Bedenken gegen Liste mit Abtreibungspraxen

Bedenken gegen Liste mit Abtreibungspraxen
Eine Liste mit Ärzten, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, sollte den Streit um den Abtreibungsparagrafen befrieden. Nun zeigt sich: Nur wenige Ärzte stehen bislang auf der Liste. Viele haben offenbar Angst vor Anfeindungen.

Berlin (epd). Die aus dem Kompromiss im Streit um den Abtreibungsparagrafen hervorgegangene Liste mit Adressen von Ärzten stößt auf Bedenken. Politiker und Wissenschaftler befürchten, dass das Verzeichnis von Abtreibungspraxen aufgrund der aufgeheizten gesellschaftlichen Debatte im Zusammenhang mit der Änderung von Paragraf 219a als eine Art Pranger dienen könnte, wie die Tageszeitung "Die Welt" (Freitag) berichtet. "In Zeiten, in denen klerikale Kreise und Rechtextreme Ärzte ins Visier nehmen, liefert man denen die Adresse nicht noch frei Haus", sagte die frauenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Cornelia Möhring. Das Bundesjustizministerium äußert Verständnis für die Sorgen der Mediziner, hofft aber dennoch, dass sich viele eintragen lassen.

Die Liste befindet sich nach Angaben der Bundesärztekammer derzeit noch im Aufbau und verzeichnet bislang nur 87 der bundesweit rund 1.200 Ärztinnen und Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Ob sie sich in die Liste eintragen wollen, können Mediziner freiwillig entscheiden.

Im Februar hatte der Bundestag einen Kompromiss zum Paragrafen 219a beschlossen, der weiterhin Werbung für Schwangerschaftsabbrüche verbietet. In der neuen Fassung ist ihm allerdings ein vierter Absatz hinzugefügt. Ärzten ist es demnach erlaubt, darüber zu informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Für weitere Informationen müssen sie aber auf dafür befugte Stellen wie beispielsweise die Bundesärztekammer verweisen.

Nach Aussage der Merseburger Professorin für Familienplanung, Ulrike Busch, scheuen viele Ärzte davor zurück, sich in die Liste der Ärztekammer einzutragen. Sie überlegten sich sehr genau, "ob sie mit ihrer Praxisadresse auf einer überregionalen Liste auftauchen wollen und sich so zur Zielscheibe für Abtreibungsgegner machen, die Mahnwachen vor Arztpraxen abhalten", sagte Busch der "Welt".

Die Grünen-Frauenpolitikerin Ulle Schauws sagte, die Diskussion um den 219a habe die Entscheidung für viele Ärzte schwieriger gemacht, ob sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten wollen. "Diejenigen, die in der Öffentlichkeit stehen, müssen mit Belagerungen und Belästigungen rechnen", sagte Schauws. Diese Stimmung sei während der Debatte insbesondere von der Union "bewusst und fahrlässig geschürt worden".

Die Union wies den Vorwurf laut "Welt" zurück. "Ärzte, die nicht auf die Liste wollen, können wie bisher den Beratungsstellen Bescheid geben und so alle Frauen erreichen, die über eine Abtreibung nachdenken", sagte Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion.

Das Bundesjustizministerium verurteilte Verleumdungen und Attacken gegen Ärzte. "Wir verstehen, wenn Ärztinnen und Ärzte aus Sorge vor Angriffen von sogenannten Lebensschützern zurückhaltend sind", sagte ein Sprecher auf Anfrage. Bei entsprechenden Fällen würden Polizei und Justiz eingreifen.

Die Liste mit Abtreibungspraxen ist nach seinen Worten ein erster Anfang. Sie solle nun monatlich aktualisiert werden und könne ein zusätzliches, online einfach verfügbares Informationsmittel für Frauen sein. "Deshalb wünschen wir uns, dass sich viele Ärztinnen und Ärzte eintragen lassen, damit Frauen unmittelbar eine nahegelegene Praxis finden können", sagte der Sprecher. Innerhalb der Bundesregierung ist das Gesundheitsministerium für die Liste zuständig, das sich am Freitag nicht zu den Bedenken äußerte.