TV-Tipp: "Ein starkes Team: Nathalie" (ZDF)

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TV-Tipp: "Ein starkes Team: Nathalie" (ZDF)
24.9., ZDF, 20.15 Uhr: "Ein starkes Team: Nathalie"
Zum ersten Mal in der langen Geschichte des Krimiklassikers "Ein starkes Team" ist eine Episode nach einer der mitwirkenden Figuren benannt, und das völlig zu recht: Die Titelheldin sorgt dafür, dass der Film unter den bislang 67 Episoden der Reihe eine herausragende Position einnimmt.

"Nathalie" beginnt mit einem Überfall. Kaum haben sich die Mitglieder des "Starken Teams" nach ihren Übungen auf einem privaten Schießstand auf den Heimweg gemacht, dringen drei vermummte Gestalten ins Gebäude ein, um Waffen und Munition zu rauben, und ermorden den Schießmeister. Doch es gibt einen Zeugen: Ben Kolberg (Kai Lentrodt) musste noch aufs Klo; und er hat die einzige Frau im Trio erkannt. Der rasant inszenierte Raubmord ist nur der Auftakt zu einer hochklassig umgesetzten und durchgehend fesselnden Geschichte, die Kolberg an den Rand seiner Loyalität führt: Die Frau ist seine Jugendliebe Nathalie (Peri Baumeister), aber das behält er zunächst für sich. Er findet raus, wo Nathalie lebt, läuft ihr "zufällig" über den Weg und überredet sie zum Barbesuch; kurz drauf landen sie in seinem Bett. Dass er Polizist ist, verschweigt er ihr.

Allein diese Idee ist schon reizvoll, aber zu einem klasse Krimi wird "Nathalie" durch das Dilemma, in das sich der Kommissar manövriert hat: Es ist klar, dass das Trio ein großes Ding plant. Deshalb soll Kolberg, der die Kollegen Wachow und Garber (Stefanie Stappenbeck, Florian Martens) sowie seinen Chef (Arnfried Lerche) schließlich doch noch eingeweiht hat, an der Frau dranbleiben. Die Identität des zweiten Mannes ist rasch geklärt, denn Niko (Marc Hosemann) ist Nathalies eifersüchtiger Freund. Seine Spannung bezieht der Film daher aus den Fragen, was die drei mit den erbeuteten Waffen vorhaben und wer der Dritte im Bunde ist. Dass es sich bei dem Mann um den scheinbar harmlosen Nachbarn des Mordopfers handelt, ahnt man früh; umso verblüffender ist seine Verwicklung in den geplanten Coup.

Jürgen Pomorin hat unter dem Künstlernamen Leo P. Ard gemeinsam mit seiner verstorbenen Lebensgefährtin Birgit Grosz eine Vielzahl von Drehbüchern für "Ein starkes Team" geschrieben. Neben seiner Geschichte zeichnet sich "Nathalie" vor allem durch die Inszenierung aus. Der für TV-Produktionen wie "Der Tunnel", "Dresden" oder "Mogadischu" mit allen möglichen Fernsehpreisen geehrte Roland Suso Richter übernimmt nur ganz selten die Regie von Reihenkrimis, setzt dabei aber stets besondere Akzente (etwa bei "Spreewaldkrimi: Feuerengel" oder bei "Spiel auf Zeit", einem "Tatort" aus Stuttgart). Richter ist bekannt dafür, sehr visuell zu arbeiten; auch bei "Nathalie" ist die Bildgestaltung bemerkenswert. Kameramann Stefan Unterberger hat mit ihm zuletzt "Grzimek" gedreht und versieht die Aufnahmen hier mit einem leichten Blaustich, was die Bilder sehr kühl wirken lässt. Seit der Mitwirkung der sehr blauäugigen Stefanie Stappenbeck spielt die Farbe gerade auch bei Ausstattung und Kostüm ohnehin eine große Rolle. Diesmal ist Kolberg der einzige in Blau, die Kollegen tragen schwarz; schon allein dieses schlichte Element unterstreicht die exponierte Rolle, die Lentrodt in diesem Film innehat.

Die große Kunstfertigkeit des Drehbuchs besteht in der nie konstruiert wirkenden Verflechtung der verschiedenen Ebenen

Damit Kolbergs unorthodoxes Verhalten nachvollziehbar ist, war es natürlich entscheidend, eine angemessene Darstellerin für die Titelrolle zu finden. Peri Baumeister, die 2013 mit ihrer ersten größeren TV-Rolle in dem Drama "Ein weites Herz - Schicksalsjahre einer deutschen Familie" (ZDF) ein kräftiges Ausrufezeichen gesetzt hat und 2015 als Hauptdarstellerin in der Komödie "Herbe Mischung" glänzte, ist die perfekte Wahl für die Besetzung dieser attraktiven Frau, die Kolberg den Kopf verdreht: Ihre Mischung aus Kühle, Leidenschaft und später Schutzbedürftigkeit ist unwiderstehlich. Natürlich darf Nathalie keine hartgesottene Gangsterbraut sein, sonst würde die romantische Ebene nicht funktionieren. Tatsächlich entsprechen sie und ihre beiden Kompagnons keineswegs dem Bild des typischen Kapitalverbrechers; das hindert ihren Freund Niko allerdings nicht daran, einen Mitwisser kaltblütig aus dem Weg zu räumen.

Die große Kunstfertigkeit von Ards Drehbuch besteht in der nie bemüht oder konstruiert wirkenden Verflechtung der verschiedenen Ebenen; die Geschichte bleibt lange undurchschaubar, ohne dabei angestrengt unübersichtlich zu sein. Zu allem Überfluss wird Nathalie auch noch von zwei zwielichtigen Gestalten (Bernd Michael Lade, Sven Hönig) verfolgt, die es aber eigentlich auf ihren Freund abgesehen haben: Niko hat einen Haufen Spielschulden. Die verschiedenen Handlungswendungen sind plausibel und meist clever eingefädelt. Auch der neue Job von Garbers Ex-Kollege Sputnik (Jaecki Schwarz) ist integrierter Teil der Geschichte: Kolberg und Nathalie treffen sich in Sputniks Nepal-Lokal und werden dabei von Wachow und Garber beobachtet. Mit dem gleichen Geschick sorgt Ard dafür, dass sich die emotionale Spannung des romantischen Erzählstrangs und die Thrillerebene gegenseitig hochschaukeln: Niko findet raus, dass Nathalie ausgerechnet einen Polizisten als Ersatz für den aufgeflogenen dritten Mann engagiert hat.

Wie gut der Film ist, zeigt sich nicht zuletzt an einem Luxus, den sich Ard und Richter leisten können: Florian Martens, der Star der Reihe, und die längst ganz selbstverständlich an seiner Seite agierende Stefanie Stappenbeck spielen nur Nebenrollen. Garber hat immerhin einen coolen Auftritt, als er sich scheinbar an einer Pokerpartie beteiligt und als Einsatz seinen Dienstausweis auf den Tisch legt. Komödiantische Momente, früher ein Markenzeichen von "Ein starkes Team", fehlen dagegen völlig. Dank der guten Musik (Matthias Klein), die sich nie in den Vordergrund drängt, haben selbst die romantischen Szenen ein Krimivorzeichen. Auch deshalb ist klar, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen kann; trotzdem sorgen Buch und Regie zum packenden Finale, das mit einem schmerzlich-schönen Schlussbild endet, noch mal für eine Überraschung.