Die Kirche mit dem Smartphone öffnen

Die Kirche St. Peter und Paul in der Nähe der Pfaueninsel enthält einen unverändert erhaltenen Kirchenraum aus der Zeit des Klassizismus in Berlin.
Foto: H.Helmlechner/CC BY-SA 4.0 /https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/Wikimedia Commons
Die Kirche St. Peter und Paul in der Nähe der Pfaueninsel enthält den einzigen unverändert erhaltenen Kirchenraum aus der Zeit des Klassizismus in Berlin.
Die Kirche mit dem Smartphone öffnen
Eine Kirche in Berlin lässt sich dank eines elektronischen Türschlosses künftig mit dem Handy öffnen
Jeder will das zu der Uhrzeit machen können, was er will. Das gilt auch für den Kirchenbesuch. Doch evangelische Kirchen haben meist feste Öffnungszeiten. Eine Kirche in Berlin will künftig allerdings auch früh und spät ihre Türen öffnen - für Smartphone-Besitzer.

Abends 20 Uhr: Die Postfiliale hat geschlossen, das Paket wartet allerdings abholbereit in der Packstation. Die Serie im Fernsehen ist schon gelaufen, die Folge ist aber zum nachträglichen Schauen in der Mediathek verfügbar. Die Türen der evangelischen St. Peter und Paul auf Nikolskoe-Kirche aber bleiben fest verschlossen. Nur wer zu den Öffnungszeiten von elf bis 16 Uhr kommt, kann die Kirche nahe der Pfaueninsel in Berlin-Wannsee betreten. Bis zum kommenden Jahr. Dann lässt sich St. Peter und Paul als die wohl erste Kirche in Deutschland mit dem eigenen Smartphone öffnen.

Als Projektleiter kümmert sich Daniel Jach um das Schließsystem für St. Peter und Paul.

Die Kirche St. Peter und Paul auf Nikolskoe möchte die bislang knappen Öffnungszeiten der bei Touristen, Spaziergängern und für Hochzeiten sowie Taufen beliebten Kirche ausweiten. Ab 2019 sollen Besucher die Kirche auch vor oder nach den Öffnungszeiten mit Hilfe eines elektronischen Türschlosses besuchen können. "St. Peter und Paul ist ein Hingucker. Touristen und Spaziergänger sollen auch früh morgens oder spät abends in die Kirche dürfen", sagt Daniel Jach. Als Projektleiter begleitet er kirchliche Digitalisierungsvorhaben für das evangelische Wohnungsunternehmen Hilfswerk-Siedlung. Zusammen mit dem Kuratorium in Nikolskoe arbeitet Jach an einem Schließsystem für St. Peter und Paul.

Die Besucher müssen künftig nur den Zahlen-Code in das Pin-Pad eintippen.

In dem Backstein neben der Eingangstür zum Kirchenanbau hängt bereits ein schwarzes Pin-Pad zur Eingabe einer Nummer. In der Tür ist ein elektronischer Mechanismus zum Verriegeln und Entriegeln eingebaut. Der nächste technische Schritt sei nun, die Verbindung zwischen Pin-Pad und Smartphone herzustellen, erklärt Jach. Besucher sollen über einen QR-Code oder eine URL auf ihrem Handy auf eine eigens konzipierte Webseite weitergeleitet werden. Dort tragen sie künftig zum Beispiel ihren Namen und ihre Telefonnummer ein. Sekunden später erhalten sie einen Zahlen-Code, den sie in das Pin-Pad eintippen - schon sind die Kirchentüren entriegelt. "Eine moderne technische Lösung, die eine deutlich höhere Flexibilität ermöglicht und hoffentlich auch jüngere Menschen anlockt", so Jach.

Das elektronische Schließsystem ist nicht neu. Mit dem Handy öffnen Menschen heute schon täglich ihre Hoteltüren. Beim Car-Sharing mieten Nutzer das Auto über eine App auf ihrem Handy. Sie erhalten vom Anbieter einen Datensatz, also einen virtuellen Autoschlüssel, mit dem sich das Auto öffnen und der Motor starten lässt. Auch die Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) will ihre Kirchen multimedial ausrüsten. Überlegungen dazu hat die EKBO in einem Handbuch festgehalten.

Pfarrer Thomas Zeilinger, der sich für die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern mit Ethik im Dialog mit Technologie und Naturwissenschaft beschäftigt, begrüßt den Berliner Pionierversuch. "Die evangelische Kirche ist Menschen gegenüber einladend und nicht verschlossen, und das sollten die Kirchengebäude auch sein", sagt Zeilinger. "Gerade in einer Zeit, in der das Leben vielerorts laut tönt, suchen die Menschen Einkehr und Besinnung." Kirchen könnten Menschen diesen Rückzugsort rund um die Uhr bieten.

Ob Besucher künftig auch nachts in die Kirche auf Nikolskoe gelangen können, hat die evangelische Kirche St. Peter und Paul noch nicht entschieden. Rein technisch wäre es möglich, dass Besucher mit dem Pin-Pad rund um die Uhr in die Kirche kommen. Das Kuratorium der Kirche kann die Türöffnung via Smartphone allerdings auch zeitlich beschränken.

St. Peter und Paul wurde in den 1830er Jahren erbaut. Mit den Einbau des neuen Türschlosses ist auch geplant, am Anbau der Kirche ein kleines Besucherzentrum zu errichten. Es soll Barrierefreiheit gewährleisten und etwa durch eine Glastür die Sicht in die Kirche ermöglichen.

Die Schließanlage der Kirche auf Nikolskoe soll Name und Telefonnummer der Besucher abfragen. Das ist Pflicht, um den Zutritt technisch zu ermöglichen und um vor Vandalismus zu schützen. Bedenken äußert Zeilinger, sobald das System erfasse, wer die Kirche zu welchem Zeitpunkt besucht. Der Theologe fürchtet, dass die Speicherung einen wesentlichen Charakterzug der Kirche gefährde: Schutzsuchenden anonym einen Zufluchtsort zu gewähren. "Die Kirche ist für die Menschen ein Ort des Vertrauens." Die Gläubigen kämen seit Kinderjahren in die Kirche, um sich dort mit all ihren Ängsten und Sorgen zu öffnen. "Daraus erwachsen besonders hohe Erwartungen an Kirchengemeinden", betont Zeilinger.

Dass Kirchen künftig deutschlandweit mit einem elektronischen Schließsystem ausgerüstet sind, hält Jach für realistisch. Die Kirchenöffnung via Smartphone eigne sich aktuell aber vor allem für Kirchen, die einen historischen Wert haben oder in der breiten Masse bekannt sind und daher mehr Besucher anziehen. Die in den 1830er Jahren erbaute St. Peter und Paul Kirche auf Nikolskoe ist Teil des UNESCO-Weltkulturerbes und liegt am Wannsee.