Timo Soini: Rechtspopulist oder "nächster König von Finnland"?

Timo Soini: Rechtspopulist oder "nächster König von Finnland"?
Bei den Parlamentswahlen in Finnland wurden die "Wahren Finnen" von Timo Soini die drittstärkste Kraft. Die "Wahren Finnen", die Sozialdemokraten und die Partei des zukünftigen Ministerpräsidenten Jyrki Katainen erreichten alle Wahlergebnisse zwischen 19 und 21 Prozent. Soini hatte im Wahlkampf massiv die Transferleistungen an andere EU-Länder in der Eurozone kritisiert. Den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit weist der "Wahre Finne" aber von sich.
21.04.2011
Von Karola Kallweit

Jyväskylä, eine Stadt in Mittelfinnland. Nichts ist hier so wie im vor Jugendstil und Kulturmultiplikatoren strotzenden Helsinki. Viele Flachbauten in sparsamer Aalto-Manier, eingebettet in eine weitläufige Natur aus Seen und Hügeln und jede Menge Landbevölkerung. Nirgends erscheint Finnland finnischer als hier. Timo Soini, Parteichef der Basisfinnen, mag sich dessen bewusst gewesen sein, als er in dieser Region seinen Wahlkampfendspurt hingelegt hat. Auf dem Land findet er seine Basis. 17 Städte in vier Tagen - keine Anstrengung für einen wie Soini, der nicht mehr Opposition sein will: "Ich war 14 Jahre unterwegs und nun kommt die große Welle." Und sie kam.

Europa fürchtet sich vor dem Rechtsruck in seinen Mitgliedstaaten. Dass nun auch noch die Wähler im als stabil geltenden Finnland eine populistische Partei zur drittstärksten Kraft gemacht haben, schürt die Angst unter den europäischen Partnern. Selten war daher das Medieninteresse an einer finnischen Parlamentswahl größer. Die ausländischen Journalisten, die seit Tagen in Helsinki auf der Jagd nach Antworten sind, mögen jedoch das, was ihnen hier vor der Wahl und danach erzählt und präsentiert wurde, nicht so ganz glauben. Richtig zu fassen sind weder Parteichef Timo Soini noch die anderen Politiker. Der Umgang der politischen Gegner miteinander ist äußerst höflich und von Anfang an bekundeten alle Parteien bis auf die Grünen ihre Bereitschaft, mit den Basisfinnen zu koalieren.

Populistisch ja, ausländerfeindlich nein?

Pekka Haavisto (l., Foto: Kallweit) sitzt in einem Cafe neben dem Parlament in Helsinki. Unaufgeregt beisst die Galionsfigur der finnischen Grünen in sein Käsebrötchen. Soini und seine Anhänger sind für ihn vor allem Nostalgiker, nach dem Prinzip Zurück zur Hütte, zurück in den Wald! Aber antidemokratisch und rechts, das seien sie nicht: "Sie sind keine schlechten Menschen, es ist alles nur Politik." Zwar schließt er eine Koalition zwischen Grünen und Basisfinnen aus - zu unterschiedlich sei ihre Haltung zu Europa und in der Einwanderungsfrage dann doch. Aber wenn sie die aufgeben würden, warum nicht?

Immer wieder darauf angesprochen, darf Timo Soini seit Wochen nicht müde werden, zu betonen, dass er kein Rechtspopulist ist. In Gesprächen mit ausländischen Journalisten, die zwischen seinen Wahlkampfplatituden und ihrem Vorwurf des Rechtspopulismus mäandern, erfährt man wenig Neues. Es möge sich der ein oder andere Hardliner unter seinen Wählern finden, aber es selbst sehe die Basisfinnen zwischen der Agrarpartei Zentrum und den Sozialdemokraten.

Soini lobt die strikte Ausländerpolitik der letzten Regierungskoalition und erklärt, dass man in Finnland nichts gegen Fremde habe, so lange beispielsweise ein Asylgesuch dem "internationalen Standard entspricht". Populistisch, das sei er. Nicht aber ausländerfeindlich. Er selbst gehöre ja als Katholik im lutherischen Finnland einer Minderheit an. Und immer wieder: "Das Thema Immigration hat in diesem Wahlkampf keine Rolle gespielt!"

Der Entertainer Soini kommt bei den Leuten an

Eine Woche vor den Wahlen in Jyväskylä: die lokalen Ableger der großen Parteien geben sich die größte Mühe beim Wähler. Entlang der Einkaufsstrasse haben sich die Parteien mit ihren Zelten platziert. Die Sozialdemokraten braten Würstchen und die Grünen-Kandidatin verteilt kleine Teelichter. Das gute Wetter spielt den Wahlkämpfern in die Hände, doch eigentlich warten sie alle auf Timo Soini. Für ihn haben seine Parteifreunde schon Stunden vorher Lautsprecher aufgebaut und kündigen sein Erscheinen wie Zirkusdirektoren den Beginn der Vorstellung im Zehn-Minuten-Takt an: "Männer und Frauen, um 15 Uhr spricht Timo Soini!"

