Mal Spielplatz, mal Theater: Neue Nutzer ehemaliger Kirchen

Mal Spielplatz, mal Theater: Neue Nutzer ehemaliger Kirchen
Wenn die Gläubigen ausbleiben und Gemeinden fusionieren, stellt sich nicht selten die Frage: Was tun mit den Gotteshäusern? Vor allem Berlin ist inzwischen reich an Antworten.
04.05.2011
Von Burkhard Fraune

Dieses Angebot klingt zumindest interessant: ein mehrgeschossiges Gebäude samt Parkplätzen in guter Kreuzberger Wohn- und Geschäftslage, nah an Museen und Galerien, für zwei Millionen Euro. Und dann ist da noch der imposante Turm, und darauf ein Kreuz - es ist die Kirche der katholischen Bonifatiusgemeinde, die im Internet zum Verkauf steht.

Sie ist nicht das erste Berliner Gotteshaus, in dem keine Messen mehr gelesen werden. Seit 2003 wurden neun katholische Kirchen aufgegeben, und auch die evangelische Kirche sucht zunehmend neue Nutzer für die großen Sakralbauten. Es gibt neuen Raum für Tagungen, Konzerte, Theater.

Zum Beispiel im Umweltforum in Friedrichshain: Hinter dem mächtigen Turm und spätromanischen Außenmauern ragt ein Konferenzzentrum aus Stahl und Glas empor. Wo sich in den 80ern im notdürftig wiederaufgebauten Kirchenschiff die DDR-Opposition um Rainer Eppelmann und Bärbel Bohley traf, tagen heute Ministerien, Verbände und Unternehmen von Coca-Cola bis Sony.

Nach wie vor Gottesdienste

"Wir unterscheiden uns nicht von anderen Veranstaltungszentren", sagt Forumsprecherin Anke Stopperich. Bis auf ein Detail: Im großen Saal hängt noch ein Kreuz. An kirchlichen Feiertagen gibt es hier Gottesdienste, ansonsten reicht der Gemeinde die Kirche einer weiteren Gemeinde, mit der sie vor Jahren fusionierte. Tagungen gibt es auch in der Kreuzberger Jerusalemkirche, einem 60-Jahre Flachbau. Wer Wert auf neugotisches Ambiente legt, kann auch die Heilig-Kreuz-Kirche buchen. Dort gibt es auch Modenschauen und Kunstauktionen.

Kirchen, die eigentlich keine mehr sind, gibt es in Berlin schon lange, etwa die Nicolaikirche, die nach dem Wiederaufbau Museum wurde, oder die Friedrichswerdersche Kirche unweit der Museumsinsel. Doch seit die Gläubigen immer weniger werden, habe die Kirchen immer größere Probleme, ihre Gotteshäuser zu füllen und zu unterhalten. Gehen zwei Gemeinden zusammen, ist oft eines übrig.

"Wir sind bemüht, eine kirchliche Nutzung sicherzustellen", sagt Volker Jastrzembski, Sprecher der Evangelischen Kirchen Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz. Weil die Gemeinden ein neues Rechnungswesen einführen, rechnet Jastrzembski damit, dass viele künftig kreativer sein müssen, um ihre Kirchengebäude zu refinanzieren.

Ex-DDR-Kirche als Widerstandsmuseum

So haben Kirchengebäude in Berlin die unterschiedlichsten Nutzer. Die Galiläa-Kirche in Friedrichshain, in der DDR Rückzugsort für verfolgte Jugendliche, beherbergt ein Jugendwiderstandsmuseum. In der Eliaskirche im Prenzlauer Berg toben Kinder durch ein "Mitmach-Museum" vor Orgel und Jesus-Mosaik. Teile der Martin-Luther-Kirche in Neukölln wurden zu Wohnungen, ebenso in der Spandauer Lutherkirche.

Anders die frühere Krankenhauskapelle an der Neuköllner Blaschkoallee: Zwischen Engelsbildern geben sich dort Paare das weltliche Ja-Wort - die Kapelle ist das Trauzimmer des Standesamts.

Die Verheißungskirche auf dem Friedhof an der Boxhagener Straße ist dagegen seit fünf Jahren Theaterkapelle. Noch immer gibt es dort Trauerfeiern, aber wenn es auf dem Friedhof dunkel wird, geht es weniger getragen zu. Jazzmusik tönt aus der Kapelle und das Gotteshaus wird zur Bühne, auch für manchen Tabubruch. Zum fünften Jubiläum etwa für ein "Fäkaliendrama" und "eine feucht-fröhliche Orgie mit Aas vom Grill".

dpa