Mein Herz schlägt für die spendende Rentnerin

Mein Herz schlägt für die spendende Rentnerin
In Sachen Sicherungsverwahrung braucht Deutschland dringend eine Übergangsfrist, findet Ernst Elitz. Außerdem ist er etwas schadenfroh, wenn er an Linken-Chef Ernst denkt, der in der Kritik steht, weil er viel Geld verdient und einen tollen Wagen fährt. Spenden findet der Gründungsintendant des Deutschlandradios prima. Zehn Euro von einer Rentnerin noch besser als Milliarden von Bill Gates. Jede Woche stellt evangelisch.de drei Fragen an Ernst Elitz.
06.08.2010
Die Fragen stellte Bernd Buchner

evangelisch.de: Die schwarz-gelbe Koalition streitet nun auch noch über die nachträgliche Sicherungsverwahrung gefährlicher Straftäter. Eignet sich das Thema, um das schwindende konservative Profil der Union zu schärfen?

Ernst Elitz: Auf jeden Fall ist das Thema populär, aber es sorgt sofort wieder für Streit in der Koalition, denn das weitere Wegschließen, wie die CSU es fordert, passt nicht zum liberalen Programm der Justizministerin. Die möchte das Urteil der Europäischen Menschengerichtshof sofort umsetzen: Freilassung von Schwerstverbrechern, die über die im Urteil festgelegte Zeit in der Sicherungsverwahrung schmoren. Nun würde es mir auch nicht gefallen, wenn in der Wohnung nebenan ein Triebtäter sitzt, den die Psychologen nach wie vor für gefährlich halten. Ich habe Verständnis für die Anwohner, die sich dagegen wehren. Und als Steuerzahler missfällt mir, dass monatlich Tausende von Euro und Polizeidienststunden zur Überwachung des schnurstracks Entlassenen aufgewandt werden. Die deutsche Justiz braucht eine Übergangsfrist, bis es möglich ist, die Delinquenten menschenwürdig in gesicherten Wohnheimen unterzubringen, wo sie weder für sich selbst noch für andere eine Gefahr darstellen. Das dürften die Straßburger Richter kapieren, denn Sinn ihres Urteilsspruchs war es ja nicht, die Bevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen. Um eine solche für alle akzeptable Lösung anzustreben, muss man nicht besonders konservativ, sondern nur mit gesunden Menschenverstand gesegnet sein.

evangelisch.de: Falsche Flugrechnungen, überzogenes Gehalt und schnelle Autos: Ist der umstrittene Linken-Chef Klaus Ernst ein heuchelnde Champagner-Sozialist oder Opfer eine Medienkampagne, die das Sommerloch stopft?

Ernst Elitz: Eine gewisse Schadenfreude kann ich nicht verbergen, dass gerade der Vorsitzende einer Partei, die ständig die Neidmaschine gegen die sogenannten Besserverdienenden befeuert, sich jetzt selbst für seine Einkünfte rechtfertigen muss. Auch insoweit ist Ernst ein würdiger Nachfolger Lafontaines. Ich gönne ihm seinen Flitzer, der fast schon ein Oldtimer ist, und ich gönne ihm auch seine Moneten. Bloß in der Rechtfertigung hat sich nun vollkommen verhaspelt: Als halbtags IG-Metall-Beauftragter in Schweinfurt und stellvertretender Fraktionsvorsitzender habe er schließlich noch mehr verdient als jetzt. So tolle Jobs wünscht sich jedes IG-Metall-Mitglied. Auf jeden Fall sollte Bestverdiener Ernst ab sofort vor jeder Fraktions- und Gewerkschaftssitzung erst mal eine Runde Champagner spendieren.

evangelisch.de: Bill Gates, Warren Buffet & Co. spenden die Hälfte ihrer Milliardenvermögen für gute Zwecke. Was verrät diese Geste, abgesehen von der Erkenntnis, dass es ohne das Privatgeld der Reichen irgendwann überhaupt nicht mehr geht?

Ernst Elitz: Nun kommen wir also zu einer Bevölkerungsgruppe, die noch mehr verdient als der Vorsitzende der deutschen Linkspartei. Ein Motiv für den Spendeneifer hat der Milliardär Michael Bloomberg ausgeplaudert. Er möchte seine Kinder nicht unglücklich machen, indem er sie mit einer voluminösen Erbschaft in ein Leben als reicher Nichtsnutz treibt, nach dem Motto: „Ich bin im Club des glücklichen Spermas und erbe den Erfolg einfach.“ (Bloomberg) – Nach der globalen Finanzkrise ist den klügeren unter den Superreichen wohl aufgegangen, dass sie sowohl ihr persönliches Image als auch das ihrer Berufskollegen mit einer Summe Geldes aufbessern können. Der Verzicht wird sie nicht schmerzen. Es soll ja nur die Hälfte ihres Vermögens sein. Auch nach der großzügigen Schenkung bleiben Gates und Buffet noch jeweils rund 25 Milliarden Dollar. Damit lässt sich leben. Mein Herz schlägt eher für die Rentnerin, die zehn Euro für die Haiti-Erdbebenopfer spendet.


Prof. Ernst Elitz, Jahrgang 1941, lebt als freier Publizist in Berlin. Nach seinem Studium der Germanistik, Theaterwissenschaften, Politik und Philosophie kam er über Stationen wie den "Spiegel" und das öffentlich-rechtliche Fernsehen zum Deutschlandradio, das er als Gründungsintendant von 1994 bis 2009 leitete. Alle seine Drei-Fragen-Kolumnen finden Sie hier auf einen Blick.