TV-Tipp: "Die Bilderkriegerin – Anja Niedringhaus"

© Getty Images/iStockphoto/vicnt
25. Juli, ZDF, 22:15 Uhr
TV-Tipp: "Die Bilderkriegerin – Anja Niedringhaus"
"Der Rausch des Kampfes wird oft zu einer mächtigen und tödlichen Sucht. Denn Krieg ist eine Droge." Diese Erkenntnis stammt nicht von einem Soldaten, sondern von Chris Hedges, Kriegsberichterstatter der New York Times. Anja Niedringhaus könnte diesen Satz auch gesagt haben.

Die 1965 geborene Westfälin zählte zu den angesehensten Kriegsfotografinnen überhaupt, 2005 ist sie als erste Deutsche mit dem Pulitzer-Preis geehrt worden. Anja Niedringhaus wollte mit ihren Bildern dazu beitragen, Kriege zu beenden. Nach fast zweieinhalb Jahrzehnten an den Brennpunkten dieser Welt musste sie feststellen, dass sich durch ihre Arbeit rein gar nichts geändert hat. Außerdem berührte sie das Schicksal der Menschen vor ihrer Kamera nicht mehr. Als sie 2014 dank des Appells einer afghanischen Politikerin neuen Lebens- und Arbeitsmut gewinnt, wird sie anscheinend grundlos von einem Polizisten erschossen. Mit diesem Schock beginnt der Film. 

Es folgt eine Rückblende ins Jahr 1991, als Anja ihren Chef (Sahin Eryilmaz) in der Frankfurter Redaktion der europäischen Pressefotoagentur EPA davon überzeugen will, sie ins vom Bürgerkrieg zerrissene ehemalige Jugoslawien zu schicken. Der verweist auf ihre fehlende Erfahrung in Kriegsgebieten, und überhaupt: "Krieg ist was für Männer." Die Fotografin setzt sich durch und muss, kaum gelandet, bereits von einem italienischen Reuters-Kollegen vor wütenden Soldaten gerettet werden, die sie ohne Erlaubnis fotografiert hat. Jetzt verheizen sie schon Praktikanten als Kanonenfutter, kommentiert Sergio ihre Anwesenheit, was ihn nicht daran hindert, eine langjährige innige Beziehung zu Anja zu entwickeln. 

Neben dem ausgezeichneten Spiel von Antje Traue und Michele Cuciuffo ist es vor allem die auch handwerklich herausragend gut gelungene Kombination inszenierter und dokumentarischer Aufnahmen, die "Die Bilderkriegerin" zu einem besondern Film macht. Weil das Budget im Unterschied zu Hollywood-Produktionen wie "Black Hawk Down" (2001) oder "The Hurt Locker" (2008) keine aufwändigen Rekonstruktionen von Kampfhandlungen zuließ, findet der Krieg oft nur auf der Tonspur und per Lichteffekt statt.

Darüber hinaus haben sich Roman Kuhn (Regie), der das Drehbuch gemeinsam mit Yury Winterberg geschrieben hat, und Sonya Winterberg (Dokumentarregie) vieler authentischer Aufnahmen bedient. Die Übergänge sind oft unmerklich, weil die Spielszenen zunächst in grobkörnigem Schwarzweiß gehalten sind; eine kongeniale Leistung auch von den Gewerken Kamera (Jürgen Rehberg) und Filmschnitt (Clemens Hübner).

Ähnlich eindrucksvoll ist ein kühner Zeitsprung gestaltet. Ohnehin hat das ästhetische Konzept enormen Anteil an der Qualität des Films. Bei Anjas Einsätzen in den Kriegsgebieten hat Kuhn konsequent auf bunte Farben verzichtet; die Bilder aus Bosnien sind düster und grauweiß, die Szenen aus dem Irak hell und sandfarben. Entsprechend wirkungsvoll ist die Kolorierung der Fotos. Auf einer der zu Beginn gezeigten Aufnahmen besucht Santa Claus die Soldaten in der Wüste; die im Halbkreis versammelten Soldaten tragen tarnfarbene Uniformen, der Weihnachtsmann ist selbstredend knallrot gekleidet. 

Gerade angesichts der Dichte der durchaus spannenden Kriegsszenen – im Irak gerät Anja gemeinsam mit US-Marines unter Beschuss, in Afghanistan wird sie durch eine Handgranate verletzt, als sie eine kanadische Patrouille begleitet – muten die mehrfachen (und deutlich farbenfroheren) Besuche bei der Schwester (Franziska Hartmann) in der westfälischen Heimat etwas kraftlos an. Vermutlich sollen diese Momente zeigen, welches Leben die Fotografin ihrer Berufung geopfert hat, und zudem ihre Rastlosigkeit dokumentieren, weil die Stippvisiten stets nur kurz sind.

Ein weiterer Wermutstropfen: Wie im Auslandskrimi donnerstags im "Ersten" sprechen dank der Synchronisation alle Menschen ein makelloses deutsch, ganz gleich, in welchem Kriegsgebiet die Fotografin unterwegs ist. Immerhin ist Traue auch eine gute Sprecherin der aus dem Off vorgetragenen tagebuchartigen Kommentare.

Die kritischen Anmerkungen können die Gesamtqualität dieses Werks, das an die großen Auslandskorrespondentenfilme der Achtzigerjahre – "Die Fälschung" (Volker Schlöndorff, 1981), "The Killing Fields" (Roland Joffé, 1983) oder "Under Fire" (Roger Spottiswoode, 1983) – anknüpft, allerdings sowieso kaum schmälern. Wegen der FSK-Freigabe ab 16 Jahren darf der von der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte koproduzierte Film nicht vor 22.00 Uhr ausgestrahlt werden. Das gilt auch für die Mediathek, es sei denn, man hat einen personalisierten Zugang.