Abschalten ist nicht das Ende: Der Müll bleibt uns erhalten

Abschalten ist nicht das Ende: Der Müll bleibt uns erhalten
Wenn alle 17 Atommeiler vom Netz genommen sind, hinterlassen sie für Jahrtausende radioaktiven Müll. Und der Rückbau der ausgemusterten Kraftwerke kostet viele Milliarden.
15.04.2011
Von Miriam Bunjes

Peter Klimmek schafft seinen Arbeitsplatz ab - Stück für Stück, seit fast 17 Jahren. 2014 wird nichts mehr übrig sein. Außer einigen Betongebäuden, die dann aber "von normalen Baufirmen" abgerissen werden dürfen, sagt Klimmek. Das ist nicht selbstverständlich, denn er arbeitet im Atomkraftwerk (AKW) Würgassen in Ostwestfalen.

1994 ging es vom Netz. "Ein Haarriss im Kernmantel", erklärt Klimmek, der dort 1975 als Elektrotechniker begann und heute Öffentlichkeitsarbeit macht. Bis es ganz vorbei ist. Eine Milliarde Euro wird es bis dahin gekostet haben. Die Reparatur des Risses wäre noch teurer gewesen.

Arbeit für Jahre

Der Rückbau kostet mehr, als der Betreiber erwartet hatte. Mit 700 Millionen Euro hatte der Energiekonzern E.on geplant. "Es fehlten bis dahin Erfahrungen mit Rückbauen von Atomkraftwerken, jedenfalls mit so großen", sagt Klimmek.

Der Rückbau von AKW soll in Deutschland bald Konjunktur haben: Biblis, Neckarwestheim - nach dem Sinneswandel von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gehen sie wahrscheinlich nicht wieder ans Netz. Und was geschieht mit den übrigen 15 kommerziell genutzten Atomkraftwerken?

"Für den Rückbau eines Atommeilers kann man heute zehn bis zwölf Jahre einrechnen", sagt Gerhard Schmidt vom Darmstädter Öko-Institut. "Schwierigkeiten können die Abläufe aber schnell um mehrere Jahre verlängern." Wenn zum Beispiel, wie in den 70er Jahren üblich, mit Asbest gebaut wurde. Oder immer wieder stark radioaktive Stellen auftauchen wie im dem Reaktorkomplex Greifswald.

Strahlenfachleute sind selten und begehrt

Als Erstes werden die hochradioaktiven Brennelemente entfernt. Allein das kann ein bis zwei Jahre dauern, sagt Chemiker Schmidt. "Es ist technisch aufwendig, die Brennelemente in Behälter zu füllen, und auch die Genehmigungsprozedur dauert."

Danach beginnt der eigentliche Rückbau. Zu dem gehören Gutachten, Messungen und Freigaben - jedes Teil muss auf Radioaktivität untersucht werden. Oberflächlich kontaminierte Bestandteile können mit Sandstrahlen oder Säuren gereinigt werden. Stark radioaktive Teile werden ferngesteuert unter Wasser zerlegt. Einen Teil der Arbeit erledigt die Belegschaft. Es kommen aber auch Spezialfirmen und gewöhnliche Bauunternehmen zum Einsatz. "Groß ist der Markt der Strahlenfachleute nicht", sagt Schmidt. "Es kann eng werden, wenn jetzt viel zurückgebaut werden soll."

Viele Milliarden für die Abwicklung

Bezahlen müssen den Rückbau die Betreiber. Fast 29 Milliarden Euro haben sie dafür zurückgelegt. Reicht die Summe? Die Prüfer des Bundesrechnungshofs mahnen, dass keine Behörde dies wirklich einschätzen könne. Schmidt hält die Summe für realistisch: "Der Rückbau eines AKW kostet im Schnitt 700 Millionen Euro." Das macht bei 17 AKWs rund zwölf Milliarden Euro.

Noch teurer wird wahrscheinlich die Endlagerung des Mülls. Schmidt rechnet mit zehn bis 20 Milliarden Euro für den hochradioaktiven Abfall, der noch Jahrtausende strahlen wird. Ein Endlager gibt es noch nicht - über den Standort Gorleben wird seit Jahrzehnten gestritten. "Gibt es keine gesellschaftliche Einigung, wird es um fünf Milliarden teurer", sagt Schmidt. Schwach radioaktive Abfälle sollen im Schacht Konrad bei Braunschweig eingelagert werden. Aber auch dieses Endlager ist noch nicht fertig.

epd