Sport mit Kopftuch: Protest gegen "olympische Ungleichheit"

Foto: imago/ulmer
Rakia Al Gassra (Bahrain, li.) und Merlene Ottey (Slowenien); Slovenien, beim 100-Meter-Lauf 2004 in Athen.
Sport mit Kopftuch: Protest gegen "olympische Ungleichheit"
Frauenrechtlerinnen kritisieren, dass viele islamische Länder ihre Sportlerinnen nur mit Kopftuch antreten lassen. Heute wollen sie in London protestieren und die Charta der Olympischen Spiele in einem Sarg mit Blumen in der Themse versenken.
25.07.2012
epd
Martina Zimmermann

Bei den Olympischen Spielen zeigen die Athletinnen aus Saudi-Arabien, Qatar, Brunei und dem Iran keinen Zentimeter Haut. Kopftücher und Anzüge bedecken ihre Körper völlig. Ein Begleiter passt auf, dass die Sportlerinnen nirgendwo Männer begegnen. Sie dürfen auch nicht an gemischten Wettbewerben teilnehmen.

"Alle Athleten sind gleich", schimpft unterdessen Linda Weil-Curiel. "Nur ihre sportliche Leistung darf sie unterscheiden." Die französische Anwältin ist eine der Aktivistinnen der Europäischen Frauenlobby, die schon vor den Wettkämpfe auf die Diskriminierung von Frauen aufmerksam machen.

Und so protestiert die Europäische Frauenlobby, in der über 2.000 Frauenorganisationen vereint sind, gegen die "olympische Ungleichheit" sowie insbesondere dagegen, dass Sportlerinnen aus manchen muslimischen Ländern beim Wettbewerb Schleier tragen. Mit Musik soll daher am Mittwoch die Charta der Olympischen Spiele zu Grabe getragen und in einem Sarg mit Blumen in der Themse versenkt werden.

"Die olympischen Werte werden nicht respektiert"

Ihre Wurzeln hat die Frauenrechtsbewegung in den 90er Jahren. 1992 nahm die erste südafrikanische Delegation mit schwarzen und weißen Sportlern an den Olympischen Spielen in Barcelona teil. Zugleich beobachtete die Präsidentin der Liga der internationalen Frauenrechte, Annie Sugier, dass im selben Jahr 35 olympische Mannschaften ganz ohne Sportlerinnen anreisten - darunter viele afrikanische sowie muslimische Länder wie Saudi-Arabien oder der Iran. 1995 gründeten die Frauenrechtlerinnen daher die "Atlanta Plus"-Gruppe und protestierten öffentlich gegen diese Ungerechtigkeit, die ihrer Ansicht nach gegen die olympische Idee von Gleichheit ohne Diskriminierung verstößt.

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Machten 1984 Frauen nur 23 Prozent der Teilnehmer an den Olympischen Spielen aus, lag der Frauenanteil 2008 immerhin bei 42 Prozent. Zwar hat sich in Sachen Gleichberechtigung einiges getan, zufrieden sind die Frauenrechtlerinnen noch lange nicht. Heute beteiligten sich zwar mehr Frauen an den Olympischen Spielen, sagt Sugier, "den Preis dafür" findet sie allerdings teuer: "Die universellen olympischen Werte werden nicht respektiert."

Die Frauenrechtlerinnen kritisieren mit dem Hinweis auf Artikel 50 der Olympischen Regeln, der "politische und religiöse Zeichen" verbietet, vor allem die Verschleierung. 1996 nahm zum allerersten Mal eine von Kopf bis Fuß verschleierte Iranerin an den Wettkämpfen teil. 2008 hatten 14 Delegationen Sportlerinnen mit Kopftuch. Bei den ersten Jugendspielen 2010 in Singapur tolerierten Olympisches Komitee und der Fußballbund FIFA, dass iranische Fußballerinnen von Kopf bis Fuß "bedeckt" waren. Und soeben hat die FIFA den Schleier für Fußballerinnen offiziell erlaubt - nach dem Motto: lieber verschleierte Frauen als gar keine.

Boulmerka: Goldmedaille für Algerien in Shorts

Das war nicht immer so: Obwohl in ihrem Land kritisiert und bedroht, lief die Marokkanerin Nawal El Moutawakel 1984 die 400 Meter Hürdenspringen in Shorts und gewann in Los Angeles als erste Afrikanerin eine Goldmedaille. Die algerische Marathonläuferin Hassiba Boulmerka, die in ihrer Heimat von Fundamentalisten bedroht worden war, holte 1992 die Goldmedaille für Algerien in Shorts. Es käme ihr nicht in den Sinn, in einer Moschee Sportskleidung zu tragen, erklärte die Sportlerin damals: Aber sie trage auch nicht bei einer Sportveranstaltung einen Schleier.

Die Kritik der Frauenverbände geht aber noch weiter. Unter den 105 Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees sind nicht einmal zwanzig Frauen, kritisieren. 1928 durften Athletinnen noch nur an fünf Sportarten teilnehmen. Heute haben sie dieselben Disziplinen wie die Männer, aber immer noch weniger Wettbewerbe (165 für Männer, 127 für Frauen, 10 gemischt). Marathon für Frauen gibt es erst seit 1984, Judo seit 1992, Fußball seit 1996, Gewichtheben seit 2000, Ringen seit 2004. Im Jahr 2012 werden zum ersten Mal Boxerinnen an den Olympischen Spielen teilnehmen.