Seehofer räumt Verbesserungsbedarf im Kampf gegen rechts ein

Seehofer räumt Verbesserungsbedarf im Kampf gegen rechts ein
Schwesig: Mord an Lübcke ein «Alarmsignal für unseren demokratischen Rechtsstaat»

Berlin (epd). Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Defizite im Kampf gegen rechten Terror eingeräumt. "Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus gibt es sicher noch Verbesserungsbedarf", sagte er am Mittwochabend in einem ARD-"Brennpunkt" angesichts des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. "Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass alles Menschenmögliche getan wurde." Die kommissarische SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig bezeichnete die Ermordung Lübckes als "Alarmsignal für unseren demokratischen Rechtsstaat". Am Donnerstagnachmittag will sich der Bundestag in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema rechtsextreme Gewalt befassen.

Der 65-Jährige Lübcke war Anfang Juni vor seinem Wohnhaus mit einem Kopfschuss getötet worden. Der CDU-Politiker war in rechten Kreisen verhasst, weil er eine humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen befürwortete. Am Dienstag legte der in Haft sitzende Verdächtige Stephan E. nach Angaben von Generalbundesanwalt Peter Frank ein Geständnis ab. E. ist laut Verfassungsschutz seit Jahrzehnten in der rechten Szene aktiv.

Seehofer verwies auf etwa 24.000 bis 25.000 Rechtsextremisten in Deutschland, von denen die Hälfte gewaltbereit sei. "Und 12.000 gewaltbereite Menschen so zu überwachen, dass alles vermieden wird, ist kaum möglich", erklärte er. "Trotzdem - wir müssen wieder überlegen: Was können wir weiter verbessern, um solche schrecklichen, grausamen Dinge zu verhindern?" Das Wichtigste sei nun, den Mord an Lübcke vollständig aufzuklären und die strafrechtlichen Konsequenzen zu ziehen. Die Distanzierung von Hass, Antisemitismus und Ausländerhass müsse ein breiter gesellschaftlicher Konsens sein, betonte der Innenminister.

In den ARD-"Tagesthemen" sprach Seehofer von einer hohen Gefährdungslage durch Rechtsextremismus und -terrorismus in Deutschland. Diese Entwicklung müsse man sehr ernst nehmen, sagte er. Eine hohe Gefährdungsstufe heiße in diesem Zusammenhang, dass man "bei dem Potenzial, was wir hier in Deutschland haben, immer mit einem Anschlag rechnen" müsse.

Schwesig sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Ich bin erschüttert, dass ein Politiker wegen seiner Äußerungen über Flüchtlinge von einem Rechtsextremisten ermordet wurde." Nach den Morden der NSU-Terroristen sei ein härteres Vorgehen gegen rechts versprochen worden. "Jetzt stehen wir vor der Frage, ob die Sicherheitsbehörden wieder etwas übersehen haben", erklärte Schwesig. Auf die Frage, ob sie der AfD eine Mitschuld an der Ermordung Lübckes gebe, sagte sie: "Vom hasserfüllten Wort zur hasserfüllten Tat ist es kein weiter Weg. Darüber müssen sich alle, die Hass und Hetze schüren, im Klaren sein."

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) kündigte eine Internet-Initiative gegen Hass und Gewalt aus dem rechten Spektrum an. Er sei überzeugt davon, dass die große Mehrheit in Deutschland ein weltoffenes Land sei, sagte Maas im ARD-"Morgenmagazin": "Das reicht aber nicht. Man muss es auch sagen. Deshalb haben wir uns überlegt, ein Forum zu bieten, wo dies erzählt werden kann." Den Nährboden für gewaltbereite Rechtsextremisten bereite auch die AfD, betonte der Außenminister. Verbale Gewalt in sozialen Netzwerken sei nur eine Vorstufe auch körperlicher Gewalt.