Als er kommt, sind es um die 300 Menschen, die ihm zuhören wollen. Aus Anhängerschaft oder aus Neugier. Aber er wird sie auch hier finden, seine Wähler: Rentner, die Angst um ihre Rente haben. Arbeitslose, die Angst um ihre Rente haben. Und die, die überhaupt Angst haben vor der Zukunft. Mit Portugal punktet Soini (l., Foto: Kallweit) und als er mit rudernden Armbewegungen die Windkraft als Energiequelle veralbert, hat er zumindest die Lacher im Publikum auf seiner Seite. Der Entertainer kommt an - wie immer in den letzten Wochen.

Als Politiker ist Soini vor allem eines, nämlich gegen vieles. Zum Beispiel die gleichgeschlechtliche Ehe, Abtreibung, Finanzhilfen, weder für Portugal noch für moderne Kultur und er ist auch gegen das Schwedische als zweite Landesprache. Jetzt, kurz nach seinem fulminanten Sieg und auch schon in den Interviews davor, kürzte er so manche Schärfe aus seinem Programm. Im Wahlkampf sind die Positionen immer radikaler. Er sei nicht gegen die EU, höchsten gegen den Kurs, den die eigene Regierung fahre. Er betont sein internationales Profil, dass er sich durch seine Arbeit als EU-Parlamentarier "im Bauch des Biestes" in Brüssel erworben habe. Und immer wieder geht es um Demokratie und um das, was das finnische Volk will. Bei der Presskonferenz am Sonntagabend nach den Wahlen beantwortet er als einziger eine Frage der ausländischen Presse auf Englisch. Soini will regieren und er will es beweisen.

Etablierte Parteien können die Ängste der Finnen nicht beruhigen

Das Phänomen der Protestwahl hat nun auch Finnland erreicht. Dennoch: der Politologe Ville Peerna von der Universität Turku hat sich mit dem Phänomen Soini und den Basisfinnen im Zuge dieser Parlamentswahl beschäftigt: "Man kann ihren Erfolg nicht mit dem anderer rechtspopulistischer Parteien in Europa vergleichen, da zum Beispiel bei den Wählern in Nordfinnland das Thema Immigration nicht wichtig ist." Und tatsächlich hatten die meisten Wähler einen anderen Grund, für die Basisfinnen zu votieren. Unmut über das etablierte Drei-Parteien-System, in dem die Parteien vor lauter Pragmatismus und Konsens kein eigenen Profil mehr aufweisen konnten. Und je nach Region hat dann eben die eine oder die andere von ihnen Stimmen verloren.

Finnland hat eine niedrige Ausländerquote, dafür aber eine hohe Arbeitslosenquote. Kürzlich hat Nokia wieder entlassen. Die Angst geht um im Pisaland. Soinis Wähler sind die Unzufriedenen, die schlecht ausgebildeten ohne Perspektive. In Finnland gilt der konservative Politiker nicht als "rechte Gefahr", auch wenn er sich bei dieser für ihn so erfolgreichen Wahl als Gegenentwurf für die etablierten Parteien stilisiert hat. Für die politische Mitte ist sein Erfolg aber eine Warnung, dass sie die Ängste der Finnen nicht erfolgreich aufgreifen. Indem Soini Werte wie Familie, harte Arbeit hochhält und das vorindustrielle Finnland verklärt, trifft er bei vielen Finnen ins Schwarze.

"Das ist der nächste König von Finnland"

Auf dem Markplatz in Jyväskylä sieht man ihn dann auch, den vermeintlich typischen Wähler. Die Rentner, die streunenden Jugendlichen mit der Bierflasche, der einfache Mann auf dem Land. Wettergegerbtes Gesicht, Baseballkappe, langer Zopf. So wie man sich vielleicht den amerikanischen Hillbilly vorstellt. Soinis Anhänger tragen parteiblaue Westen und hören ihm andächtig zu. Sehen in ihm den Hoffnungsträger für ihre Zukunft. Ein älterer Herr bittet Soini höflich, ihm sein Exemplar von "Meisterkerl" zu signieren. Soinis politische Memoiren.

Dann dreht er sich um und sagt leise: "Das ist der nächste König von Finnland." Der berühmte finnische Architekt Alvar Aalto hat seine Kindheit und Jugend in Jyväskylä verbracht. Später besaß er ein Boot, mit der lateinischen Inschrift "Nemo Propheta in Patria" - "Keiner ist Prophet in seinem eigenen Land". Es bleibt zu hoffen, dass Aalto in diesem Fall Recht behält.


Karola Kallweit ist freie Journalistin in Frankfurt und Berlin und hält sich derzeit zu Recherchen in Finnland auf.