Verbandssprecher: "Armutsbericht soll heile deutsche Welt vorspielen"

Verbandssprecher: "Armutsbericht soll heile deutsche Welt vorspielen"
Die Nationale Armutskonferenz hat der Bundesregierung vorgeworfen, mit Korrekturen am eigenen Armuts- und Reichtumsbericht die wahre Lebenssituation großer Teile der Bevölkerung zu verschleiern.
06.03.2013
epd
Dirk Baas

"Vor allem die Verantwortlichen im Wirtschaftsministerium scheinen ernsthaft zu glauben, man könne durch Weglassen oder Verharmlosen statistisch nachgewiesener Vermögensverhältnisse die heile deutsche Welt vorspielen", sagte der neu gewählte Sprecher der Armutskonferenz, Joachim Speicher, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der umstrittene Bericht soll am heutigen Mittwoch im Kabinett beschlossen werden.

Speicher sieht in dem Verhalten ein Zeichen von Angst vor Reformen. Räume die Regierung im Bericht die realen Einkommensverhältnisse ein, stiege der öffentliche Druck zu Korrekturen an der Vermögensverteilung. "Eine aufgeklärte Bevölkerung würde kaum verstehen, warum die Regierung nicht die entsprechenden Reformen einleiten würde", sagte der Hamburger Sozialexperte. Er erinnerte an die Debatten über eine Vermögenssteuer, höhere Erbschaftssteuern und Reformen gegen die wachsende Altersarmut. Es sei in den Ministerien wohl die Losung ausgegeben worden: "Wehret den Anfängen!"

Im Kampf gegen Armut müsse alles getan werden, damit die Menschen vom Lohn ihrer Arbeit leben können. "Die Mindestlohnforderung wird von uns unmissverständlich unterstützt", sagte Speicher, der Geschäftsführender Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Hamburg ist. Zugleich warb der Diplom-Pädagoge für eine Rentenreform, "die Menschen nachhaltig vor Altersarmut schützt". Aktuell steige besonders die Zahl der Frauen, die Grundsicherung im Alter beantragen müssen.

Außerdem könnten die Bezieher von Hartz IV ihre Existenz nicht sichern: "Die Regelsätze sind nach wie vor zu niedrig." Speichers Angaben zufolge ist die statistische Methode zur Berechnung des Regelsatzes nicht geeignet, "das Existenzminimum annähernd zu erfassen". Das gelte für alle alltäglichen Dinge, die die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen - und das vor allem bei Kindern und Jugendlichen.