Berlin (epd). In die Debatte der Koalition um schärfere Strafen für Kindesmissbrauch kommt Bewegung. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will die Mindeststrafen bei Missbrauch und für den Handel mit sogenannter Kinderpornografie erhöhen. Lambrecht erklärte am Donnerstag in Berlin, jeder Missbrauch und damit auch Fälle, "die nicht mit körperlicher Gewalt und Misshandlungen einhergehen", müssten als Verbrechen eingestuft werden. Damit würde die Mindeststrafe für Kindesmissbrauch von drei bzw. sechs Monaten auf ein Jahr Haft erhöht.
Außerdem will Lambrecht "dass Täter, die mit Kinderpornografie auf widerlichste Weise Geld verdienen oder kriminelle Tauschringe betreiben, härter bestraft werden. Es ist ein abscheuliches Verbrechen, mit dem Missbrauch von Kindern Geld zu machen", sagte die Ministerin, die sich zuerst gegenüber dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Donnerstag) geäußert hatte. Mit der Einstufung als Verbrechen würde auch die Mindeststrafe für den Tausch und Vertrieb von Missbrauchsdarstellungen von sechs Monaten auf ein Jahr heraufgesetzt. Die Höchststrafe beträgt schon heute zehn Jahre. Daran will Lambrecht ihren eigenen Worten zufolge nichts ändern.
Die SPD-Politikerin reagiert damit auf Druck aus der Union. Etliche Unionspolitiker hatten Lambrecht aufgefordert, einer Ausweitung des Strafrahmens und insbesondere einer Erhöhung der Mindeststrafen nicht länger im Wege zu stehen. Das CDU-Präsidium hatte sich am Montag dafür ausgesprochen, Kindesmissbrauch generell als Verbrechen und auch in minderschweren Fällen nicht mehr als Vergehen einzustufen.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) verglich angesichts der jüngsten Zerschlagung eines Pädophilen-Netzwerks mit Zentrum in Münster sexuellen Missbrauch mit Mord und forderte Lambrecht zu Gesetzesverschärfungen auf. "Wenn die Herstellung und Verbreitung von Missbrauchsbildern immer noch genauso bestraft wird wie Ladendiebstahl, dann fehlt mir dafür jedes Verständnis", sagte Reul dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Donnerstag). "Für mich ist sexueller Missbrauch wie Mord. Damit wird das Leben von Kindern beendet - nicht physisch, aber psychisch."
Zuvor hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) auf einen Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2019 verwiesen, wonach jede Form von Kinderpornografie als Verbrechen eingestuft werden soll, um die Mindeststrafen und damit die Abschreckung zu erhöhen. Jeder müsse wissen, dass auf solche abstoßenden Taten eine "saftige Strafe" stehe. "Ich bin explizit nicht nur für eine Ausschöpfung des Strafrahmens", sagte Seehofer. "Wir müssen uns als Politiker dazu bekennen, die Mindeststrafe zu erhöhen." Strafen hätten eine "bewusstseinsbildende Wirkung."
Justizministerin Lambrecht hatte Strafverschärfungen bisher abgelehnt und war darin auch von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) unterstützt worden. Giffey hatte erklärt, es komme darauf an, den bisherigen Strafrahmen "am oberen Ende auszuschöpfen", mehr zur Prävention zu tun und die Ermittler gut auszustatten.
Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes Heinz Hilgers sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag), er könne die Forderungen nach Strafverschärfungen nachvollziehen. Man dürfe sich aber keine falschen Hoffnungen machen: "Härtere Strafen haben keinerlei präventive Wirkung." Das größte Problem bei sexueller Gewalt gegen Kinder sei die Geheimhaltung und das Weggucken. Ein Kind müsse sich im Durchschnitt an sieben Erwachsene wenden, bis ihm zugehört und geglaubt werde. Kindesmissbrauch sei ein Tabu, und dieses Tabu schütze die Täter, sagte Hilgers laut Vorabmeldung.
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