EKD-Auslandsbischof kritisiert Prozess gegen "Pussy Riot"

EKD-Auslandsbischof kritisiert Prozess gegen "Pussy Riot"
Die Haltung der russisch-orthodoxen Kirche zum Gerichtsverfahren sei ihm "völlig unverständlich", sagte der evangelische Auslandsbischof Martin Schindehütte. Er hoffe sehr auf einen Freispruch der drei Bandmitglieder.

Wenige Tage vor der Urteilsverkündung im "Pussy-Riot"-Prozess hat der evangelische Auslandsbischof Martin Schindehütte die Russische Orthodoxe Kirche im Zusammenhang mit dem Prozess gegen drei Musikerinnen der Punkband kritisiert. Die Haltung der russisch-orthodoxen Kirche zu diesem Gerichtsverfahren sei ihm "völlig unverständlich", sagte der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Dienstag in Hannover. Schindehütte äußerte, er hoffe sehr auf einen Freispruch für die drei Bandmitglieder Marija Aljochina, Jekaterina Samuzewitsch und Nadeschda Tolokonnikowa.

In dem international beachteten Prozess wird für Freitag (17. August) das Urteil erwartet. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft für die Musikerinnen. Der Prozess und die Unterstützung der Anklage durch die russisch-orthodoxe Kirche machten deutlich, "wie unterschiedlich wir mit Fragen von Freiheit der Kunst und Freiheit der Religion in Europa umgehen", hob der EKD-Auslandsbischof hervor.

Ernsthafe Störung des Zusammenlebens

###mehr-artikel### Schindehütte ergänzte, die EKD wolle im Dialog mit der Russischen Orthodoxen Kirche diese unterschiedlichen Zugänge erörtern und für mehr Gelassenheit angesichts solcher Provokationen werben. Für Dezember ist eine Treffen zwischen EKD-Repräsentanten und Vertretern des Moskauer Patriarchats zur Rolle der Kirchen in einer multikulturellen Gesellschaft in Rostow geplant.

Die "Verletzung religiöser Gefühle" und die "Missachtung religiöser Bindungen" seien durchaus ernsthafte Störungen des gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenlebens, sagte der Auslandsbischof. Deshalb solle die Aktion von "Pussy Riot" in der Christ-Erlöser-Kirche in Moskau im Februar nicht übergangen werden. Aber das Gerichtsverfahren gegen die Bandmitglieder und das beantragte Strafmaß von drei Jahren Gefängnis gingen "weit über jede denkbare angemessene Reaktion hinaus".

Schindehütte bezog sich mit seiner Kritik auf Äußerungen des Leiters der Abteilung des Moskauer Patriarchats für Kirchenbeziehungen mit der Gesellschaft, Wsewolod Tschaplin. Dieser hatte der russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti zufolge anlässlich der Anklage gegen die drei Frauen gesagt: "Ein christliches Land sollte entschieden reagieren, wenn einer seiner heiligen Orte attackiert wird." Es sei eine "anti-christliche Idee" anzunehmen, "dass Gott alles vergibt", sagte der orthodoxe Geistliche.