Ermittlungen zu Münchner Missbrauchsgutachten eingestellt

Ermittlungen zu Münchner Missbrauchsgutachten eingestellt
Vor wenigen Wochen hatte die Durchsuchung des Amtssitzes von Erzbischof Reinhard Marx für Schlagzeilen gesorgt - nun steht fest: Die Staatsanwaltschaft München I stellt alle Ermittlungsverfahren gegen (Ex-)Personalverantwortliche des Erzbistums ein.

München (epd). Die Staatsanwaltschaft München I hat ihre Ermittlungsverfahren auf Grundlage des vor gut einem Jahr veröffentlichten Missbrauchsgutachtens des Erzbistums München und Freising eingestellt. Die Ermittlungen hätten jeweils keinen hinreichenden Verdacht strafbaren Handelns der Personalverantwortlichen ergeben, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag in München mit. Unter den zeitweise Beschuldigten sei auch der verstorbene Ex-Papst Benedikt XVI. gewesen, der von 1977 bis 1982 Erzbischof in München war.

Das Erzbistum bekräftigte in einer schriftlichen Stellungnahme seinen „unbedingten Aufklärungswillen“ und „uneingeschränkte Kooperations- und Unterstützungsbereitschaft bei jeglicher staatlichen Ermittlung“.

Dem vom Erzbistum selbst bei der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegebenen Missbrauchsgutachten zufolge gab es in den Jahren 1945 bis 2019 Hinweise auf mindestens 497 Betroffene sexualisierter Gewalt im Erzbistum. Die meisten Taten passierten von Anfang der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre. Anfang August 2021 stellte die Kanzlei WSW das Gutachten der Staatsanwaltschaft zur Verfügung, am 20. Januar 2022 stellte die Kanzlei die Ergebnisse der Öffentlichkeit vor. Die Staatsanwaltschaft hatte in sechs Ermittlungsverfahren geprüft, ob kirchliche Personalverantwortliche des Erzbistums durch aktives Tun oder Unterlassen Beihilfe geleistet hatten zu den im Gutachten gesammelten Fällen sexualisierter Gewalt.

In fünf der Fälle ergaben die Ermittlungen keine beihilfefähige Haupttat oder die Taten waren bereits verjährt, teilte die Staatsanwaltschaft weiter mit. Der an Silvester verstorbene Ex-Papst Benedikt XVI. sei in zweien dieser Verfahren unter den Beschuldigten gewesen. Im Fall eines Priesters, eines mutmaßlichen Täters, ergab sich der Verdacht zweier nicht verjährter Haupttaten, die Anfang der 2000er Jahre stattgefunden haben sollen. Als Personalverantwortliche standen der frühere Münchner Erzbischof Kardinal Friedrich Wetter und der frühere Generalvikar Gerhard Gruber im Fokus. Die beiden seien zunächst als Beschuldigte geführt worden. Es hätten sich jedoch keine Nachweise für strafbares Handeln ergeben.

Die Staatsanwaltschaft habe eine große Menge von Unterlagen der Erzdiözese ausgewertet, wie etwa Personalakten, Handakten und Protokolle der Ordinariatssitzungen. Außerdem wurden gut 30 Zeugen ermittelt und, soweit sie bereit zur Aussage waren, vernommen. Bei Zeugenbefragungen im Fall des Priesters habe es Hinweise auf ein Geheimarchiv sowie einen „Giftschrank“ gegeben, in dem sich „brisante Unterlagen“ befinden sollten, so die Staatsanwaltschaft. Daraufhin durchsuchten Ermittler am 16. Februar 2023 den Amtssitz von Erzbischof Reinhard Marx und die Verwaltungszentrale des Erzbistums München und Freising. Ergebnis: der „Giftschrank“ wurde 2011 aufgelöst und die Unterlagen daraus wurden zu den Personalakten gegeben.