Ihr Kampf gegen die Atombombe

Martha Hennessy, Enkelin von Dorothy Day
© The New York Times/Redux/laif/Michael Appleton
Martha Hennessy beim Abwasch in Maryhouse, eine der ersten Catholic Worker Gemeinschaften in New York City. Unermüdlich engagiert sie sich gegen den Einsatz von Atombomben.
Ihr Kampf gegen die Atombombe
Gestern heilig, heute kriminell? Die Enkelin von Dorothy Day auf der Anklagebank
Vor zwei Jahren drangen sieben christliche Anti-Atom-Aktivist:innen in eine US-amerikanische Militärbasis ein. Nun werden sie verurteilt. Eine von ihnen ist Martha Hennessy, Enkelin der Sozialaktivistin Dorothy Day. Sie sieht dem Urteil ruhig entgegen.

Am 4. April 2018 brachen drei Frauen und vier Männer in Georgia in die "Kings Bay Naval Submarine Base" ein, die größte U-Boot-Basis der Welt. Niemand hatte sie aufgehalten. Bewaffnet mit nichts als Protestbannern, Tatortband, Hämmern und kleinen Fläschchen mit Blut protestierten sie gegen die dort gelagerten Atombomben, die zusammen die 3600-fache Sprengkraft der Hiroshima Atombombe haben. Sie taten es aus christlicher Überzeugung.

Die Protestaktion der Kings Bay Plowshares hat ihre Wurzeln in der Pflugscharbewegung, die der ehemalige katholische Priester Philip Berrigan 1980 gründete. Sie bezieht sich auf den Bibelvers Jesaja 2,4: "Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt nicht mehr für den Krieg." Auf diese Friedensbewegung gehen über hundert Protestaktionen zivilen Ungehorsams zurück, bei denen symbolisch oder tatsächlich Kriegseigentum zerstört wurde.

MItglieder der "Kings Bay Plowshares 7" am 28. Januar 2020 in New York City

Die "Kings Bay Plowshares 7", wie die Gruppe sich nennt, wurde nach ihrer Aktion verhaftet und im Oktober 2019 aller Anklagepunkte – Verschwörung, Verwüstung von Staatseigentum und Hausfriedensbruch – schuldig gesprochen. Alle sieben Mitglieder tragen seit ihrer Verhaftung eine elektronische Fußfessel, mit der sie überwacht werden. Die zuständige Richterin soll nun das Urteil verkünden – wegen der Corona-Pandemie per Video. Bis zu fünfundzwanzig Jahre Gefängnis drohen als Höchststrafe.

Auf der Anklagebank sitzt auch die 63-jährige Martha Hennessy, ehemalige Therapeutin, achtfache Großmutter und Enkelin der Journalistin Dorothy Day, die derzeit das Heiligsprechungsverfahren im Vatikan durchläuft. Als Teil der Pflugscharen-Bewegung reiht sich Martha ein in eine reformkatholische Familientradition, die im Jahr 1933 begann. In diesem Jahr der "Great Depression" gründete Dorothy Day, die in New York in anarchistisch-sozialistischen Kreisen verkehrte, die Zeitschrift Catholic Worker. Diese sollte den Entrechteten, Arbeitslosen, Obdachlosen und "Opfern" der kapitalistischen Politik eine Stimme geben. Day lebte in "Häuser der Gastfreundschaft", die diesen Menschen ein Zuhause gaben.

Journalistin Dorothy Day am 1. Januar 1916.

Dorothy Day protestierte auch gegen den aufkeimenden Faschismus in Europa, später gegen den Vietnamkrieg und gegen die Rüstungspolitik im Kalten Krieg. In den 1950er Jahren weigerte sie sich, während der Luftangriff-Übungen in die Bunker zu gehen: Sie wollte nicht an einer Kriegsübung teilnehmen. Sechs Jahre lang blieb sie während der Übungen auf einer Parkbank sitzen. Jedes Jahr musste sie dafür dreißig Tage ins Gefängnis. 1961 hatten sich schließlich so viele Menschen dem Protest angeschlossen, dass die Gefängnisse überfüllt waren und New York City die Übungen einstellte.

In diesem Umfeld wurde Martha groß: mit ihrer fest im Glauben verankerten Großmutter Dorothy und ihrer Mutter Tamar, die die katholische Kirche schließlich verließ, weil diese mit dem Kapitalismus paktiere. "Ich bin katholisch aufgewachsen, aber in meinen Teenagerjahren haben wir uns von der Kirche gelöst", erzählt Martha. "Die Friedensarbeit war in meinem Leben sehr präsent. Wir gingen auf die Straße, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Ich hatte diesen Hang zum Aktivismus, aber von der Glaubensgrundlage hatte ich mich entfernt." Martha fand erst 2004 wieder zu den Wurzeln ihres Glaubens.

