Die Not in Syrien übersteigt die Vorstellungskraft

Die Not in Syrien übersteigt die Vorstellungskraft
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wirkte bei seiner letzten Pressekonferenz in diesem Jahr sichtlich bedrückt. "2013 war das Jahr, in dem der Syrien-Konflikt sich jenseits aller Vorstellungskraft verschlimmert hat", sagte er in New York. "Die Menschen in Syrien können kein weiteres Jahr, keinen weiteren Monat, keinen weiteren Tag der Brutalität und Zerstörung ertragen."
23.12.2013
epd
Jan Dirk Herbermann

Um den blutigen Konflikt zu lösen, setzt Ban auf eine internationale Friedenskonferenz: Das Treffen startet am 22. Januar offiziell im Schweizer Montreux. Danach sollen sich Vertreter des syrischen Diktators Baschar al-Assad und der Oppositionsgruppen am UN-Sitz in Genf direkt gegenübersitzen. Das Ziel der Verhandlungen, so gibt es der internationale Syrien-Sondergesandte Lakhdar Brahimi vor, soll eine friedliche "Neue Republik Syrien" sein. Als erster Schritt schwebt Brahimi die Schaffung einer Übergangregierung vor.

Fast neun Millionen sind auf der Flucht

Doch es ist ein sehr langer Weg dahin. Kurz vor Jahresende bietet sich in dem arabischen Land ein Bild des Grauens: Täglich erhöht sich die Zahl der Toten - bislang starben seit Ausbruch der Gewalt im März 2011 weit mehr als 100.000 Menschen. Fast neun Millionen sind auf der Flucht - bei einer Bevölkerung von 22 Millionen. Sowohl das Assad-Regime als auch Rebellengruppen machen sich der Kriegsverbrechen schuldig. Millionen Syrer können sich nicht mehr alleine versorgen und sind auf Hilfslieferungen angewiesen. Familien werden auseinandergerissen, Kinder irren alleingelassen umher. Städte, Dörfer und die Infrastruktur liegen in Trümmern.

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Zudem kamen 2013 die weltweit geächteten Chemiewaffen nach Erkenntnissen der UN-Inspekteure mindestens fünf Mal zum Einsatz. Allein bei dem Massaker am 21. August im Raum Damaskus starben Hunderte Zivilisten einen qualvollen Tod. Nur ein Machtwort der Großmächte USA und Russland konnte die Vernichtung der syrischen Giftgasbestände einleiten. "Wir müssen diese Waffen so schnell wie möglich unschädlich machen", fordert UN-Generalsekretär Ban.

Allerdings: Syriens Krieg wird auch mit konventionellen Waffen zunehmend barbarisch - so etwa am 15. Dezember. Kampfhelikopter des Assad-Regimes warfen Bomben über der Millionenmetropole Aleppo ab. Die willkürlichen Angriffe auf Wohngebiete mit Schulen dauerten mindestens drei Tage. Die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" befürchtet, dass mehr als 100 Menschen getötet wurden.  Viele erlitten schwere Verletzungen. Doch die Versehrten können nur notdürftig behandelt werden - wenn überhaupt. "Seit dem Beginn des Krieges sind die meisten Krankenhäuser in Aleppo beschädigt worden oder zerstört", erklärte Aitor Zabalgogeazkoa, Syrien-Koordinator von "Ärzte ohne Grenzen".

Kollaps des syrischen Gesundheitssystems?

Doch Aleppo ist kein Einzelfall: Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnte schon vor Monaten vor dem Kollaps des syrischen Gesundheitssystem. Landesweit seien viele Hospitäler nicht mehr funktionsfähig. In den meisten noch funktionierenden Krankenhäusern herrsche Mangel an allen Ecken und Enden: Betäubungsmittel, Antibiotika und Mittel zur Behandlung von Wunden und Schussverletzungen seien aufgebraucht.

Als wäre das alles nicht genug, brach im Dezember einer der härtesten Winter seit Jahren herein. Die beißende Kälte macht es vor allem Kindern, Kranken, Schwachen, Verletzten und Alten schwer. Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR musste aufgrund des schlechten Wetters eine Luftbrücke mit Hilfslieferungen für die kurdische Region um Tage verschieben. Viele Bürgerkriegsflüchtlinge warteten bei Minustemperaturen unter freiem Himmel auf Decken, Mäntel und Zelte. So viel Elend wie im Syrienkonflikt hätten seine Mitarbeiter seit "vielen, vielen Jahren" nicht erlebt, sagt der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres.

Das dramatische Ausmaß der Not spiegelt sich auch in einer Zahl wider: 6,5 Milliarden US-Dollar benötigen die UN-Hilfswerke und ihre Partnerorganisationen, um die bedürftigen Syrer im nächsten Jahr mit dem Allernötigsten zu versorgen. Niemals zuvor brauchten die UN eine so große Summe für eine humanitäre Katastrophe.