.

Aus Kreisen der Finanzaufsicht hieß es am Montag, das Nettovolumen bei CDS-Geschäften auf griechische Staatsanleihen habe im April bei gerade mal acht Milliarden Dollar gelegen - soviel wie im Vorjahresmonat. Im Vergleich zu den gesamten Staatsanleihen Griechenlands sind das relativ geringe fünf Prozent - wogegen bei Unternehmens-Papieren teilweise Werte über 100 Prozent erreicht werden.

Bankenprofessor Faust meint, dieser Handel sollte ohnehin nur denjenigen erlaubt werden, die sich auch wirklich absichern wollen, weil sie zum Beispiel gefährdete Anleihen besitzen. Dies sei aber schon seit Jahren bekannt - und schon lange eine Aufgabe der Politik. "Auch dies ist ein Zeichen des Politikversagens."

dpa