Bundespräsident Christian Wulff gibt sein Amt auf

Bundespräsident Christian Wulff gibt sein Amt auf
Bundespräsident Christian Wulff ist am Freitag von seinem Amt zurückgetreten. Er stand seit mehreren Wochen wegen privater Kredite und anderer Affären in der Kritik. Am Donnerstagabend hatte die Staatsanwaltschaft die Aufhebung von Wulffs Immunität beantragt.
17.02.2012
Von Bernd Buchner

Der 52-jährige CDU-Politiker gab seinen Amtsverzicht am Freitagvormittag in einer persönlichen Stellungnahme im Berliner Schloss Bellevue bekannt. Er trat in Begleitung seiner Frau Bettina vor die Presse. Angesichts der Vorwürfe gegen ihn gab sich Wulff wenig schuldbewusst. Er sprach zwar von Fehlern, zeigte sich aber zuversichtlich, dass die Ermittlungen gegen ihn ohne Ergebnis bleiben.

Wulf (Foto unten: dpa) sagte, die Bundesrepublik brauche einen Präsidenten, der vom Vertrauen einer breiten Mehrheit der Bundesbürger getragen wird. Nach den Ereignissen der vergangenen Wochen sei es ihm nicht mehr möglich, das Amt auszuüben. Zu den Vorwürfen gegen ihn sagte Wulff, er habe sich in seinen Ämtern stets korrekt verhalten. Er sei stets aufrichtig gewesen. Die Berichterstattung in den Medien hätte ihn und seine Frau Bettina verletzt. Die Rücktrittserklärung stieß unmittelbar darauf auf heftige Kritik. Der Berliner Politologe Klaus Schroeder sprach im TV-Sender n24 von einer "Rede, um den Ehrensold zu retten". 

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zollte dem ehemaligen Präsidenten Respekt für seine Amtsführung. Wulff habe sich "voller Energie für ein modernes und offenes Deutschland eingesetzt". Die Regierungschefin kündigte an, die schwarz-gelbe Koalition wolle auf SPD und Grüne zugehen, um einen gemeinsamen Kandidaten für die Wulff-Nachfolge zu finden. Es ist der zweite vorzeitige Rücktritt des deutschen Staatsoberhaupts in weniger als zwei Jahren. Ende Mai 2010 hatte der damalige Bundespräsident Horst Köhler überraschend seinen Verzicht erklärt.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft in Hannover auf Aufhebung der Immunität des Bundespräsidenten war einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Das Ersuchen wird mit Wulffs Amtsverzicht gegenstandslos. Gegen ihn sollte wegen Vorteilsnahme und -gewährung ermittelt werden. Zur Begründung wurde angegeben, dass es nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen und weiterer Medienberichte gegen den früheren niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten nun einen Anfangsverdacht im Zusammenhang mit Kontakten zum Filmfonds-Manager David Groenewold gebe. Auch gegen ihn wird ermittelt.

Privater Hausbau und Urlaubsaufenthalte

Wulff (Foto: dpa) stand seit zwei Monaten wegen diverser Affären in der Kritik. Darin ging es unter anderem um die Finanzierung eines privaten Hausbaus in Hannover sowie um die Kosten mehrerer Urlaubsaufenthalte bei Freunden sowie andere Vergünstigungen. Dem zurückgetretenen Bundespräsidenten wurde auch vorgeworfen, in unzulässiger Weise Einfluss auf die Presseberichterstattung über die Fälle genommen zu haben. Zuletzt wurde in der Öffentlichkeit heftig über einen Hotelaufenthalt des Ehepaars Wulff 2007 auf Sylt diskutiert. Die Kosten für diesen waren von einem Unternehmer vorgestreckt worden; Wulff will diese später in bar beglichen haben. Wulff war von 2003 bis 2010 Ministerpräsident von Niedersachsen.

Bereits vor dem Rücktritt Wulffs wurde über seine mögliche Nachfolge spekuliert. Oppermann sprach sich für eine erneute Kandidatur des früheren DDR-Bürgerrechtlers Joachim Gauck (Foto: dpa) aus. Dieser war bei der Bundespräsidentenwahl im Juni 2010 Wulff nur knapp unterlegen. Denkbar ist, dass sich Kanzlerin Merkel bei der anstehenden Wahl mit der Opposition auf einen gemeinsamen Kandidaten verständigt. Die Mehrheitsverhältnisse in der 1.240-köpfigen Bundesversammlung, die das Staatsoberhaupt in den nächsten vier Wochen wählen muss, sind denkbar knapp. Union und FDP kommen nach Angaben der Internetplattform wahlrecht.de gegenwärtig auf rund 623 Stimmen, nur zwei Stimmen über der absoluten Mehrheit.

Merkel hatte am Freitag wegen der Entwicklung in Berlin einen geplanten Italienbesuch verschoben. Für Samstag wurde ein Treffen mit den Parteichefs Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) anberaumt. Seehofer ist bis zur Neuwahl, die binnen 30 Tagen stattfinden muss, amtierendes Staatsoberhaupt. Als mögliche Präsidentenkandidaten aus Koalitionskreisen werden Verteidigungsminister Thomas de Maizière, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Ex-Umweltminister Klaus Töpfer (alle CDU) genannt. Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, ist offenbar im Gespräch.

"Völlig untragbar gemacht"

Vor Wulffs Rücktritt war das Staatsoberhaupt aus den Reihen der Opposition nachdrücklich zum Rücktritt aufgefordert worden. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte im ARD-"Morgenmagazin" Wulffs Rücktritt und sprach sich für einen überparteilichen Kandidaten als Nachfolger aus. "Das Amt - so beschädigt wie es jetzt ist - braucht so ein Geste", sagte sie. Es sei ein Kandidaten nötig, der die Unterstützung aller demokratischen Parteien habe. Es gebe eine ganze Reihe guter möglicher Kandidaten - auch solche, die trotz eines Parteibuchs akzeptiert würden. Über Namen sprach Nahles nicht.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, sagte im Deutschlandfunk, Wulff habe sich als Präsident politisch völlig untragbar gemacht. Die Fraktionschefs der Grünen im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, forderten: "In dieser Situation muss der Bundespräsident mindestens sein Amt ruhen lassen".

Deutliche Kritik an Wulff kam vor seinem Rücktritt auch aus Kreisen der schwarz-gelben Koalition. Der Vorsitzende der niedersächsischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, sagte der "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitag): "Der Bundespräsident muss jetzt seine Schlüsse ziehen." Ein Bundespräsident, der zum Staatsanwalt müsse, sei "unvorstellbar", sagte ein CSU-Vorstandsmitglied in München. Wulff werde sich angesichts dieser neuen Entwicklung wohl kaum noch im Amt halten können. Auch in der Führung der FDP wurde mit einem baldigen Rücktritt gerechnet. "Ich glaube, das war's", zitiert "Die Welt" (Freitag) ein Mitglied der FDP-Führung.

mit Material von epd und dpa

Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de.