Islamische Kindergärten sind für alle offen

Islamische Kindergärten sind für alle offen
Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat türkische Schulen in Deutschland gefordert. Das ist verwunderlich, denn neben türkischen Schulen gibt es auch islamische Kindergärten. Wie die Einrichtung "Al Nur" in Mainz, die allen Kindern offen steht.
01.04.2010
Von Karsten Packeiser

"Al Nur Kindergarten" steht auf dem Türschild, in Regenbogenfarben. Al Nur, das ist der arabische Begriff für "Licht". So richtig ungewöhnlich an der ersten islamischen Kindertagesstätte in Rheinland-Pfalz wirkt außer dem Namen aber eigentlich nur der Raum am Ende des Flurs mit den großen, weichen Teppichen. Morgens können Osman, Sami, Salma und 16 weitere Jungen und Mädchen darin spielen und Kissenburgen bauen. Nachmittags wird das Zimmer als Frauengebetsraum der Moschee genutzt, die im selben Haus untergebracht ist. Ansonsten geht es im "Al Nur Kindergarten" auf den ersten Blick genauso zu wie in evangelischen, katholischen oder städtischen Einrichtungen.

Allerdings werden das Zuckerfest und das Opferfest anstelle von Weihnachten und Ostern gefeiert. "Wir erzählen natürlich, warum man fastet", sagt die zum Islam konvertierte Leiterin Britta Haberl. Keineswegs aber würden die Kinder abgeschottet, ganz im Gegenteil: "Wir verstecken uns nicht", sagt sie. Das bestätigt auch die Stadt. Der islamische Kindergarten bemühe sich sehr um Offenheit, heißt es in der Stadtverwaltung. Die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniere gut.

Ein Jahr nach Eröffnung gibt es keine Zeitungsschlagzeilen mehr. "Es ist sehr ruhig geworden", meint Britta Haberl. Dabei hatten die Pläne des Arab-Nil-Rhein-Vereins, der bereits eine Moschee und Korankurse betreibt, in Mainz zunächst für heftige kommunalpolitische Debatten gesorgt. Ein islamischer Kindergarten verhindere, dass muslimische und nichtmuslimische Kinder gemeinsam aufwachsen könnten, lautete ein Kritikpunkt.

Zahl der Kindergärten ist gering

Ähnliche Stimmen gab es auch in Mannheim, wo der Gemeinderat Anfang März gegen Vorbehalte aus den Reihen der CDU und der evangelischen Kirche einem Verein des türkisch-islamischen Dachverbands DITIB die Eröffnung eines Kindergartens gestattete. "Man kann Migranten-Organisationen nicht verwehren, sich am Gemeinwesen zu beteiligen", sagt die Mannheimer Bürgermeisterin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD). Hinter dem geplanten Kindergarten stünden auf muslimischer Seite "absolut seriöse Personen".

In Berlin, Hamburg, Karlsruhe und Wiesbaden gibt es teils seit mehreren Jahren islamische Kindertagesstätten. Angesichts der etwa vier Millionen Muslime in Deutschland ist die Zahl aber bislang gering. Beratung und Hilfestellung erhalten muslimische Kindergarten-Initiativen beim Islamischen Wissenschafts- und Bildungsinstitut in Hamburg. "Die Zahl solcher Kindertagesstätten wird definitiv steigen", sagt Direktor Ali Özgür.

Viele Eltern wünschten sich eine muslimische Einrichtung, etwa weil sie sich nicht sicher sein könnten, dass in anderen Kindergärten die islamischen Speisevorschriften beachtet würden. Der islamische Kindergarten in Hamburg-Wilhelmsburg sei mittlerweile so weit etabliert, dass auch nichtmuslimische Familien aus der Nachbarschaft ihre Kinder dort anmeldeten. Kritik an islamischen Kindergärten hält Özgür aber für verständlich: "Sobald Religion in die Öffentlichkeit tritt, gibt es immer Gegner."

Deutsch als Sprache für alle

Laut Satzung steht auch der Mainzer "Al Nur Kindergarten" allen Kindern unabhängig von ihrer Religion und Konfession offen. Bislang sind aber ausschließlich muslimische angemeldet. Sie kommen aus arabischen, türkischen, bosnischen oder afrikanischen Familien. Etwa ein Viertel stammt aus gemischtnationalen Ehen. In manchen städtischen Mainzer Kindergärten liegt der Anteil der Kinder, bei denen zu Hause nicht Deutsch gesprochen wird, ebenso bei 70 bis 80 Prozent.

Bei der Einschulung sollen alle "Al-Nur-Kinder" perfekt Deutsch sprechen, daher ist Deutsch die gemeinsame Sprache für alle. Aber auch die Muttersprache solle nicht völlig verdrängt werden. In der Vergangenheit hätten viele Migranten in diesem Bereich Fehler gemacht, glaubt Kita-Leiterin Haberl. "Es bringt natürlich gar nichts, wenn ich mein Kind in schlechtem Deutsch vollrede", sagt sie. Als Folge würden Migrantenkinder nicht zwei, sondern gar keine Sprache wirklich beherrschen.

"Die Sprachförderung fängt am Esstisch an", erzählt die Erzieherin Elif Koc über ihre Arbeit. "Viele Kinder kennen ganz einfache Begriffe wie Becher und Teller nicht." Die junge Frau wollte eigentlich Englisch- und Biologielehrerin werden, doch als gläubige Muslimin hat sie schlechte Chancen auf eine Einstellung. Erst recht in ihrem Heimatbundesland Hessen, wo ein gesetzliches Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen gilt. "Auf das Kopftuch würde ich nicht verzichten wollen, weil es Teil meiner religiösen Identität ist", sagt sie.

epd