TV-Tipp: "Tatort: Borowski und der Wiedergänger"

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3. März, ARD, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Tatort: Borowski und der Wiedergänger"
Dieser "Tatort" wird polarisieren. Das ist zwar für sich genommen kein Qualitätsmerkmal, verspricht aber Diskussionsstoff; und das ist in jedem Fall interessanter als ein Sonntagskrimi, an den sich schon am Montag kaum noch jemand erinnert.

Die beiden maßgeblichen Verantwortlichen sind zudem mehrfache Grimme-Preisträger: Sowohl Sascha Arango, der bislang fast ein Viertel der Drehbücher für den "Tatort" aus Kiel geschrieben hat, wie auch Andreas Kleinert, der hier zum dritten Mal eine "Borowski"-Vorlage von Arango umsetzt, stehen für besondere Qualität. Der Regisseur, 2022 für seine in Schwarzweiß gehaltene Verbeugung vor Thomas Brasch ("Lieber Thomas") mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet, bewegt sich ohnehin gern außerhalb der Krimikonventionen. 

Zumindest mit dem Auftakt bleibt der Film dem klassischen Schema treu, denn "Borowski und der Wiedergänger" beginnt mit einem Todesfall: Eine Frau wacht auf, als eine Scheibe zersplittert. Sie greift nach dem erstbesten Gegenstand, lauert dem Einbrecher auf und schlägt auf ihn ein. Anschließend macht die Kamera wie in einem Science-Fiction-Film eine Wurmlochreise durch Raum und Zeit. Der Flug endet in einem Schuppen, das Bild friert ein und wird zu einem Schwarzweißfoto, das an der Wand hängt: Greta Exner (Cordelia Wege) fotografiert "Lost Places", Orte, die genauso verloren sind, wie sich für sie vermutlich ihr Leben anfühlt. Gegen Ende wiederholen Kleinert und Kameramann Johann Feindt, der auch für die Bildgestaltung bei "Lieber Thomas" verantwortlich war, diese ungemein eindrucksvolle optische Idee, diesmal allerdings in umgekehrter Richtung. 

Auf den vielversprechenden Auftakt folgt ein abrupter Stimmungswechsel: Im Haus von Familie Exner gibt es Grund zum Feiern, denn Greta ist zur Unternehmerin des Jahres gekürt worden. Die Familienmitglieder sind jedoch zum Teil geradezu grotesk überzeichnet. Dass die theatererfahrenen Mitwirkenden wie auf einer Bühne agieren, passt zwar ins Bild, weil sich die Figuren allesamt selbst inszenieren, hat aber ähnlich wie allzu dick aufgetragenes Make-up in der Nahaufnahme einen kontraproduktiven Effekt. 

Wer keine Lust hat, seinen Sonntagabend mit dieser unsympathischen Mischpoke zu verbringen, zumal Klaus Borowski und Kollegin Mila Sahin (Axel Milberg, Almila Bagriacik) ziemlich lange auf sich warten lassen, verpasst einen Krimi, der sich zum raffinierten Katz-und-Maus-Spiel entwickelt. Dieser Teil der Geschichte beginnt mit einer Vermisstenmeldung. Zuvor zeigt der Film Tobias Exner (Pétur Óskar) beim Chat-Austausch mit einer Schönheit namens "Kitty13". Als die Polizei den Chat-Verlauf später rekonstruiert, lesen sich die Mitteilungen wie ein Komplott zum Mord an der Gattin; vermisst wird kurz drauf jedoch nicht sie, sondern er. Außerdem ist völlig klar, dass Kitty kein Interesse an der Umsetzung des Plans haben konnte: Hinter dem Pseudonym verbirgt sich niemand anderes als Greta, wie der Film noch während des Chats offenbart. Möglicherweise hat Arango gedacht, dass ihm das Publikum ohnehin auf die Schliche kommen würde, aber die Preisgabe hat vor allem Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Borowski und Greta, denn was der Hauptkommissar ahnt oder weiß, lässt der Film offen.

Natürlich ist das ein typisches Krimikonstrukt, zumal Kleinert keinen Hehl aus der Inszeniertheit macht. Schon während der Preisfeier endet eine erotische Tanzeinlage von Toby und Greta mit einem Illusionsbruch, als beide direkt in die Kamera schauen. Völlig unnötig sind zudem einige Schwarzweißeinschübe mit den Befragungsaussagen verschiedener unbeteiligter Nebenfiguren, die inhaltlich rein gar nichts beizutragen haben und auch darstellerisch nicht überzeugen; sie blicken ebenfalls in die Kamera. Ungleich verblüffender ist dagegen der Einfall, den Krimi nach gut einer Stunde mit dem typischen "Tatort"-Abspann scheinbar im Nichts enden zu lassen: gewagt, aber gekonnt.

Es folgt der clever eingefädelte letzte Akt, auf den sich auch der Titel bezieht. Sehenswert ist "Borowski und der Wiedergänger" zudem wie stets nicht zuletzt wegen Axel Milberg und Almila Bagriacik, zumal Borowski und Sahin einen gänzlich unterschiedlichen Umgang mit den Exners pflegen: Er ist offenbar angetan von Greta, sie reagiert auf die Arroganz der Familie mit Ironie. Ungewöhnlich ist auch die Musik (Daniel Michael Kaiser), die mit zarten Glockenschlägen immer wieder dezente Ausrufezeichen setzt. Borowski tut das auch mal, allerdings ganz undezent, als er wie ein Revolvermann mit großer Befriedigung eine aufdringliche Pressedrohne abknallt.