Strafverfahren gegen Priester wegen sexuellen Missbrauchs eröffnet

Strafverfahren gegen Priester wegen sexuellen Missbrauchs eröffnet

Köln (epd). Ein 70-jähriger katholischer Pfarrer muss sich seit Dienstag vor der 2. großen Strafkammer des Kölner Landgerichts verantworten. Ihm wird sexueller Missbrauch an drei seiner Nichten vorgeworfen, die zum möglichen Tatzeitpunkt zwischen sieben und 13 Jahren alt waren. Die Taten soll er zwischen 1993 und 1999 verübt haben. (AZ: 102 KLs 17/20)

Die Anklage wurde Mitte November durch weitere Vorwürfe ergänzt. In Rede stehen zwei mutmaßliche Taten 2011, darunter ein schwerer Fall in Wuppertal. Das mögliche Opfer war demnach unter 14 Jahre alt und hatte mit einer Freundin einen Teil der Sommerferien bei dem Priester verbracht. Der Angeklagte war ein guter Freund der Familie. (AZ: 261 Js 261/21)

Staatsanwalt Maurice Niehoff verlas zum Auftakt des Hauptverfahrens die Anklageschrift, in der 31 mutmaßliche Taten im Detail beschrieben werden. Dem Angeklagten, der in der fraglichen Zeit als Seelsorger in Gummersbach tätig war, werden unter anderem drei schwere Missbrauchstaten vorgeworfen, in denen es zum Beischlaf oder beischlafähnlichen Handlungen gekommen sein soll. Am häufigsten stehen Berührungen und Manipulationen an der Brust, am Po und im Genitalbereich als Anklagevorwürfe im Raum.

Nach Verlesung der Anklageschrift zum Verfahrensauftakt schloss die Kammer die Öffentlichkeit einem Antrag der Verteidigung folgend vor einer ersten Aussage des Angeklagten von der Verhandlung aus. Das Gericht hat 20 Hauptverhandlungstermine bis zum 31. Januar 2022 angesetzt.

Die Nichten des Angeklagten, die in dem Verfahren Nebenklägerinnen sind, wurden zum Verfahrensauftakt anwaltlich vertreten. Der Angeschuldigte wird durch einen psychiatrischen Sachverständigen begutachtet, der an allen Verhandlungstagen anwesend ist.

Am 18. Januar ist der Hamburger Erzbischof und frühere Kölner Generalvikar und Leiter der Abteilung Seelsorger-Personal, Stefan Heße, als Zeuge geladen. Heße trug zum möglichen Tatzeitpunkt Personalverantwortung im Erzbistum Köln.

Der Fall des angeklagten Priesters hatte als eigener Aktenvorgang auch Eingang in das unabhängige Rechtsgutachten der Kanzlei Gercke und Wollschläge gefunden, das Erzbischof Rainer Maria Woelki zum Umgang Bistumsverantwortlicher mit Missbrauchsfällen durch Kleriker in Auftrag gegeben hatte. Das Gutachten war im März dieses Jahres veröffentlicht worden. Das Gercke-Gutachten wirft in einem Zwischenfazit Heße eine Verletzung der Aufklärungspflicht vor. Der damalige Offizial Günter Assenmacher soll laut Rechtsgutachten den mit dem Fall betrauten Verantwortungsträgern im Erzbistum eine falsche Rechtsauskunft erteilt haben.