TV-Tipp: "Wolfsjagd"

Fernseher auf gelbem Hintergrund
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
30.Sept., ARD: 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Wolfsjagd"
Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, erkannte einst der Philosoph Thomas Hobbes; wenn auch nicht als Erster. Die Feststellung ist zumindest insofern korrekt, als der Mensch fraglos das gefährlichste Raubtier auf diesem Planeten ist. Dem Wolf tut sie hingegen unrecht, heißt es in diesem TV-Krimi.

Der Wolf weiß genau, dass er sich von den Zweibeinern besser fernhält. Deshalb bestreitet Wildhüterin Sarah (Maria Simon) vehement, ein Wolf habe die junge Frau getötet, deren Leiche sie selbst irgendwo in der brandenburgischen Wildnis entdeckt hat. Der Körper weist zwar Wolfsspuren auf, doch es handelt sich eindeutig um Fraßspuren. Wie also mag das Mädchen ums Leben gekommen sein? Und wer hat es auf dem Gewissen?

Dieser Teil der Handlung von "Wolfsjagd" erzählt einen fesselnden Naturkrimi, in dem sich Sarah alsbald allein unter Wölfen befindet, allerdings unter den zweibeinigen: Die Leute würden das Rudel, das sich vor einiger Zeit in die Gegend niedergelassen hat, am liebsten ausmerzen; erst recht, als sich eins der Tiere in die Nähe eines Kindergartens verirrt.

Die Wildhüterin hat ohnehin ein ganz erhebliches Problem mit den Einheimischen, doch das hat andere Gründe, die viele Jahre zurückliegen. Damals ist Sarah nach Kanada ausgewandert. Zurückgekommen ist sie erst, als ihre Mutter schwer erkrankt ist. Nach deren Tod hält sie nichts mehr in Schönforst, weder ihr Vater (Jörg Schüttauf), Chef des dörflichen Polizeipostens, noch ihre mittlerweile nahezu erwachsene Tochter Julia (Anna-Lena Schwing), mit der sie nichts verbindet. 

Es ist vor allem diese Kombination aus Krimi und familiärer Ebene, die den Reiz des Films ausmacht, zumal Jakob Ziemnickis Inszenierung schon früh andeutet, dass die Heldin unter einem Trauma leidet. Damals haben alle weggeschaut; auch ihr Vater. Dass das Drehbuch (Thomas André Szabó und Ziemnicki) die entsprechende Erklärung möglichst lange hinauszögert, versteht sich von selbst, selbst wenn bald klar wird, dass sich der Vorfall auf dem Gelände eines früheren sowjetischen Militärgebiets zugetragen haben muss. Dieses ehemalige Sperrgebiet spielt auch im aktuellen Fall eine Rolle: Durch Zufall entdeckt Sarah in der Bunkeranlage eine zweite junge Frau, und nun spitzen sich die Ereignisse zu. Sie kulminieren schließlich in einer Schießerei mit mehreren Opfern und einen Moment, in dem sich Sarah entscheiden muss, ob sie anders als ihre Mitmenschen keine Wölfin auf zwei Beinen ist. 

"Wolfsjagd" ist nach zwei "Polizeiruf"-Episoden bereits der dritte Film, den Ziemnicki mit Maria Simon gedreht hat. Als in Deutschland aufgewachsener gebürtiger Pole war er geradezu prädestiniert dafür, den Umzug von Olga Lenski nach Frankfurt an der Oder zu organisieren, schließlich spielen die Krimi regelmäßig diesseits und jenseits der Grenze; von ihm stammt offenbar auch die Idee, die Hauptkommissarin zu einer deutsch-polnischen Behörde zu versetzen.

Sonderlich spannend waren die beiden Krimis ("Grenzgänger", 2015, "Das Beste für mein Kind", 2017) allerdings nicht, dafür war der Dramenanteil zu hoch. Das ist diesmal anders, zumal schon der Auftakt fesselnd umgesetzt ist: Während Sarah aus dem Off über ihren perfekten Ort sinniert, an dem es jedoch etwas gibt, vor dem sie sich fürchtet, fliehen zwei junge Frauen voller Panik vor einer unbekannten Bedrohung. Kurz drauf ist die eine tot und die andere verschwunden. Immerhin braucht der zuständige Kripo-Kommissar Falk Laue (Jacob Matschenz) nicht lange, um die Identität des Opfers rauszufinden: Die junge Silvana (Romina Küper) hat in der örtlichen Fleischfabrik gearbeitet und wollte demnächst heiraten, allerdings keineswegs einen rumänischen Landsmann, wie ihr Vater glaubt; schwanger war sie obendrein. 

Das Drehbuch hat neben Mördersuche und Trauma-Bewältigung noch weitere Facetten zu bieten, darunter das Unverhältnis zwischen Mutter und Tochter, die schwierige Beziehung zwischen Sarah und ihrem Vater und Anmerkungen zur Kehrseite des billigen Fleischkonsums. Sehenswert sind auch die vielen Landschaftsbilder: Die Krimiebene spielt nahezu ausschließlich unter freiem Himmel (Kamera: Benjamin Dernbecher).

Sarah ist dank ihrer Lehrjahre in Kanada eine erstklassige Fährtensucherin und dem Kommissar daher bei der Rekonstruktion der Tat eine große Hilfe; als die beiden eine zweite Leiche finden, wird der Fall allerdings noch rätselhafter. Gerade zum Auftakt sorgt die Thriller-Musik (Roman Kariolou) für angemessene Spannung. Das Finale hätte hingegen ruhig noch etwas packender sein können, zumal einige Nebendarsteller nun deutlich an ihre Grenzen stoßen.