Käßmann zum Mauerfall: Ein Traum ging in Erfüllung

Käßmann zum Mauerfall: Ein Traum ging in Erfüllung
Am Montag jährt sich zum 20. Mal der Fall der Berliner Mauer. Am 9. November 1989 sei ein Traum in Erfüllung gegangen, so die EKD-Ratsvorsitzende Bischöfin Margot Käßmann. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigte die Rolle der Kirchen bei der friedlichen DDR-Revolution. Der 9. November sei der "glücklichste Tag der jüngeren deutschen Geschichte".

Spitzenvertreter aus Politik und Kirchen haben am Wochenende an den Mauerfall vor genau 20 Jahren erinnert. Am 9. November 1989 sei ein Traum in Erfüllung gegangen, den viele nicht mehr zu träumen gewagt hätten, erklärte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischöfin Margot Käßmann, am Samstag in Hannover. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte die Rolle der Kirchen bei der friedlichen Revolution in der DDR.

"Die Friedensgebete in überfüllten Kirchen werden als Symbol einer Bewegung im Gedächtnis bleiben, die den Namen 'friedliche Revolution' wirklich verdient", sagte Käßmann: "Gemessen an all dem Leid, dass auf unserer Welt bis heute herrscht, erscheinen mir dieser 9. November 1989 und die Wochen der friedlichen Massendemonstration im Herbst davor immer noch wie ein Wunder."

Mut für die Zukunft Europas

Die Erinnerung an den Mauerfall vor 20 Jahren solle zur weiteren europäischen Annäherung ermutigen, so die EKD-Ratschefin in ihrer Stellungnahme. "Die damaligen Ereignisse können uns Mut machen für den weiteren Weg in die Zukunft Europas." Das Jahr 1989 sei nicht nur für die Ostdeutschen ein Jahr der Befreiung gewesen, ganz Mittel- und Osteuropa habe einen demokratischen Aufbruch erlebt.

Merkel sagte in einer Videobotschaft die Kirchen hätten "Schutz gegeben in der ehemaligen DDR, um Meinungsfreiheit leben zu können, und sie waren mutige Begleiter in der Phase der Montagsdemonstrationen und Friedensgebete". Der 9. November 1989 sei der "glücklichste Tag der jüngeren deutschen Geschichte" Er habe das Leben vieler Menschen verändert. Die in Ostdeutschland aufgewachsene Merkel lobte den Einsatz der DDR-Bürgerrechtler. Sie hätten durch ihr mutiges Eintreten für Freiheit und Demokratie ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Maueröffnung möglich wurde.

Merkel lehnt Schlussstrich ab

In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" lehnte Merkel einen Schlussstrich unter die DDR-Vergangenheit ab. Zur Versöhnung gehöre auch Wahrhaftigkeit. "Schlussstriche - egal unter welches Kapitel der Geschichte - stehen im Widerspruch dazu", hob Merkel vor dem Hintergrund des Versöhnungsaufrufs von Brandenburgs Ministerpräsidenten Matthias Platzeck hervor. Der SPD-Politiker hatte nach der Koalitionsvereinbarung mit der Linkspartei zur Versöhnung auch mit der früheren SED aufgerufen, nachdem dies sogar im Nachkriegsdeutschland mit der ehemaligen Waffen-SS gelungen sei.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen ) kritisierte eine zunehmende Verherrlichung und Bagatellisierung der DDR. "Manche tun sogar so, als sei es in der DDR schön und nett gewesen und alles gar nicht so schlimm. Es war aber nicht so", sagte sie am Samstag in Oldenburg. Göring-Eckardt, die als Präses der EKD-Synode vorsteht, sagte, sie sei in der DDR aufgewachsen und habe die Unterdrückungsmechanismen des Staates erlebt.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) erklärte, im Herbst 1989 habe eine Generation die Erfahrung machen können, "dass man mit Mut und zivilem Engagement sogar eine Diktatur aus den Angeln haben kann". Auch heute gehe es wieder darum Mauern einzureißen, indem im Kampf gegen den Hunger in der Welt und die Klimakatastrophe der Mut zu "großen gemeinsamen Schritten" gefunden werde.

Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) schrieb in einem Gastbeitrag für die "Passauer Neue Presse": "In der ganzen und oft blutigen Geschichte Europas waren sich die Völker Europas niemals so einig und so nah wie 1989. Das ist das große, das kostbare Vermächtnis der europäischen Freiheitsrevolution vor 20 Jahren." Der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker sagte der "Welt", erst seit dem Ende des Kalten Krieges und der deutschen Einheit herrsche eine gute europäische Nachbarschaft.

"Judenpogrome werden nicht vergessen"

Käßmann sagte, dass am 9. November 1938 auch die Pogrome der Nationalsozialisten gegen die Juden stattfanden, werde nicht vergessen: "Versöhnung wird deshalb zentrale Aufgabe für uns als Kirchen bleiben, Versöhnung zwischen den Völkern Europas und Versöhnung mit Menschen jüdischen Glaubens." Der 9. November sollte nach ihren Worten zentraler Feiertag sein, weil er die Höhen und die Tiefen der deutschen Geschichte verbinde, Mahnung und Ermutigung zugleich sei.

epd