Welt ging verloren: Ein Advent im Angesicht des Todes

Illustration: evangelisch.de/Simone Sass
Welt ging verloren: Ein Advent im Angesicht des Todes
Ein theologischer Kommentar zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt
Nach dem Advent kommt Weihnachten. Aber was kommt, wenn mitten im Advent das Böse hereinbricht und eher da ist als Weihnachten? Was heißt es, wenn wir im Weihnachtslied "O du fröhliche" singen: Welt ging verloren, Christ ward geboren?

Was in Berlin geschehen ist, war wie ein "böser Advent", eine Perversion dessen, was der Advent bedeuten sollte. Wir lebten unser Leben so fröhlich und vorweihnachtlich beseelt, wie es eben ging. Die Welt war immer noch so einigermaßen in Ordnung, doch alle ahnten es, manche warteten mit Bangen auf diese Nacht, in der das Böse endgültig in unsere Mitte brechen würde. Wie oft würden wir noch wach werden, bis es so weit ist? Dieser perverse Advent ist gestern zu Ende gegangen. Es ist erschienen, worauf wir gewartet haben.

Es ist dringend an der Zeit, dass wir im echten, im richtigen Advent leben. Wer Advent richtig versteht, wird sich Weihnachten in diesem Jahr ganz besonders herbeiwünschen und feiern wollen. Denn Weihnachten ist nicht einfach das Fest der Liebe. Es ist vielmehr das Fest der Liebe im Angesicht einer Welt voll Hass, Gewalt und Tod.

"Welt ging verloren, Christ ist geboren. Freue dich, o Christenheit". Das sind Worte aus "O du fröhliche", dem wohl meistgesungenen Lied in deutschen Weihnachtsgottesdiensten. Diese Worte machen deutlich, was wir eigentlich feiern, wenn es Weihnachten wird. Gott kommt in die Welt, weil sie am Boden liegt. Darum darf Advent nicht bedeuten, sich auf das Schlimmste gefasst zu machen. Advent muss bedeuten, genau zu wissen, wie schlimm es ist und trotzdem auf das Gute zu hoffen.

Weihnachten ist das Versprechen, der Anstoß, dass es gut wird

Advent bedeutet Aushalten, Ausharren bis es Weihnachten wird. Und wenn es dann kommt, dann feiern wir den wichtigen Umschwung von der Dunkelheit ins Licht, von Hass zu Frieden auf Erden. Doch auch dann ist noch Vorsicht geboten, denn Weihnachten bricht eben nicht herein wie der Tod auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin. Es ist lediglich der Übergang, das Wissen mitten in der Nacht, dass es hell werden wird. Weihnachten ist das Versprechen, der Anstoß, dass die Zeiten sich ändern werden. Die Rettung ist ausgesprochen verletzlich. Direkt nach der Geburt Jesu geschieht ein Massaker. Herodes, die Marionette der römischen Besatzungstruppen im Land, wittert einen Konkurrenten, und lässt kurzerhand sämtliche Kinder von Null bis zwei Jahren in Bethlehem und Umgebung ermorden. Josef, Maria und Jesus können sich nur als Flüchtlinge retten.

Wir haben Weihnachten so nötig wie selten

Die Rettung, die zu Weihnachten geschieht, ist fragil, und dennoch ist sie da. Wir können, wir sollen sogar mit dem Besten rechnen. Wer mit dem Bösen rechnet, macht ihm Raum im eigenen Herzen. Er läuft Gefahr, sich in einer Scheinwelt einzuigeln, die ihm Geborgenheit vorgaukelt. Wer auf den nächsten Anschlag hinfiebert, wird gleichzeitig überall Vorzeichen erkennen. Er wird anderen gegenüber misstrauisch werden, und sich noch weiter zurückziehen. Weihnachten aber will unseren Blick für die Rettung schärfen. Wer mit der Rettung rechnet, wird auch ihre Vorzeichen erkennen können: In einem kleinen Kind in einer verwahrlosten Unterkunft oder in einem Lächeln, das einem unverhofft geschenkt wird. All das rettet die Welt nicht, aber es sind die Vorboten.

In diesem Jahr können wir Weihnachten in vollem Bewusstsein feiern, wie nötig wir es haben.