Wilhelm-Busch-Museum verteidigt religionskritische Karikaturen

epd-bild/Heike Lyding
Die Sonderausgabe von Charlie Hebdo: "Der Attentäter ist noch immer auf der Flucht."
Wilhelm-Busch-Museum verteidigt religionskritische Karikaturen


Die Direktorin des Wilhelm-Busch-Museums, Gisela Vetter-Liebenow, hat den Wert provozierender religionskritischer Karikaturen verteidigt.
11.01.2016
epd
Michael Grau (epd-Gespräch)

Hannover (epd)"Wenn im Namen einer Religion Unheil angerichtet wird, dann muss das auch benannt und kritisiert werden dürfen", sagte die Museumsleiterin am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Hannover. Sie äußerte sich am Rande einer Diskussionsveranstaltung ein Jahr nach dem blutigen Anschlag auf das französische Satire-Magazin "Charlie Hebdo". Das Wilhelm-Busch-Museum ist das größte und älteste Karikaturen-Museum in Deutschland.

Auf die Frage, ob Karikaturisten nach dem Anschlag vorsichtiger mit Provokationen umgingen, sagte Vetter-Liebenow, jeder Zeichner wäge stets ab, wie weit er gehen könne. Und jeder stelle sich die Frage, wie viel Druck er aushalten könne.

Sachlicher, fundierter Kern

Gute religionskritische Karikaturen griffen nicht primär die Religionen selbst an, sondern ihre menschlichen Vertreter. Es gehe nicht um die pure Beleidigung Andersdenkender, jede echte Karikatur habe einen sachlichen, fundierten Kern. "Es muss möglich sein, eine unbequeme, freche und auch böse Satire zu äußern, und diese muss die Gesellschaft dann auch aushalten", sagte Vetter-Liebenow. Dabei stehe die Freiheit der Meinung, der Presse und der Kunst auf dem Spiel - und damit die Freiheit selbst. "Das ist ein sehr hohes Gut."

Die Gesellschaft müsse sich fragen, wie hoch sie die Freiheit schätze, sich satirisch über Dinge zu äußern, die mit einem Tabu belegt seien. "Jeder hat dann die Freiheit zu sagen: Das finde ich nicht gut." Darüber könne diskutiert werden. Niemals aber dürften Zeichnungen mit Gewalt beantwortet werden.

Bei dem Anschlag auf das französische Satiremagazin waren vor einem Jahr zwölf Menschen von islamistischen Attentätern ermordet worden, unter ihnen fünf Zeichner. "Charlie Hebdo" hatte islamkritische Karikaturen über den Propheten Mohammed und seine Anhänger veröffentlicht.

Titelbild "typisch Charlie Hebdo"

Mit dem Titelbild ihrer Sonderausgabe ein Jahr nach dem Attentat wolle "Charlie Hebdo" deutlich machen, dass die Zeitschrift mit ihrer Kritik nicht nachlassen werde, sagte Vetter-Liebenow. Das Bild zeigt einen bärtigen Gott im blutverschmierten Gewand mit einer Kalaschnikow und den Satz "Der Attentäter ist noch immer auf der Flucht". "Das ist typisch Charlie Hebdo", erläuterte die Expertin: "Sie schießen mit den Mitteln der Satire in alle Religionsrichtungen."

Der Anschlag habe die Bedeutung von Karikaturen wieder stärker ins Bewusstsein gehoben, resümierte die Direktorin. "Es wird viel intensiver über Karikaturen und Satire geredet." Das Museum will im Sommer mit eine Ausstellung über französische Karikaturen erneut an den Anschlag auf "Charlie Hebdo" erinnern.