TV-Tipp: "Tatort: Der Verlust"

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10. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Der Verlust"
Die Party war ein rauschendes Fest. Moritz Eisner ist sechzig geworden, die Stimmung war ausgelassen, und am Ende sind sich der Jubilar und seine Kollegin Bibi Fellner sogar ein bisschen näher gekommen; dann ist der Oberstleutnant in einen tiefen Schlaf gefallen. Tags drauf findet ihn seine Tochter wie tot auf dem Wohnzimmerfußboden. Ein Krimi mit Überraschungen.

Eisner kann sich an nichts mehr erinnern und ist schwer angeschlagen, aber es hilft ja nichts: Der Besitzer des angesagten Clubs "Miramar" ist erschossen worden. 

Abgesehen von Kater und Amnesie deutet erst mal nichts darauf hin, dass sich Fall Nummer 57 für den Wiener Ermittler (Harald Krassnitzer) zu einer seiner größten Herausforderungen entwickeln wird. Die Bildgestaltung ist allerdings von Anfang an hochwertig. Gerade die von viel Blau geprägten Szenen verleihen dem Film eine reizvolle Kühle. Sie steht sinnbildlich für die Kälte, mit der die Geschichte Eisner konfrontieren wird, aber das kann er anfangs natürlich noch nicht ahnen, selbst wenn sich zum dicken Kopf kurz drauf auch noch eine Streifschusswunde gesellt. Hauptverdächtiger für den Mord an Otto Hübner ist zunächst Georgios Sideris (Eidin Seyed Jalali), der Geschäftsführer des "Miramar". Er fühlte sich unterbezahlt und hat Geld unterschlagen. Dass er auf Eisner schießt, als der Oberstleutnant und Fellner (Adele Neuhauser) vor seiner Wohnungstür auftauchen, hat jedoch einen anderen Grund.

Um wen es sich beim dem ominösen "Falkner" handelt, mit dem Sideris den Polizisten verwechselt hat, bleibt erst mal offen, denn Eisner hat ein ganz anderes Problem: Ein Glas weist seine DNS auf. Was wie eine katerbedingte Tatortverunreinigung wirkt, entpuppt sich als erster Hinweis: Offenbar war er in der Tatnacht im "Miramar", um mit Hübner zu sprechen. Natürlich weist der Ermittler das weit von sich, aber dann wäre der Mann, der auf den Bildern einer Überwachungskamera am Hinterausgang zu sehen ist, ein bislang unbekannter Zwillingsbruder. Eine Taxifahrerin hat ihn nach Hause gebracht und noch gesehen, wie er sich an einer Mülltonne zu schaffen gemacht hat; dort findet Fellner die Tatwaffe. Die Indizienlage ist erdrückend, Moritz Eisner ist dringend tatverdächtig und wird verhaftet. Aufgrund eines nächtlichen Anrufs seiner Tochter, die nach der Geburtstagsparty mit ihrem Freund in den Club gegangen ist, konstruiert die Interne Ermittlung ein scheinbar plausibles Szenario: Claudia (Tanja Ranig) hat ihn um Hilfe gebeten, weil Hübner sie bedrängt hat, daraufhin ist ihr Vater ins "Miramar", um den Mann in dessen Büro zur Rede zu stellen; im Streit hat er ihn dann erschossen.

Schon allein dieser Teil der Geschichte ist raffiniert ausgedacht, aber es kommt noch besser. Natürlich kann und darf eine "Tatort"-Hauptfigur kein Mörder sein, weshalb der Verdacht naheliegt, dass sich jemand an Eisner rächen will. Mit einem früheren Kollegen, den er ins Gefängnis gebracht hat, gäbe es auch einen passenden Kandidaten. In der Tat findet die nun allein ermittelnde Fellner schließlich raus, dass ihr Partner Opfer eines perfiden Komplotts geworden ist, doch nun schlägt der Film einen völlig unerwarteten Haken, der selbst versierte Krimifans verblüffen wird. Das Finale endet mit einer weiteren Überraschung. Selbst bei einer weniger hochklassigen Umsetzung wäre "Dein Verlust" vermutlich ein guter Krimi geworden, weil das Drehbuch von Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschik überaus clever konstruiert ist. 

Katharina Mückstein hat zuletzt mit Kameramann Michael Schindegger mehrere ähnlich sehenswerte Episoden für den "Wien-Krimi" ("Blind ermittelt", ARD) gedreht. Ihre Regieleistung sowie das Zusammenspiel von Kamera, Schnitt, Sounddesign und der ungewöhnlichen Musik (Karwan Marouf) adeln den Film endgültig zu einem der besten "Tatort"-Beiträge des ORF in der nunmehr 25jährigen Ära Eisner (Fellner ist erst 2011 seine Partnerin geworden). Ihre zuweilen fast unwirkliche besondere Atmosphäre verdankt die Bildgestaltung nicht nur den vielen Nachtszenen. Auch die meisten Innenaufnahmen sind nicht bei Tageslicht entstanden, weil sich beispielsweise der Club im Untergeschoss befindet. Besonders kunstvoll ist ein Kameraschwenk, der die Majorin in einer Einstellung bei jeweils drei verschiedenen Tätigkeiten zeigt. Hervorzuheben ist auch das zentrale Duo, zumal Krassnitzer seinen Oberstleutnant diesmal von einer ganz anderen Seite zeigen kann: Eisner ist völlig neben der Spur, der Kontrollverlust macht ihm erheblich zu schaffen. Als sich die Zellentür hinter dem Polizisten schließt, ereilt ihn gar eine Panikattacke.