Evangelische Verlagsanstalt nimmt Buch aus dem Handel

Gedenkort für die Attentats-Opfer von 1972 im Olympiapark München

© Root47/Wikimedia Commons/CC BY Alex Mors

Ein Gedenkort erinnert an die israelischen Opfer des Anschlags bei den Olympischen Spielen in München 1972. Eine Passage des Buches "Angst, Politik, Zivilcourage" diffamiert diese Opfer.

Antisemitische Narrative
Evangelische Verlagsanstalt nimmt Buch aus dem Handel
Wegen Verletzung publizistischer Standards nimmt die Evangelische Verlagsanstalt Leipzig (EVA) eines ihrer Bücher aus dem Handel. Es geht um demokratiefeindliche, geschichtsrevisionistische, verschwörungsideologische und antisemitische Narrative.

Evangelische Publizistik ist ein evangelischer Beitrag zur Gestaltung einer demokratischen, gerechten, nachhaltigen und friedlichen Gesellschaft. Diesem Grundsatz fühlt sich das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) verpflichtet, das mit seinen Produkten und Dienstleistungen seit mehr als 50 Jahren einen wichtigen Beitrag zur Medienvielfalt in Deutschland leistet.

Dazu gehört auch, zusammen mit den evangelischen Unternehmen, an denen das GEP beteiligt ist, für die grundrechtlich garantierte Presse- und Meinungsfreiheit nach innen und außen einzutreten. Die Pluralität von Meinungen, mutige Anstöße zu gesellschaftlichen und kirchlichen Debatten sowie eine wertschätzende Streitkultur sind für uns Ausdruck evangelischer Freiheit.

Begrenzt wird dieser weite Raum der Freiheit da, wo die christlichen Gebote der Nächstenliebe grob verletzt werden. Zum Beispiel, indem Menschenfeindlichkeit, Demokratieverachtung und Antisemitismus offen propagiert werden. Eine solche Grenzziehung markiert Rote Linien, die nicht im Widerspruch zur Presse- und Meinungsfreiheit stehen, sondern im Gegenteil Voraussetzung für jeden gelingenden demokratischen Diskurs sind.

Mit Bedauern müssen wir feststellen, dass in einer Buch-Veröffentlichung der Evangelischen Verlagsanstalt in Leipzig (EVA) (ein Tagungsband) diese Roten Linien in eklatanter Weise überschritten wurden.  Das GEP hält eine Mehrheitsbeteiligung an der EVA, zweiter Gesellschafter ist die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM). Die EKM teilt unser Bedauern.

Nicht durch Meinungsfreiheit gedeckt

Kristin Merle und Hans-Ulrich Probst haben am 30. Oktober in der evangelischen Zeitschrift "Zeitzeichen" sorgfältig belegt, dass wesentliche Passagen des Buches "Angst, Politik, Zivilcourage" demokratiefeindliche, geschichtsrevisionistische, verschwörungsideologische und antisemitische Narrative bedienen.

Tatsächlich gibt es Passagen in dem Buch, die keinen Zweifel lassen, dass sie weder mit den publizistischen Standards der evangelischen Publizistik vereinbar, noch durch die Meinungsfreiheit gedeckt sind. Das gilt ganz besonders für eine zutiefst antisemitische Aussage, in der die Angehörigen der Opfer der Terroranschläge bei den Olympischen Spielen 1972 auf menschenverachtende Weise diffamiert werden. Das GEP verurteilt diese ehrverletzenden persönlichen Angriffe auf das Schärfste, bittet die Angehörigen der Opfer für die Veröffentlichung dieser Aussagen um Verzeihung und steht in der Analyse im Konsens mit der EKM.

Einmaliger Schritt

Ebenfalls völlig unakzeptabel ist die offene Propagierung von mehreren als gesichert rechtsextremistisch eingestuften Medien sowie von antisemitischen Verschwörungsportalen als "Gegenöffentlichkeit" zu den im Text als angeblich korrupt und fremdgesteuerten Medien. Dabei werden Personen als Experten zitiert, ohne kenntlich zu machen, dass es sich dabei um aktive Politiker aus der rechtsextremen Szene handelt.

Auch wenn mit der Einstufung einzelner Textpassagen als Überschreitung Roter Linien zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Bewertung der übrigen Texte im Buch verbunden ist, sehen wir uns zum Handeln gezwungen.

Genaue Untersuchung folgt

Die Gesellschafter der EVA, GEP und EKM, halten es für notwendig, das Buch umgehend aus dem Verkauf zu nehmen. Wir sind froh, in diesem Punkt nach eingehenden Beratungen mit der Geschäftsführung der EVA übereinzustimmen. Dabei handelt es sich um einen einmaligen Schritt in der mehr als 50-jährigen Geschichte des GEP, aber um einen unverzichtbaren. Es wäre abwegig, diesen singulären Schritt als einen Eingriff in die Meinungsfreiheit zu interpretieren.

Selbstverständlich werden wir den Vorgang gründlich untersuchen. Das braucht Zeit und findet im Bewusstsein für die publizistischen Standards des GEP und der EVA, für die Ansprüche der evangelischen Publizistik, für das hohe Gut der Meinungsfreiheit, für die verlegerische Unabhängigkeit sowie die Fürsorgepflicht für Beteiligte statt.

Wir sind überzeugt, dass sich die Qualität eines Unternehmens auch in ihrer Fehlerkultur erweist. Das Buch "Angst, Politik, Zivilcourage" war ein gravierender Fehler, den wir zutiefst bedauern. Wir werden daraus lernen.

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