NSU-Prozess: Türkische Zeitung sieht Gleichheitsgrundsatz verletzt

NSU-Prozess: Türkische Zeitung sieht Gleichheitsgrundsatz verletzt
Die türkische Tageszeitung "Sabah" wird voraussichtlich am Montag Verfassungsbeschwerde gegen die Sitzplatzvergabe im NSU-Prozess einlegen.

Das sagte der Kölner Anwalt der Zeitung, Ralf Höcker, am Freitag dem epd. Mit seiner Verfügung zur Platzvergabe habe der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Oberlandesgericht München gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen. Der Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe beginnt am 17. April.

Das Gericht hatte die garantierten Sitzplätze an die 50 Journalisten vergeben, die sich zuerst gemeldet hatten. Darunter sind keine türkischen Berichterstatter. "Das Vergabesystem an sich ist unfair", sagte Höcker. Die Sitzplätze seien innerhalb weniger Stunden vergeben gewesen. Einige Pressevertreter seien zudem vorab über den Beginn des Akkreditierungsverfahrens informiert worden. Internationale Medien hätten deutlich geringere Chancen auf einen garantierten Sitzplatz gehabt.

"Hürriyet" wartet, ob Gericht noch einlenkt

Der direkte Gang nach Karlsruhe ist laut Höcker möglich, weil der Vorsitzende Richter und nicht die Gerichtsverwaltung die Sitzplatzvergabe angeordnet habe. Eine Beschwerde vor einem Zivilgericht sei in diesem Fall nicht zulässig.

"Normalerweise muss vor dem Gang zum Bundesverfassungsgericht der Rechtsweg ausgeschöpft werden", sagte der Jura-Professor Werner Heun von der Universität Göttingen. Teile die Gerichtsverwaltung die Sitzplätze zu, sei die ordentliche Gerichtsbarkeit bei einer Beschwerde zuständig. Ausnahmsweise könne das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde auch dann akzeptieren, wenn der Rechtsweg nicht ausgeschöpft wurde. Dies sei bei Verfahren von "herausgehobener öffentlicher Bedeutung möglich".

Plätze für Nachrücker durch Presse-Pool

Die Tageszeitung "Hürriyet", die ebenfalls mit juristischen Schritten gedroht hatte, will über eine eigene Verfassungsbeschwerde erst in der nächsten Woche entscheiden. "Wir warten bis Montag, ob das Gericht in München noch einlenkt", sagte der Chefredakteur der europäischen Ausgabe, Celal Özcan, dem epd. Das Oberlandesgericht wollte sich auch am Freitag nicht zu den möglichen Klagen äußern. Es hatte darauf verwiesen, dass Journalisten einen freiwilligen Platztausch vereinbaren könnten.

Unterdessen kündigte der Verein der bayerischen Landtagspresse an, er wolle türkischen Journalisten helfen, die keinen Platz bekommen hätten. Mehrere Kollegen des Vereins organisierten derzeit einen Pool unter den ersten 50 Kollegen auf der Liste, sagte der Vereinsvorsitzende Uli Bachmeier am Freitag in München.

Den Pool bildeten derzeit "Augsburger Allgemeine", "Main-Post", Radio Arabella und "Nordbayerischer Kurier", sagte Bachmeier. Das bedeute, ein Kollege berichte - zunächst an den ersten drei Prozesstagen - für vier Medien. Auf diese Weise könnten drei Presseplätze für Nachrücker frei werden, ohne dass man die Reservierung offiziell zurückgeben müsse.