Filmkritik: "Birdman"

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Filmkritik: "Birdman"
Fiebriger Bewusstseinsstrom: Alejandro González Iñárritu hat mit "Birdman" eine technisch virtuose Satire zum Los von Schauspielern und Filmbranche in der Jetzt-Zeit gedreht, die zugleich feiert, was sie beklagt.
28.01.2015
epd
Barbara Schweizerhof

Von Alejandro Gonzalez Iñárritu, dem Regisseur von so hochdramatischen Filmen wie "Babel" und "Amores perros" hat eigentlich niemand eine Komödie erwartet. Sein neuester Film "Birdman", in dem der 62-jährige Michael Keaton einen alternden Schauspieler in der Krise spielt, gehört denn auch eher in die Kategorie "geistreich" als "zum Brüllen komisch". Im Dialog drängen sich Scharfzüngigkeiten, Geistesblitze und trockene Pointen über die Filmbranche, das Leben und andere Eitelkeiten in großer Dichte. Es verwundert nicht, dass "Birdman" bei den Golden Globes für sein Drehbuch ausgezeichnet wurde. Der Film hat aber auch darüber hinaus einiges zu bieten.

Michael Keaton verkörpert den in die Jahre gekommenen Schauspieler Riggan, der seinen größten Erfolg als Titelfigur der fiktiven Superheldenfilmreihe "Birdman" feierte. Doch die Zeiten sind lange vorbei. Riggans Karriere scheint darin der des Darstellers Keaton nachempfunden, der Anfang der 90er "Batman" spielte und danach nur noch in Nebenrollen glänzte. Aber "Birdman" ist kein semibiografischer Film über Keaton.

Riggan will mit einem Broadwaystück zeigen, dass er ein ernsthafter Schauspieler ist. Doch dann überreichen ihm die Kollegen als Generalprobengeschenk ein riesiges "Birdman"-Plakat. Und die Journalisten, die er vor der Premiere einlädt, fragen, wann er endlich "Birdman 4" dreht. "Birdman" sitzt ihm im Nacken, als Nemesis und Alter Ego, das ihm dann auch noch ungebetene Ratschläge erteilt.
"Birdman" ist ein klassisches "Hinter den Kulissen"-Stück, in dem die Tage vor der Premiere von menschlichen und technischen Katastrophen geprägt sind, nie aber die Hoffnung schwindet, dass am Ende doch noch alles gut werden könnte. Riggans weinerliche Geliebte (Andrea Riseborough) glaubt, schwanger zu sein; seine Bühnenpartnerin (Naomi Watts) schleppt ihren Freund (Edward Norton) an, der sich als virtuoser Schauspieler, aber menschliches Schwein entpuppt. Er flirtet mit Riggans Tochter (Emma Stone), die nach einem Drogenentzug in der Theaterarbeit Halt finden soll. Dann taucht noch die Exfrau (Amy Ryan) auf, was alte Wunden aufreißt; und der Agent (Zach Galifianakis) versucht verzweifelt, die Produktion noch irgendwie zu retten.

Dunkle Türen und digitale Zeitraffer

All das klingt nach einem altmodischen, kulturpessimistischen Film, der die Eitelkeit der Schauspieler, die Lage der Filmbranche und die Auswüchse sozialer Medien beklagt. Aber Iñárritu hat dafür eine Form gefunden, die das Ganze aufreißt und neu, unerwartet und ambivalent erscheinen lässt. "Birdman" ist gefilmt, als wäre es eine einzige, atemlose Einstellung. Die Schnitte - es sollen an die 40 sein - sind verborgen, weggemogelt durch dunkle Türen und digitale Zeitraffer. Dabei ist die lange Einstellung, bei der die Kamera den Figuren durchs Theater folgt, kein Mittel, um Realismus zu erzeugen, im Gegenteil.

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Wenn Riggan im Gespräch mit Jake aus seiner Garderobe auf die Bühne läuft, erwartet ihn schon der Schauspieler, dessen Engagement sie gerade erst erwogen haben. Solche Zeitsprünge verleihen der Erzählung den Charakter eines fiebrigen Bewusstseinsstroms, Riggans inneres und äußeres Erleben verschwimmen. Was am Ende wirklich passiert, bleibt dem Zuschauer zur Interpretation überlassen.

Regie: Alejandro González Iñárritu. Buch: A.G. Iñárritu, Nicolás Giacobone, Alexander Dinelaris, Armando Bo. Mit: Michael Keaton, Emma Stone, Zach Galifianakis, Naomi Watts, Edward Norton, Andrea Riseborough, Amy Ryan. Länge: 119 Minuten. FSK: 12.