Schausteller-Pfarrer bringen die Kirche auf die Kirmes

epd-bild/Christoph Papsch
Kirmespfarrer Robert Wachowsky (rechts) betreut die Schausteller auf dem Jahrmarkt "Pützchens Markt" in Bonn. Neben ihm steht der Schausteller Peter Barth mit seiner Tochter Stella.
Schausteller-Pfarrer bringen die Kirche auf die Kirmes
Wenn die Taufe zum Drahtseilakt wird: Die Herbst-Volksfeste haben begonnen. Mittendrin: Schausteller-Pfarrer. Mit Zirkus- und Kirmesleuten feiern sie Taufen und Trauungen - und schweben auch mal selbst unter der Zirkuskuppel.
16.09.2012
epd
Claudia Rometsch

Das hatte Horst Heinrich noch nicht erlebt: Als er für eine Taufe nach Freiburg zu einer Artisten-Familie reiste, wurde der evangelische Pfarrer erst einmal auf eine Hebebühne gebeten. Der Grund: Pate samt Täufling befanden sich in einer Gondel - befestigt unter einem Motorrad auf einem Hochseil. Heinrich zauderte nicht lange und taufte das Kind in luftiger Höhe. "Schausteller-Seelsorger müssen eben spontan sein und auf die Leute eingehen."

Als Leiter der Circus- und Schaustellerseelsorge der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist Heinrich selbst zum Wanderarbeiter geworden. 200 Tage im Jahr ist der Pfarrer zwischen Flensburg und Mittenwald unterwegs auf Rummelplätzen und in Zirkuszelten. Von seinem Wohnort Balingen aus oder von unterwegs koordiniert er außerdem die Arbeit von elf evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrern in ganz Deutschland, die sich in ihren Regionen um die Schausteller kümmern. Im September und Oktober haben sie traditionell Großeinsatz auf den Herbst-Volksfesten.

Zur Hochzeit kommen "locker mal 300 bis 600 Leute"

So wie Pfarrer Robert Wachowsky, der wie jedes Jahr auf "Pützchens Markt" in Bonn unterwegs gewesen ist. Mit den ersten Besuchern betritt er vormittags den Kirmesplatz und dreht seine Runde. Bald sitzt er im Wohnwagen eines jungen Schaustellerpaars. Der gepflegte Wohnraum ist geschmückt mit Familienbildern, vor allem Fotos der kleinen Tochter, die Wachowsky im vergangenen Jahr getauft hat.

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Das Paar möchte sich auch gerne von Wachowsky trauen lassen. Aber das dauere noch etwas, sagt die junge Frau. "Da stehen erst noch andere Investitionen an." Wie viele Schausteller gehören die beiden zu einer großen Familie, erklärt Wachowsky. "Da kommen dann zur Hochzeit locker mal 300 bis 600 Leute." Das Geld für so eine Feier müsse erst einmal verdient werden.

Dafür braucht es vor allem Tage wie diesen: Ein strahlend blauer Himmel verspricht viele Besucher und gute Einnahmen. "Prima", freut sich Wachowsky. Er weiß, wie sehr eine verregnete Saison Schausteller-Familien in finanzielle Schwierigkeiten bringen kann.

Ansprechpartner für Nöte und Sorgen

Der Pfarrer sei häufig Ansprechpartner für Nöte und Sorgen, weiß auch Schausteller-Seelsorger Volker Drewes aus Bad Hersfeld. Bisweilen riefen ihn Schausteller sogar an, wenn sie schon längst weitergezogen seien. Dann reist er den Leuten auch schon einmal hinterher. So zum Beispiel, um einer Schaustellerin beizustehen, die ihren Mann tot in der Badewanne gefunden hatte.

Auch Wachowsky ist oft unterwegs, wird zu einer Taufe in einen Zirkus ins Bergische Land gerufen oder nach Holland zu einer Trauung. Denn Schausteller und Artisten, die immer auf Achse sind, gehören keiner festen Gemeinde an.

Taufe im Mandel-Kessel

Manchmal wird der Pfarrer gefragt, warum er die Reiserei auf sich nehme. Schließlich könnten sich die Schausteller doch auch an die jeweilige Gemeinde vor Ort wenden. Doch das sei schwierig, hat Wachowsky festgestellt. Zum einen fehle der Kontakt. Außerdem passe die Lebensweise der Schausteller eben oft nicht zu den Gepflogenheiten in den Ortsgemeinden. "Auch logistisch ist das meist ein Problem", weiß der Seelsorger. Denn bisweilen kämen zu Taufen oder Hochzeiten 30 bis 60 Familien. "Das sprengt oft die Möglichkeiten einer Gemeinde."

Für den Pfarrer heißt das oft, unkonventionelle Lösungen zu finden. Wachowsky erinnert sich an eine Taufe im Maximilianpark in Hamm. Dort fehlte das Taufbecken, die Schausteller-Familie hatte aber einen Ersatz parat: Schnell wurde ein Kessel für die Herstellung gebrannter Mandeln blitzblank gescheuert.

"Hier habe ich andere Möglichkeiten, Gottesdienst zu gestalten"

Auch Horst Heinrich muss immer wieder improvisieren. Vor kurzem reiste er zu einer Konfirmation in einen Zirkus. "Und wo der Pfarrer dann schon einmal da war, kam immer mehr dazu", erzählt Heinrich: Ein Paar beschloss spontan zu heiraten. Und dann sollten plötzlich auch noch zwei Kinder getauft werden. Horst Heinrich ist gerne Schausteller-Seelsorger: "Die Freiheit der Schausteller überträgt sich auf meine Arbeit. Ich habe ganz andere Möglichkeiten, den Gottesdienst zu gestalten."

Auch Wachowsky schätzt die Arbeit mit seiner fahrenden Gemeinde: "Ein großer Teil der Familien ist tief in der Seele fromm", stellt er immer wieder fest. Viele Zirkus- oder Kirmesleute seien tief religiös, auch wenn sie nicht kirchlich gebunden seien, beobachtet auch Volker Drewes. "Wer so viel unterwegs ist, braucht eine stabile innere Basis."

Schausteller und Zirkusleute seien sehr abhängig vom Wetter und von den Menschen, mit denen sie vor Ort zu tun hätten, erklärt Heinrich. Sie wüssten, dass nicht alles in ihrer Hand liege: "Da wird man dann einfach etwas demütiger."