Geburtstagsbesuch vom Dekan: "Dich kenn' ich von Weihnachten!"

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Ungewöhnliches Alter für einen Besuch vom Dekan: Neun Jahre.
Geburtstagsbesuch vom Dekan: "Dich kenn' ich von Weihnachten!"
Überraschung: Besuch von "der Kirche" zum Geburtstag. Der Grünberger evangelische Dekan Norbert Heide fängt damit nicht erst an, wenn die Gemeindeglieder 80 werden. Er geht gezielt auf Kinder zu, um sie zu kirchlichen Angeboten einzuladen. Dass er sich meistens mehr mit Eltern und Großeltern unterhält als mit den Kindern selbst, ist ein gewollter Nebeneffekt.
23.07.2012
epd
Andrea Seeger

Mit diesem Besuch hat der kleine Maurice wahrlich nicht gerechnet. Als Norbert Heide ihm erklärt, dass er gekommen sei, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren, schaut er nur verdutzt. Auch seine Eltern sind erstaunt: Der Pfarrer kommt doch eigentlich nur zu Leuten, die 80 oder 90 werden, oder? In Grünberg bei Gießen ist das seit Anfang dieses Jahres ganz anders. Dekan Norbert Heide hält die Geburtstagsbesuche für eine wunderbare Möglichkeit, mit den Kindern, ihren Eltern und Verwandten ins Gespräch zu kommen.

"Die Eheschließung liegt dann meist schon eine Weile zurück, die Taufe auch - falls die Kinder überhaupt getauft sind", sagt Heide, der mit halber Stelle auch für die Kinder- und Jugendarbeit in der Grünberger Kirchengemeinde zuständig ist. Da ist der neunte Geburtstag ein guter Termin, um die Angebote der Gemeinde in Erinnerung zu bringen. Dann macht er etwa Werbung für den Kindergottesdienst, der in Grünberg zweimal im Monat gefeiert wird, und er bringt die Flyer mit den unterschiedlichen "Äktschen"-Angeboten mit, zu denen er das ganze Jahr über einlädt.

Manchmal muss er sich den Eltern erst vorstellen

Während manche der Geburtstagskinder den 46-jährigen Theologen schon bei verschiedenen Gemeindeveranstaltungen erlebt haben, dauert es bei anderen eine Weile, bis sie mit dem Besucher etwas anfangen können. Einem fiel schließlich nach längerem Nachdenken ein: "Dich kenn' ich von Weihnachten!" Manchmal muss sich Heide auch den verblüfften Eltern erst vorstellen, oder die Großeltern machen als eifrige Kirchgänger den Pfarrer mit der Geburtstagsgesellschaft bekannt.

Bis auf eine Ausnahme wurde Heide bisher jedes Mal hineingebeten. Am liebsten ist es dem Dekan, wenn bei seinem Besuch die ganze Geburtstagsgesellschaft anwesend ist. Denn der Kontakt mit der mittleren Generation, den Eltern, Paten, Tanten und Onkeln, ist ihm genauso wichtig wie der zu den kleinen Jubilaren. Wenn das Eis gebrochen ist, widmen sich die Geburtstagskinder nach der ersten Überraschung meist schnell dem kleinen Geschenk, das der Pfarrer mitgebracht hat, oder kehren zum Spiel mit ihren gleichaltrigen Gästen zurück.

Mit den erwachsenen Gastgebern und Gästen entwickeln sich dann häufig interessante Gespräche. So wollen natürlich viele wissen, warum der Dekan - "der Chef persönlich!" - die Neunjährigen zum Geburtstag besucht. So auch der Papa von Maurice Hahn, den Heide an einem schönen Sommer-Sonntagnachmittag auf der Terrasse vor dem Haus in der Grünberger Altstadt antrifft. Heide erklärt dem Vater, der besondere Reiz liege für ihn darin, dass seinen Besuch keiner erwarte. Bei runden Geburtstagen ab einem gewissen Alter wundere sich niemand, bei jungen Leuten und einer Zahl wie der Neun rechne niemand mit offiziellen Gratulanten.

Das Geschenk: Ein Sudoku-Würfel

Bei Maurice' Familie ist die Überraschung gelungen. Selbst die Oma, die häufig bei den Pilgerwanderungen des Dekans dabei ist und gern Kuchen für Gemeindeveranstaltungen backt, hat nicht mit dem Besuch des Pfarrers gerechnet. Die Gesellschaft unterhält sich über die Schule, die Hobbys und Pläne von Maurice. Der beteiligt sich selbst nur wenig am Gespräch. Viel mehr interessiert ihn das Knobel-Spiel, das ihm Heide mitgebracht hat. Gemeinsam mit seinem gleichaltrigen Cousin sucht Maurice nach der richtigen Lösung.

Bei Luis, den der Dekan zuvor besucht hat, war es ein bisschen anders: Seine Oma, die Besitzerin des Grünberger Kinos, war eingeweiht, weil es mit dem Besuch am exakten Geburtstagstermin nicht geklappt hat. Die Oma hat also Luis, seinen sehr lebhaften sechsjährigen Bruder Julius und die Mama der beiden auf ein Getränk vors Kino eingeladen. Luis gibt freimütig zu, dass er mit dem Besucher und seiner Berufsbezeichnung Dekan nichts anfangen kann.

Nachdem ihm der Pfarrer erklärt hat, wer er ist und warum er ihn besucht, findet er die ganze Angelegenheit und vor allem den geschenkten Sudoku-Würfel doch ganz spannend. Auf die Einladung des Kirchenmanns zu "Äktschentagen" und anderen Veranstaltungen für seine Altersgruppe reagiert er dann doch eher zurückhaltend. Er findet nämlich, dass er mit Schule, Golf-Spielen und Klavier schon ziemlich ausgelastet ist. Sein kleiner Bruder aber zeigt großes Interesse. Er freut sich beim Abschied schon darauf, dass er an seinem neunten Geburtstag ebenfalls besonderen Besuch bekommen wird.