Glaubenswechsel durch Gewalt und Geiselnahme

Glaubenswechsel durch Gewalt und Geiselnahme
Einst war der Rikscha-Fahrer Ilyas Christ. Nun heißt er Mohammed. Beim Übertritt zum Islam geht es in Pakistan nicht immer freiwillig zu. Wer einer religiösen Minderheit angehört, ist oft leichte Beute für Entführer.

Sie haben alle neue Namen und eine neue Religion: Ilyas und seine Familie versuchen immer wieder zu versichern, dass sie den Weg zum Islam aus freien Stücken gefunden haben. Ilyas ist Rikscha-Fahrer und stammt aus Lyari, einer armen und gefährlichen Gegend im Süden der pakistanischen Stadt Karatschi. Bis vor kurzem war er Christ.

"Ich freue mich wirklich sehr, dass meine muslimischen Brüder mich so herzlich empfangen haben", sagt Ilyas. Sein Viertel Lyari ist berüchtigt, weil dort ethnische, soziale und politische Konflikte ein explosives Gemisch bilden. Zuletzt ist auch eine Reihe nicht-muslimischer Mädchen entführt und konvertiert worden.
Wachsende Intoleranz

Es ist keine gute Zeit für religiöse Minderheiten in Pakistan: Armut, Korruption, Wirtschaftskrise und Terror prägen den Alltag der meisten Menschen. Die wachsende Intoleranz der Gesellschaft und die Untätigkeit der Regierung hat eine Atmosphäre der Angst und des Misstrauens geschaffen.

Dies trifft auch religiöse Minderheiten wie Christen, Hindus und Sihks, die zusammen etwa fünf Prozent der 170 Millionen Pakistaner ausmachen. In einem Klima von Gleichgültigkeit und Rechtlosigkeit werden sie vermehrt Opfer von Entführungen und erzwungenen Konvertierungen.

Ilyas, der Rikscha-Fahrer, trägt nun den Vornamen Mohammed. Er will klarstellen, dass er nicht bedrängt wurde, Muslim zu werden. Auch seine Familie sei ihm freiwillig gefolgt. "Ich habe meine Frau und meine Kinder nicht gezwungen", versichert er. Seine Frau Rani, die sich nun Khadija nennt, und auch die sechs Kinder zwischen vier und zwölf Jahren hätten selbst beschlossen, die christliche Religion aufzugeben.

Auch die Khidmat-e-Ummat-Stiftung betont, dass die Familie selbst auf sie zugekommen sei. Die Organisation hat bereits 55 Pakistaner zum Islam bekehrt und möchte der Kritik entgegentreten, es sei nicht immer alles so freiwillig zugegangen. "Die Familie hat uns kontaktiert und wir haben ihnen geholfen, den Islam anzunehmen", sagt Tariq Mehmood Ghazi von der Stiftung.

Christen in Pakistan sind nicht angesehen

Die Organisation möchte nun der Familie auch finanziell unter die Arme greifen: "Wir wollen die Kinder unterstützen, eine bessere Schulausbildung zu bekommen und wir planen, Häuser für die neu konvertierten Familien zu bauen", sagt Qari Muhammad Amjad, der Generalsekretär der Stiftung.

Christen in Pakistan sind meist arm und haben einen niedrigen sozialen Status. Das macht sie besonders angreifbar, zum Opfer zu werden von Gewalt, sexuellen Übergriffen, Kidnapping und Zwangskonvertierung zu werden. Doch auch Hindus, die gemeinhin sozial und finanziell besser gestellt sind, ergeht es ähnlich. Kürzlich sorgte der Fall von zwei jungen Hindu-Frauen für Aufsehen: Lata und Rinkle Kumari waren entführt und verschleppt worden. Ihre Familien sagen, sie seien gezwungen worden, muslimische Männer zu heiraten und zum Islam überzutreten.

Die beiden jungen Frauen hatten zunächst erklärt, dies aus freiem Willen getan zu haben, doch ihre Erklärung später wieder zurückgezogen. Der Fall löste Proteste aus. Ende März entschied das Oberste Gericht, die Frauen sollten für drei Wochen in ein Frauenhaus ziehen, um sich möglichst frei von Druck klarzuwerden, welcher Religion sie angehören und ob sie mit ihren Männern leben wollen.

Geldmaschine Entführung

In Pakistan häufen sich derzeit auch Entführungen, bei denen es vor allem um Lösegeld geht. Die radikal-islamischen Taliban haben sich neben Drogenhandel und Erpressung eine neue Einnahmequelle erschlossen, um Waffen, Kämpfer und Munition für ihren Guerilla-Krieg bezahlen zu können. Westliche Helfer zu kidnappen, oder pakistanische Geschäftsleute, die religiösen Minderheiten angehören, bringt den Extremisten Geld.

Anfang des Jahres wurde ein britischer Mitarbeiter des Roten Kreuzes in Quetta, der Hauptstadt Belutschistans, entführt. Fast zeitgleich verschleppten Täter im südlichen Multan einen deutschen Entwicklungshelfer und seine italienische Kollegin. Weniger internationales Aufsehen erregen gekidnappte Pakistaner: Ende Dezember legten Anwälte in Karatschi einen Tag lang die Arbeit nieder, um gegen die Geiselnahme des hinduistischen Juristen Madan Lal zu protestieren.