TV-Tipp: "Am Ende der Worte"

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6. August, ARD, 0:05 Uhr
TV-Tipp: "Am Ende der Worte"
Laura hat ein hehres Ziel: Sie will Menschen helfen, die sich nicht selbst helfen können. Das ist aller Ehren wert, hat aber, wie ihr der Chef zu verstehen gibt, nicht viel mit der Realität zu tun.

Laura, Mitte zwanzig, ist neues Mitglied der Hamburger Bereitschaftspolizei, weshalb der Vorgesetzte (André Hennicke) sie sehr nachdrücklich auf den Kern ihres zukünftigen beruflichen Alltags hinweist: die Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols. Laura (Lisa Vicari) weiß das dank ihrer Ausbildung natürlich, aber das war Theorie. In der Praxis wird sie als Mitglied einer fünfköpfigen Einsatzgruppe zu unterschiedlichsten Brennpunkten geschickt: Streitereien zwischen Obdachlosen, eine illegale Party auf einem Kraftwerksgelände, Demonstranten, die mit Flaschen und Steinen werfen, Randale in einer Flüchtlingsunterkunft.

Die raue Wirklichkeit, auf die sie wie während ihrer Ausbildung in der Polizeischule offenbar ebenso wenig vorbereitet worden ist wie auf den mangelnden Respekt vieler Menschen vor der Uniform, pulverisiert ihre Ideale im Handumdrehen. Als im Eifer eines Gefechts ein verhängnisvoller Schuss fällt, steht die junge Frau vor einer roten Linie, die jedoch nicht durch die Kugel, sondern durch die anschließende Vertuschungsaktion der Gruppe markiert wird.

"Am Ende der Worte" ist ein vergleichsweise unspektakulärer Titel für ein Drama, das zumindest inhaltlich an Dominik Grafs Polizeifilmklassiker "Die Sieger" (1994) erinnert; aber auch an Philipp Leinemanns herausragendes Kinodebüt "Wir waren Könige" (2014). Der von Lupus (Ludwig Trepte) angeführte Trupp wirkt wie eine eingeschworene Gang, die die täglichen Grenzerfahrungen durch alkoholische Exzesse kompensiert. Der Umgangston ist ruppig, es herrscht eine toxische Männlichkeitskultur, der sich die Frauen anpassen müssen, wenn sie als gleichwertiges Mitglied akzeptiert werden wollen; deshalb ist die Kollegin Falke (Nathalie Thiede) genauso knallhart drauf wie die Kerle im Team.

Je heftiger die Angriffe von außen sind, desto stärker schweißen sie die Gruppe zusammen, bis schließlich ein geschlossenes System entsteht. Wer sich am latenten Rassismus oder an den Eigenmächtigkeiten stört, die sich Lupus immer wieder rausnimmt, wer sich also nicht dem Korpsgeist unterordnet und somit gegen die Gemeinschaft stellt, bekommt ernsthafte Probleme.

Laura hat erstaunlich wenig Schwierigkeiten, sich diesem Gebaren anzupassen; womöglich zu ihrer eigenen Überraschung. Lena Fakler (Buch) und Nina Vukovic (Regie) beschränken sich darauf, die junge Frau dabei zu beobachten, wie sie die Herauforderungen meistert. Die agile Kamera (Neels Feil) weicht ihr dabei nicht von der Seite. Auf diese Weise lässt sich all’ das, was Laura widerfährt, quasi hautnah miterleben, Kamera und Publikum werden zu teilnehmenden Beobachtern.

Das Drehbuch gibt kein Urteil vor, es präsentiert nur die Fakten, weshalb "Am Ende der Worte" beinahe dokumentarisch wirkt. Lisa Vicari ("Isi & Ossi") ist eine interessante Besetzung für die Hauptrolle, weil ihre attraktive Erscheinung scheinbar im Widerspruch zur Entwicklung Lauras steht. Der Prolog im Stil von "Taxi Driver", als sie mit Pistole vor dem Spiegel Polizistin spielt ("Waffe runter! Stehen bleiben!"), liefert jedoch einen ersten Hinweis auf ihre spätere Verrohung und die wachsende Affinität zu Adrenalin und Gewalt. 

"Am Ende der Worte", für die NDR-Nachwuchsreihe "Nordlichter" entstanden, ist das erste verfilmte Drehbuch von Lena Fakler. Anschließend hat sie, ebenfalls für den NDR, "Schattenkinder" (2022) geschrieben; der "Tatort" war eine herausragend gut gelungene Mischung aus Polizeifilm und Melodram. Vukovics Regiedebüt war "Detour", ein im Auftrag des Kleinen ZDF-Fernsehspiels entstandener Beziehungs-Thriller (2017). Ihr Zweitwerk, der Pilcher-Film "Vier Luftballons und ein Todesfall" (2022), war ein sehenswertes romantisches Drama mit moderaten Krimielementen. Mit der Psychothriller-Serie "Der Schatten" (ab 17. August im ZDF) hat sie sich endgültig als Top-Regisseurin etabliert.

"Am Ende der Worte" zeigt, wie gut sie mit einem schmalen Budget umgehen kann. Clever ist beispielsweise der Großeinsatz bei der Demo gefilmt: Die Mitglieder der Hundertschaft rüsten sich mit Schild und Schlagstock, die Musik kündigt eine Actionszene an, aber vor lauter Qualm ist von dem Getümmel nichts zu erkennen. Ähnlich klug ist die Perspektive während der Einsatzfahrten: Die Außenwelt ist nur durch die mit Gittern gesicherten Scheiben des Mannschaftsbusses zu sehen; ein beredtes Bild für die hermetische Welt, in der die Gruppe abgeschottet ist.