Gemeindepfarrer und Kirchenvorstand hatten dies einmütig beschlossen. Der Grund: Die drei konnten im neu eingeführten Prüfungsgespräch in Anwesenheit von fünf, sechs Kirchenvorstehern weder nachweisen, dass vom Konfirmandenunterricht inhaltlich etwas hängen geblieben war, noch, dass sie ernsthaft Mitglied der Gemeinde sein wollten.
###mehr-artikel###Für die Eltern der Betroffenen ein Riesenskandal. Sie beschwerten sich beim Propst und beim braunschweigischen Landeskirchenamt, ohne Erfolg. Auch die Gemeinde blieb hart. Sie verweist darauf, dass das erfolgreiche Ablegen einer Prüfung als Voraussetzung für die Konfirmation von Anfang an bekannt gewesen sei. Der Vater eines der Ausgeschlossenen hatte bereits ein Jahr vor dem Fest den Ratskeller gemietet und erwog, gegen die Gemeinde auf Schadensersatz zu klagen, ließ es dann aber sein, weil er den Prüfungstermin schlichtweg nicht berücksichtigt hatte.
Die Ansprüche der Gemeinde an ihre Konfirmanden waren so groß nun nicht. Die Jugendlichen sollten jeweils eine alttestamentliche und eine neutestamentliche Bibelgeschichte bedenken und zu ihrer „eigenen" machen. In einem Fall ging es um Paradies und Sündenfall. Die Verblüffung war groß, als einer der Prüflinge schon bei der Frage passen musste, welche Personen im Paradies zu Hause waren.
Jesus lehrte seine Jünger
Kann man Christ sein ohne gewisse Kenntnisse der Bibel? Eindeutig nicht. Auf der anderen Seite müssen die Gemeinden immer mehr dem Umstand Rechnung tragen, dass das Elternhaus und die Schulen als Vermittler von religiösem Wissen ausfallen. Wissen zu vermitteln ist eine ureigene und ursprüngliche Aufgabe der Kirche. Man kann es mit Blick auf das Wirken Jesu begründen: Zu ihm kam „alles Volk, und er lehrte sie" (Markusevangelium 2, 13). Das in der deutschen Bibelübersetzung verbreitete Wort Jünger bedeutet nichts anderes als Schüler.
Bezeichnend ist aber auch: Die ganze Geschichte der Kirchen ist eng mit der Entwicklung des Schulwesens in Europa verbunden. Ob in den Schulen der Klöster oder in den Bildungseinrichtungen evangelischer Landesherren: Vielfach setzten die kirchlichen Schulen Maßstäbe - im Blick auf ihr geistiges Profil, oft auch im Blick auf die Leistung der Schüler. Nicht zu vergessen: Auch in den evangelischen Pfarrhäusern wurde das Bildungsideal hoch gehalten. Nicht wenige Kinder von Pfarrern wurden als Wissenschaftler und Vordenker bekannt.
Konfirmationskurse und Religionsunterricht vermitteln Kenntnisse über das Christentum. Allerdings erschöpfen sie sich nicht in Problemerörterungen (so wenig wie früher in der Anhäufung von Katechismuswissen), sondern sie laden - beim Religionsunterricht mit Einschränkungen - zum Glauben ein. Mit den Informationen stellt sich der Glaube zwar nicht „automatisch" ein, aber ohne Wissensvermittlung bliebe der Glaube letztlich diffus. Wer sich in die Traditionen von Judentum und Christentum, in die Botschaft Jesu, in das Geheimnis von Tod und Auferstehung vertieft, wird auch heute immer wieder auf die Einschätzung von "Lehrern", von Fachleuten zurückgreifen (müssen).
"Information bedeutet Horizonterweiterung"
Die Aneignung gewisser Grundlagen des Glaubens ist wichtig, denn das Christentum ist - wie auch das Judentun und der Islam - eine Buchreligion. Wesentliche Zeugnisse des christlichen Glaubens sind uns in der Bibel überkommen. Diese Traditionen zu erschließen und mit der persönlichen Situation zu verknüpfen ist Kern der religiösen Sozialisation.
„Information bedeutet Horizonterweiterung - und zwar immer auf Kosten der Nestwärme", schrieb einmal der Kulturjournalist Hans-Jürgen Schultz. "Sie ist eine Nötigung, anderem, fernem und fremdem Geschick und Geschehen Aufmerksamkeit zu widmen." Erst Wissen erlaubt es, eine eigene Position in religiösen Fragen zu finden. Die traditionelle Argumentation, dass Glauben und Wissen Gegensätze seien, ist längst überholt. Beide Seiten ergänzen sich offensichtlich.
Solange die großen Kirchen hierzulande noch stark den Traditionen der Volkskirche verhaftet waren und solange Menschen in ihnen halbwegs erwartbar von der Taufe über die Konfirmation zur Trauung und darüber hinaus ihren religiösen Lebensweg gingen, konnte man von einem breiteren religiösen Wissen ausgehen. Diese Grundlagen sind geschwunden. Die Gemeinden können gar nicht anders, als sich gezielt um die Vermittlung von Inhalten zu bemühen.