Neuer Exil-Premier fordert Freiheit für Tibet

Neuer Exil-Premier fordert Freiheit für Tibet
Die Exiltibeter haben einen neuen Regierungschef. Dieser wird zukünftig stärker im Rampenlicht stehen, denn der Dalai Lama zieht sich mehr und mehr aus dem politischen Tagesgeschäft zurück. An der Politik gegenüber China soll sich jedoch nichts ändern.

Der neue Ministerpräsident der tibetischen Exilregierung hat bei seiner Amtseinführung die Fortsetzung des gewaltfreien Kampfes für Freiheit in seiner Heimat bekräftigt. "Ich verspreche, die (Widerstands-)Bewegung aufrechtzuerhalten, bis in Tibet die Freiheit wiederherstellt ist und der Dalai Lama in seine Heimat zurückkehren kann", sagte Lobsang Sangay am Montag bei seiner Antrittsrede in der nordindischen Stadt Dharamsala.

Wenn die Tibeter im Exil und in den von China beherrschten Gebieten zusammenstünden, werde der Widerstand langfristig Erfolg haben, betonte der 43-Jährige. "Unsere Zeit wird kommen." Im Tsuglagkhang-Tempel am Fuße des Himalajas hatte der an der US-Universität Harvard ausgebildete Jurist zuvor um genau 9.09 Uhr Ortszeit seinen Amtseid abgelegt. Die Zahl 9 soll laut chinesischer Astrologie Glück bringen.

Mehr Einfluss als Vorgänger

An der feierlichen Zeremonie nahm neben zahlreichen Gästen aus dem In- und Ausland auch der Dalai Lama teil. Das geistliche Oberhaupt der tibetischen Buddhisten hatte bereits im Frühjahr den Rückzug aus dem politischen Tagesgeschäft angekündigt. Der neue Chef der Exilregierung wird daher zukünftig mehr Einfluss als sein Vorgänger Samdhong Rinpoche (73) haben. Dieser hatte sich nach zwei Amtszeiten nicht mehr zur Wahl gestellt.

Der Exil-Premier kündigte an, der politischen Linie des Dalai Lama zu folgen. Mit dessen "Weg der Mitte" solle im Dialog und im Rahmen der chinesischen Verfassung eine "echte Autonomie" mit kulturellen und religiösen Freiheiten für die Tibeter herbeigeführt werden. Er selbst und die Exilregierung seien bereit, darüber "zu jeder Zeit, an jedem Ort" mit der chinesischen Regierung zu verhandeln, sagte Sangay.

Gleichzeitig kritisierte er das Regime in Peking, das direkte Gespräche mit der von keinem Land der Welt anerkannten Exilregierung ablehnt. "Es gibt keinen Sozialismus in Tibet. Tibet ist nicht das Paradies, dass es sein könnte. Es ist eine Tragödie", sagte er. "Die chinesische Regierung sollte das wissen." Der tibetische Widerstand sei daher auch nicht gegen China gerichtet, sondern ausschließlich gegen die "kompromisslose Politik" der kommunistischen Führung.

Kabinett wird im September vorgestellt

Sangay war im März von 55 Prozent der weltweit rund 83 000 stimmberechtigten im Exil lebenden Tibeter gewählt worden. Sein Kabinett will er Mitte September vorstellen. Dann treten die Abgeordneten des neu gewählten Exilparlaments erstmals in Dharamsala zusammen, wo die Exilregierung und der Dalai Lama ihren Sitz haben.

"Wir haben alle politischen Verantwortlichkeiten und alle Kompetenzen nun der demokratisch gewählten Führung von Lobsang Sangay übergeben", sagte der Dalai Lama, der im Juli seinen 76. Geburtstag gefeiert hat. Er bleibt aber spiritueller Führer der buddhistischen Tibeter. Die Exilregierung wird international nicht anerkannt. Seine Heimat hat der neue Exil-Premier nie gesehen. Seine Eltern waren 1959 vor der chinesischen Besatzung nach Indien geflohen, neun Jahre bevor er auf die Welt kam. Die vergangenen 15 Jahre lebte Sangay in den USA, wo er zuletzt an Harvard-Universität arbeitete.

Chinesische Truppen waren 1950 in das tibetische Hochland einmarschiert. 1959 war der Dalai Lama vor der Besatzung ins indische Exil geflohen. Von den knapp sechs Millionen Tibeter leben heute etwa 140 000 weltweit im Exil. Mehr als 100 000 davon haben sich in Indien niedergelassen, rund 20 000 Tibeter leben im benachbarten Nepal.

dpa/epd