Klarheit im Gefängnis

Über die Jahre bereiste sie Länder wie den Irak, Iran, Afghanistan und Südkorea, um zu verstehen, welche Auswirkungen die Kriege hatten, an denen ihr Land beteiligt war. Einmal saß sie aufgrund ihres Protests gegen Atombomben für drei Monate im Gefängnis, was sie als traumatisches Erlebnis in Erinnerung behält und ihr die Gewalt des Strafsystems mit erschreckender Klarheit vor Augen führte.

Heute lebt Martha mit ihrer Familie auf einer Farm in Vermont, sowie in "Maryhouse", einer der ersten Catholic Worker Gemeinschaften in New York City. Maryhouse ist eine heruntergekommene ehemalige Musikschule in Manhattan. Zwei Wohnblocks weiter befindet sich die Catholic Worker Gemeinschaft Josephhouse, die jeden Tag ein Frühstück für alle serviert, die bei Ihnen anklopfen. Viele von Marthas obdachlosen Gäste sind ehemalige Kriegsveteranen, ein Großteil von ihnen leiden an psychischen Erkrankungen. Diese Alltagserfahrungen haben Martha die Zusammenhänge von Armut und Krieg vor Augen geführt. Immense Geldsummen in Atomwaffen fließen zu lassen, sei Diebstahl an den Armen, sagt sie.

Marthas Ruhe angesichts der drohenden Gefängnisstrafe ist selbst über Skype tief beeindruckend. Einmal läuft bei einem Telefonat ihre Enkelin ins Bild – sie will mit ihrer Großmutter spielen. Nach der Urteilsverkündung wird Martha ihre Enkelkinder vielleicht lange Zeit nicht sehen. "Ich weiß", sagt sie. "Aber mir ist klar geworden, dass es das Beste war, was ich für sie tun konnte."

Sichtbarer Protest.

Seit dem Schuldspruch im Oktober vergangenen Jahres warten die sieben Angeklagten auf die Urteilsverkündung. Einer von ihnen sitzt seit zwei Jahren im Gefängnis, da er keine Kaution für die Fußfessel zahlen wollte. Die Zeit bis zur Urteilsverkündung sollte dazu dienen, die Schwere der Strafe festzustellen. Dabei wird die strafrechtliche Vergangenheit der Angeklagten berücksichtigt, aber auch ihr derzeitiges soziales Engagement.

Zwei Jahre lang bereiteten sich die sieben Mitglieder der jüngsten großen Pflugscharaktion auf den Einbruch in die Militärbasis vor – in persönlicher, spiritueller und organisatorischer Hinsicht. Alle sind sie katholisch. Wie für Martha ist auch für die anderen die Erfahrung mit Armut, Rassismus, kapitalistischer Ausbeutung und deren Verbindung zum Krieg ausschlaggebender Grund für diesen Schritt gewesen. In Marthas Augen sind die Verbrechen, die ihr zu Last gelegt werden, keine. "Ich zahle Steuern. Deswegen bin ich für diese Militärbasis mitverantwortlich", sagt Martha Hennessy. Ihr christlicher Glaube stützt die Überzeugung, dass die tatsächliche Gewalt von solchen Militärbasen ausgeht und nicht von ein paar Aktivist:innen, die sie symbolisch mit ihrem eigenen Blut bespritzen.

 

"Krieg ist die Antithese von Leben", sagt Martha. Die Atombombe – die mächtigste aller Waffen – bedeutet für sie nichts als Zerstörung und Tod. Was heißt es, im 21. Jahrhundert Jesus Christus nachzufolgen, fragten sich die Sieben, und ihnen wurde klar, dass sie sich gegen eine der größten Bedrohungen des Planeten wenden wollten. "Trotz der Ernsthaftigkeit der Situation lag auch Freude in dem, was wir taten und ein befreiender Sinn darin, es getan zu haben", sagt Martha.

Als die US-amerikanische Journalistin Amy Goodman Martha fragte, ob sie auf die Gefängnisstrafe, die bis zu 25 Jahren betragen könnte, vorbereitet sei, antwortete diese: "Ich bin 63 und vielleicht habe ich noch zwanzig Jahre vor mir. Mein eigenes Leben ist bedeutungslos im Angesicht der Zerstörung von Gottes Schöpfung."

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