Die Vereinten Nationen (UN) sowie mehrere internationale Hilfsorganisationen und Sudan-Experten haben darauf hingewiesen, dass der Südsudan vor enormen Problemen steht. "Das letzte Jahr war ein sehr schweres", betonte UN-Sonderentsandte für den Südsudan, Hilde Johnson. Der ölreiche Südsudan exportiert derzeit kein Öl, weil das Land mit dem Nachbarn Sudan wegen der Nutzung der Öl-Leitungen streitet. Damit fehlen dem Südsudan 90 Prozent der Staatseinnahmen, auch der Norden erleidet Einbußen.
Nach Einschätzung des Juristen Markus Böckenförde schrumpften im Südsudan die Hoffnungen auf Frieden und Wohlstand. "Durch den Streit zwischen Sudan und Südsudan über die Kosten zur Nutzung der Pipeline für das Erdöl wird es immer schwieriger, eine Friedensdividende zu realisieren," sagte Böckenförde. Er spricht von einer "selbstzerstörerischen Dynamik". Der Wissenschaftler von der Universität Duisburg-Essen war an den Verhandlungen zur Beendigung des Bürgerkriegs als einer der Mediatoren beteiligt und verfolgte die Umsetzung des Friedensabkommens von 2005 in offizieller Mission.
Keine Chance auf gute Nachbarschaft
"Der ganze Enthusiasmus, den die Bevölkerung vor einem Jahr hatte, versiegt", beschreibt Böckenförde die heutige Stimmung im Südsudan. "Der einstige Bürgerkrieg zwischen dem Norden und dem Süden ist jetzt bisweilen ein Krieg zwischen zwei Staaten, ein Krieg ohne Kriegserklärung", sagte Böckenförde. An mehreren Grenzorten sei es zu Auseinandersetzungen gekommen. Die Chance, ein gut nachbarschaftliches Verhältnis zu finden, hätten beide Staaten bisher nicht gehabt. Der Norden des Sudan ist arabisch-islamisch geprägt, während im Süden vorwiegend Christen und Anhänger afrikanischer Religionen leben.
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Die Hilfsorganisation Oxfam warnte, dass der Südsudan vor dem "wirtschaftlichen Zusammenbruch" und der "schlimmsten humanitären Krise seit dem Ende des Krieges 2005" stehe. Angesichts der dramatischen Etatverluste des Staates seien dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen wie der Bau von Straßen, Schulen und Kliniken gestoppt worden. Die Hälfte der rund zehn Millionen Einwohner sei von Hunger bedroht.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen verwies auf die bedrohlich wachsende Not der etwa 30.000 Menschen im Flüchtlingslager Jaman im Südsudan. Schon jetzt stürben täglich neun Kinder, so die Organisation am Donnerstag in Berlin. Das seien doppelt so viel wie in vergleichbaren Lagern.
Hochwasser verschlimmere die Lage: Das Trinkwasser sei kontaminiert, Teile der Lager überflutet, so auch die Latrinen. Das führe zu weiteren Verunreinigungen des Wassers. Immer mehr Menschen erkrankten, berichtet die Organisation. Auch die Zahl der Malariafälle nehme zu. Insgesamt sind etwa 120.000 Menschen im Südsudan seit Ende 2011 vor den Kämpfen im Grenzgebiet zum Sudan geflohen.
Proteste und Probleme auch im Norden
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Auch der Sudan leide massiv unter den Folgen der wirtschaftlichen Konflikte mit dem Südsudan, sagte die Sudan-Expertin Marina Peter dem Evangelischen Pressedienst. Peter leitet den "Sudan Focal Point" in Europa. Die Streichung von Treibstoffsubventionen im Norden habe die Lebensmittel verteuert und zu Protesten geführt. Vor allem Studenten in der sudanesischen Hauptstadt Khartum gingen wegen der wirtschaftlichen Probleme immer häufiger auf die Straße, sagte Peter. Der jüngste Unmut habe sich am 16. Juni entzündet, als die Regierung umfangreiche Sparmaßnahmen ankündigte. Dazu gehören Benzinpreissteigerungen, Steuererhöhungen und eine Verkleinerung des Kabinetts.
Die Kriege, die Khartum weiter gegen Rebellen in Darfur und in den Nuba-Bergen führe, belasteten die Wirtschaft ebenfalls, sagte Peter. Die Regierung des Sudan gebe 70 Prozent ihres Haushalts für Militär aus. Die zahlreichen Unruheherde bildeten zusammen mit Anflügen des arabischen Frühlings eine explosive Mischung. Peter wertet die Demonstrationen im Sudan aber nicht als Fortsetzung des arabischen Frühlings. "Die Proteste gegen die sudanesische Regierung haben schon lange vor den Revolutionen in Tunesien oder Ägypten angefangen", sagte sie. "Das Regime hat nur jede Opposition jedes Mal brutal niedergeschlagen, und die internationale Öffentlichkeit bekam davon kaum etwas mit."