TV-Tipp: "Unter anderen Umständen: Für immer und ewig"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
© Getty Images/iStockphoto/vicnt
23. Januar, ZDF, 20.15 Uhr
TV-Tipp: "Unter anderen Umständen: Für immer und ewig"
Der Fall rund um eine Frau und ihren im Gefängnis einsitzenden Verlobten bleibt bis zur grimmigen Schlusspointe spannend. Buch und Regie legen clever falsche Fährten aus. Ein Genuss für Krimifans.

Abgesehen von wenigen seltenen Ausreißern erreicht "Unter anderen Umständen" seit einigen Jahren regelmäßig über sechs Millionen Zuschauer - mitunter auch deutlich mehr. Nun lassen solche Zahlen naturgemäß nicht automatisch Rückschlüsse auf die Qualität zu, aber wenn sich eine Filmreihe heutzutage 17 Jahre halten kann, ist das grundsätzlich schon mal beachtlich.

Regie führte bislang ausnahmslos Judith Kennel; auch das ist ungewöhnlich. Vor der Kamera gibt es ebenfalls eine große Kontinuität: Neben Natalia Wörner in der zentralen Rolle der Flensburger Hauptkommissarin Jana Winter sind Martin Brambach und Ralph Herforth seit der ersten Episode dabei. Handwerklich bewegen sich die Filme ohnehin auf hohem Niveau; die Bildgestaltung ist regelmäßig ausgezeichnet.

Außerdem erzählen die wechselnden Autoren immer wieder Geschichten, die anfangs oft wie handelsübliche Krimis wirken, sich dann aber gern in eine unerwartete Richtung entwickeln. Das gilt auch für die 2021 erstausgestrahlte 18. Episode, "Für immer und ewig", zumal sich Elke Rössler den Spaß erlaubt, die tiefere Bedeutung des Titels erst mit der letzten Szene zu offenbaren.

Der Fall beginnt, natürlich, mit einer Leiche, aber zuvor zeigt ein Prolog einen Mann und eine Frau beim stimmungsvollen Abendessen. Plötzlich rastet der Mann aus; die Frau läuft weg und versteckt sich. Am nächsten Morgen wird im Haus auf der anderen Straßenseite die weitgehend unbekleidete Leiche einer offenbar mit einem roten Segelseil erdrosselten jungen Prostituierten entdeckt.

Winters Kollegin Alwa (Lisa Werlinder) erinnert sich an einen 15 Jahre zurückliegenden ähnlichen Fall: gleiches Seil, gleiches Alter des Opfers, gleiche Handschrift. Der Täter, Jan Littkovski (Karsten Antonio Mielke), wurde damals gefasst und verurteilt, er sitzt seine Haftstrafe ab, hat allerdings eine vorbildliche Sozialprognose und darf die JVA hin und wieder verlassen, um seine Verlobte Doreen Hahn (Bettina Stucky) zu besuchen. Frau Hahn wohnt dem Mordopfer direkt gegenüber, zur Tatzeit war Littkovski bei ihr; die ganze Zeit, wie sie versichert.

Das stimmt aber nicht ganz, wie sich bald rausstellt. Außerdem ergibt die rechtsmedizinische Untersuchung, dass das Opfer keineswegs erdrosselt, sondern erst betäubt und dann erstickt worden ist; und plötzlich wird der vermeintlich klare Fall zu einem undurchschaubaren Rätsel.

Der besondere Reiz des Films liegt gerade für Freunde der Reihe im Rollentausch: Die Ermittlungen werden größtenteils nicht von Teamchefin Winter, sondern vom Kollegen Hamm geleitet. Winter hat bei Doreen Hahn einen epileptischen Anfall ausgelöst und ist beurlaubt worden; Wörner bleibt zwar Hauptdarstellerin, teilt sich die erste Reihe aber mit Herforth.

Für Hamm besteht kein Zweifel daran, dass Hahn den Mord begangen hat, damit Littkovski im Gefängnis bleibt, wo er weiterhin auf ihre Fürsorge angewiesen wäre. Natürlich tauschen sich die Ermittler auch über diese seltsam anmutende Art von Beziehung aus. Das Phänomen war auch mal Thema einer Episode von "Ein starkes Team"; sie trug den despektierlichen Titel "Knastelse".

Diese Frauen führen eine innige Korrespondenz mit Häftlingen, in die sie sich zum Teil auch verlieben. Hamm glaubt, dass Doreen Hahn das Gefühl von Macht genießt, aber damit wäre es natürlich vorbei, sobald ihr Verlobter seine Strafe verbüßt hat. Trotzdem ahnt auch er, dass hier ein Zufall zuviel im Spiel ist.

Für Elke Rössler ist ein reiner Krimi wie "Für immer und ewig" eher ungewöhnlich. Die Autorin war unter anderem am Auftakt der "Krüger"-Reihe mit Horst Krause beteiligt ("Krüger aus Almanya", 2015) und steht für Filme, die in der Regel mindestens sehenswert sind; ihr vorerst letztes Projekt für die ZDF-Reihe "Katie Fforde" ("Du lebst nur einmal") war sogar mehr als das. Ihr Drehbuch für einen "Polizeiruf" des RBB ("Das Beste für mein Kind", 2017) war im Grunde ein Drama.

Ihr Debüt im Rahmen von "Unter anderen Umständen" beeindruckt neben der Zeichnung der Figuren nicht zuletzt durch Details: Als Jana Winter zum Tatort kommt, bedeckt sie die sichtbare Brustwarze des Opfers. Was wie eine beiläufige Geste wirkt, entpuppt sich im Rückblick als erster Hinweis auf die Lösung des Falls. Die grimmige Schlusspointe schließlich verdeutlicht, dass Gefängnisse nicht immer Gitterstäbe haben müssen. Außerdem locken Buch und Regie versierte Krimifans schon früh und ziemlich clever auf eine falsche Fährte.

Nebenhandlungen sorgen dafür, dass der familiäre Charakter der Reihe gewahrt bleibt: Winters Teenager-Sohn Leo, gespielt von Wörner-Sohn Jacob-Lee Seeliger, hat Mist gebaut und braucht Hilfe; auf diese Weise bekommt auch Martin Brambach als Winters Ex-Chef Brauner mehr zu tun als bloß typische Polizeiarbeit. Kaum wahrnehmbare Slapstickmomente im Hintergrund – Brauner lässt sein Brötchen fallen, Winter wird von Eseln verfolgt – sind kleine Belohnungen für Zuschauer, die genau hinschauen.

Entscheidender für die Qualität der Inszenierung ist jedoch neben der wie stets bei Kinnel sorgfältigen Bildgestaltung (diesmal Nicolay Gutscher) die Arbeit mit den perfekt besetzten Schauspielern. Karsten Antonio Mielke ist genau der richtige Typ für die Rolle von Littkovski: einerseits charmant und sympathisch, andererseits auch glaubwürdig als Mann, der gelegentliche Probleme mit seiner Impulskontrolle hat; dank Schnauzbart, Cowboystiefeln und Günter-Netzer-Frisur wirkt er zudem ein bisschen aus der Zeit gefallen. Fast noch besser ist Bettina Stucky, deren Körpersprache ständig widersprüchliche Signale aussendet. Außerdem hat sie eine Fähigkeit, die nicht zu unterschätzen ist: Sie kann sehr beredt schweigen.