TV-Tipp: "Neben der Spur: Schließe deine Augen"

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31. Juli, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Neben der Spur: Schließe deine Augen"
Kriminalpsychologe Jessen ist einem Serientäter auf der Spur, der Untreue bestraft. Der Film hat Schwächen, findet unser Autor. Das liege sowohl am Drehbuch als auch am Umgang mit den Darstellern.

Gemeinsam mit "Spuren des Bösen" gehörte die im letzten Jahr beendete ZDF-Reihe "Neben der Spur" zu den besten und gewiss düstersten Krimis im deutschen Fernsehen. Dass die Hauptfiguren der Geschichten Psychiater sind, deren regelmäßige Erforschung menschlicher Abgrunde nicht spurlos an ihnen selbst vorübergeht, ist kein Zufall. Das gilt auch für die Mitwirkung von Juergen Maurer in beiden Reihen: Den Österreicher umgibt in vielen seiner Filme eine dunkle Aura, die seine Figuren stets geheimnisvoll und in gewisser Weise unberechenbar erscheinen lässt.

Das passt vor allem zum Dienststellenleiter Mesek aus "Spuren des Bösen", weil sich der Kommissar schließlich vom Partner zum Gegenspieler entwickelte. Während der verschlossene Wiener Polizeipsychologe Richard Brock (Heino Ferch) in der ZDF/ORF-Reihe gewisse seelische Nöte hat, leidet sein Hamburger Kollege Joe Jessen (Ulrich Noethen) unter Parkinson; auch deshalb ist Maurer als Ermittler Vincent Ruiz mit seiner maskulin-dominanten Ausstrahlung eine ausgezeichnete Ergänzung.

Im siebten und vorletzten Fall (eine Wiederholung aus dem Jahr 2021) spielt Ruiz allerdings über weite Strecken gar keine Rolle. Er bittet Jessen zu Beginn, die nach Husum versetzte Kollegin Bartholomé (Marie Leuenberger) zu unterstützen, und verschwindet dann weitgehend aus der Handlung. Das ist zwar ausgesprochen bedauerlich, aber vermutlich nicht der entscheidende Grund dafür, dass "Schließe deine Augen" die bislang schwächste Episode der auf den Romanen von Michael Robotham basierenden Reihe ist.

Nach den ersten beiden Filmen (Cyrill Boss, Philipp Stennert) hat Matthias Klaschka, Autor fast aller "Kommissarin Heller"-Filme, die weiteren Drehbücher geschrieben. Diesmal hat Josef Rusnak – er war bereits Regisseur der letzten Episode ("Erlöse mich") – die Adaption der Vorlage ("Der Schlafmacher") selbst vorgenommen. Das Ergebnis ist ein zwar durchaus sehenswerter, im Rahmen von "Neben der Spur" aber eher unterdurchschnittlicher Krimi, dem unter anderem die für die Reihe so wichtige innere Spannung völlig abgeht.

Gegner des Psychiaters ist diesmal ein Serientäter, der sich zum Hüter von Anstand und Moral betrachtet, aber das wird Jessen erst später klar. Bartholomé braucht seine Unterstützung, weil eine Mutter und ihre 16jährige Tochter ermordet worden sind. Die Tatumstände sowie ein heidnisches Symbol deuten auf einen kranken Geist hin. Ein früherer Student Jessens sieht einen Zusammenhang zu mehreren Überfällen auf Frauen, die jedoch alle mit dem Leben davongekommen sind.

Milosz Zanussi (Rafael Gareisen) ist trotzdem überzeugt, dass es sich um denselben Täter handelt: Er versieht seine Opfer mit einer Art Kainsmal und bestraft sie auf diese Weise für Seitensprünge. Zanussi betreibt einen Blog, in dem er die Hintergründe mysteriöser Ereignisse erforscht, und nutzt eine polizeiliche Pressekonferenz für einen wirkungsvollen Auftritt.

Jessen ist empört, weil der junge Mann die Ängste der Menschen schürt und dem offenkundig narzisstischen Täter eine Aufmerksamkeit verschafft, die ihn zu weiteren Taten animieren könnte. Außerdem passt der Doppelmord seiner Ansicht nach nicht ins Bild, selbst wenn die getötete Elisabeth Raab das Leben nach ihrer Scheidung offenbar in vollen Zügen genossen hat; eine Vermutung, die sich als fataler Irrtum erweist, als Jessen den Täter öffentlich provoziert und dessen Rache nicht dem Psychiater, sondern seiner Frau Nora (Petra van de Voort) gilt, was immerhin zu einem packenden Finale führt.

Jessen ist also auch diesmal wieder persönlich betroffen; neben den fundierten psychologischen Hintergründen war es vor allem dieser Aspekt, der "Neben der Spur" von anderen Krimireihen unterschieden hat. Dass "Schließe deine Augen" das gewohnte Niveau nicht halten kann, liegt nicht zuletzt an Rusnaks Arbeit mit den Schauspielern. Lilly Liefers zum Beispiel spielt als mittlerweile 18jährige Tochter Lotte eine deutlich größere Rolle als bisher, agiert jedoch wie eine Laiendarstellerin (die die Tochter von Jan Josef Liefers und Anna Loos ja auch ist).

Auch die Gastschauspieler sind wenig charismatisch. Aus dem Rahmen fällt allein Tom Lass als Nachbar der beiden Mordopfer. Herr Gärtner ist zwar ohne Frage ein seltsamer Typ, der Frau Raab gern beim Entkleiden zugesehen hat, aber kein Mörder. Stephan Grossmann spielt eine reizvolle Gastrolle als vorübergehender Sexpartner des Opfers. Hörenswert ist auch die gute Musik (Christoph Zirngibel). Nach dem Abschluss der Reihe haben Rusnak und Noethen ihre Zusammenarbeit mit dem im letzten Jahr ausgestrahlten vielversprechenden Auftakt zum neuen Krimiformat "Wendland" fortgesetzt.