Schlagabtausch über Stuttgarter Tiefbahnhof

Schlagabtausch über Stuttgarter Tiefbahnhof
Ist der geplante Tiefbahnhof nun besser als der jetzige Hauptbahnhof oder nicht? Um diese Frage drehte sich auch die zweite Runde der Schlichtung zu Stuttgart 21. Aussage stand wieder gegen Aussage. Die Projektgegner drohten zuvor damit, die Gespräche platzen zu lassen.
29.10.2010
Von Henning Otte

Bei der zweiten Runde der Schlichtung zu Stuttgart 21 haben sich Gegner und Befürworter einen Schlagabtausch über die Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs geliefert. Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 ließ die Gespräche am Freitag nicht wie angedroht platzen, sondern einigte sich mit der Bahn auf einen Kompromiss zur Friedenspflicht.

Bahn-Technikvorstand Volker Kefer sieht den Beweis erbracht, dass die neue achtgleisige Durchgangsstation wesentlich effektiver ist als der bestehende Kopfbahnhof mit 16 Gleisen. "Im Stuttgarter Durchgangsbahnhof werden 37 Prozent mehr Fahrten stattfinden und wir haben darüber hinaus noch deutliche Kapazitätsreserven2, sagte er bei der Schlichtungsrunde im Stuttgarter Rathaus. Der Tiefbahnhof habe drei Vorteile: Man komme mit acht Gleisen aus, weil die Züge durchfahren könnten; darüber hinaus gebe es geringere Haltezeiten und keine Kreuzungskonflikte.

"... und wir stehen länger im Bahnhof"

Das Aktionsbündnis zweifelte dies an. Die höhere Kapazität sei in der Realität nicht haltbar, sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne). Selbst ein Gutachten im Auftrag der Bahn habe ergeben, dass der Verkehr bei Stuttgart 21 knapp bemessen sei. "Was Sie bauen, hat keine Leistungsreserven", warf Palmer der Bahn vor. "Für die Pendler ist Ihr Konzept schlechter als der bestehende Kopfbahnhof." Die Engpässe in den Stoßzeiten seien bei dem nur noch achtgleisigen Bahnhof schon jetzt absehbar. "Sie investieren Milliarden Euro und wir stehen länger im Bahnhof."

Das Treffen wurde wieder live im Fernsehen und im Internet übertragen. Die Schlichtung soll bis zum 3. Dezember jeden Freitag fortgesetzt werden. Zu Stuttgart 21 gehört auch die Anbindung an die neue Schnellbahnstrecke nach Ulm. Zu Beginn der zweiten Schlichtungsrunde hatten die Stuttgart-21-Gegner der Bahn Verstöße gegen die Friedenspflicht vorgeworfen. Der Sprecher des Aktionsbündnisses, Gangolf Stocker, monierte, die Bahn setze mit Betonwinkeln die Arbeiten an den Fundamenten der Grundwasserregulierung für den Tiefbahnhof fort: "Unserer Auffassung nach liegen diese Arbeiten außerhalb der Friedenspflicht."

Mahnung zur Mäßigung an beide Seiten

Bahn-Vorstand Kefer widersprach: Die Arbeiten dienten der Erdauffüllung. "Wir sind ganz klar der Ansicht, dass das eine erlaubte Arbeit ist." Schließlich einigte man sich unter Leitung von Schlichter Heiner Geißler auf den Kompromiss, dass die Arbeiten mit den Betonwinkeln bis kommenden Donnerstag beendet sein sollen. Geißler ermahnte beide Seiten, ihre Kritik zu mäßigen. So sei es absolut inakzeptabel, wenn Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) bei Demonstrationen diffamiert werde. "Die Rufe "Mappus weg, Mappus tot" passen nicht in unser Klima", sagte der frühere CDU-Generalsekretär.

Zuvor hatte Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) erklärt, auch bei Demonstrationen werde gegen die Friedenspflicht verstoßen, etwa mit Sitzblockaden. Palmer sagte, er sei dagegen, wenn bei Demos "Lügenpack" skandiert werde. "Ich will den Vorwurf 'Lügenpack' hier ausdrücklich vom Tisch nehmen."

dpa