Fressnapf und Duschkopf

Fressnapf und Duschkopf

Kai Diekmanns Rückkehr aus dem Silicon Valley nach Berlin wird hier und da zur Kenntnis genommen. Ebenso eine Doktorarbeit über die Reform der Rundfunkfinanzierung. Thomas Tumas ContraQuote-Essay erfährt Widerspruch. Thomas Gottschalk teilt mit, er habe nicht Fressnapf gesagt, um "Fressnapf" zu erwähnen. Und Stefan Raab hat einen neuen Duschkopf erfunden.

Bei kress.de konnte man dieser Tage den Eindruck bekommen, Kai Diekmanns Bemühungen hätten ihre Wirkung verfehlt. Bild-Chefredakteur Diekmanns neues Image geht ja seit einiger Zeit als größere Geschichte durch; Wolfgang Michal weitergedacht, der kürzlich die Agenden von Analog- und Digitalkultur verglich und feststellte, dass die Vorgänge beim Suhrkamp-Verlag im Grunde jede Print-, aber keine Online-Redaktion beschäftigten, könnte man sagen: Kai Diekmann ist das Suhrkamp der Medienbranchendienste und Medienseiten. Und jedenfalls trug er auf dem bei kress.de gezeigten Foto noch die Haare. Die alte Frisur, als wäre er immer noch vor allem Bild-Chefredakteur und kein pullovriger Medienprophet.

"Von Palo Alto nach Berlin: Diekmann vor der Rückkehr in ein 'großes Experiment'", lautete die Überschrift zum entsprechenden Artikel bei kress.de. Diese Rückkehr, ein Teil der Gesamtsaga, ist die meisterzählte Geschichte heute oder zumindest der Anlass für diverse Artikel: Chefredakteur der größten deutschen Zeitung war ein Jahr im Silicon Valley, jetzt kommt er zurück und will die Erkenntnisse, die er gewonnen hat, umsetzen. Ebenfalls Thema ist die Digitalinnovation-PR des Springer-Verlags.

Die Süddeutsche Zeitung bringt heute auf der Medienseite einen Aufmachertext, der die Geschichte vom Diekmannschen Imagewandel fortschreibt, die zuerst vom Spiegel erzählt worden war (Altpapier). Nicht gut weg kommt darin der deutsche Bedenkenträger als solcher, der an diesem Montag ausnahmsweise einmal nicht bei der ARD sitzt, sondern im zumindest vergleichsweise fortschrittlichen Springer-Verlag:

"Am Donnerstag ist der Bart kürzer geworden, Diekmann trägt zum ersten Mal seit Monaten wieder eines seiner blauen Hemden. Beginnt nun also wieder die Rückabwicklung, die Papierwerdung des Bild-Chefs? 'Das war das schnellste Jahr meines Lebens. Die große Herausforderung ist es, etwas von dieser Begeisterung hier in den großen Apparat zu tragen, sodass eine Veränderung beginnt', sagt Diekmann. Der Apparat, das ist die große Bild-Redaktion und der noch größere Springer-Verlag",

schreibt Bernd Dörries, der NRW-Korrespondent der SZ, der demnach – reine Vermutung – wegen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, deren Begegnung mit Diekmann auch vorkommt, nach Kalifornien gereist sein dürfte. Die Frage, die sich nach Lektüre von SZ und kress.de aufdrängt, ist: Wie trägt Kai Diekmann nun seine Haare? Andererseits ist nichts so egal wie das. Aber halt nur andererseits.

Der Tagesspiegel fasst Diekmanns USA-Aufenthalt knapper zusammen, wobei dessen neues Image im Satz "Gegangen als Pilger, kommt der 48-Jährige als Missionar zurück" zusammengefasst wird. Danach geht es um die bald kommende Bild-Paywall (Altpapier), die natürlich nicht so heißt. Über zu geringe Aufmerksamkeit für ihr neues Produkt werden sich die Strategen im Axel-Springer-Verlag kaum beklagen können.

Das ist vielleicht auch Stefan Niggemeier aufgefallen, der eben noch beim Spiegel war und jetzt, unter anderem, wieder für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schreibt. Darin füllte er die Medienseite mit der Ansage, man solle dem Springer-Verlag und seiner Digital-Inszenierungsstrategie (wobei dieses Wort aus seinem Blog stammt) nicht auf den Leim gehen. Wobei sich Niggemeier zunächst vor allem gegen Jakob Augsteins Text (Altpapier) aus dem Freitag, für den ich frei arbeite, richtet ("Ganz gleich, was man sonst von dem Haus halten mag, beim Bezahlmodell muss man ihm Glück wünschen. Der Erfolg von Springer wird der Erfolg des ganzen deutschen Journalismus sein"). Niggemeier:

"Es ist ein rührend naiver Glaube, dass die 'Bild'-Zeitung, weil sie diese Riesenreichweite hat, einen Kulturwechsel auslösen könnte, der die Menschen mit einem Mal sagen lässt: Ja, ach so, Journalismus, stimmt, dafür sollten wir auch online bezahlen; besser ist das, für uns, den Journalismus, die Demokratie, dann hol ich mir zum 'Bild'-Digitalabo jetzt auch das 'Freitag'-Digitalabo. Jedes Medium wird eigene Modelle finden müssen, sich in der digitalen Welt zu finanzieren, eigene Argumente und Angebote, wenn es seine Leser überzeugen will, dafür zu zahlen."

####LINKS####

+++ An jenem Montag im März, an dem der Spiegel das erste große Diekmann-Porträt druckte, wurde auch Anna Terschürens Doktorarbeit erstmals thematisiert, ebenfalls im Spiegel; Terschüren ist eine NDR-Mitarbeiterin, die über die "Reform der Rundfunkfinanzierung in Deutschland" promoviert hat. Anders als damals erfahren wir nun, bei Spiegel Online, aber unter Nutzung von Printpersonalressourcen, in welchem Fach die Arbeit entstanden ist: interdisziplinär "in den Bereichen Rechts- und Wirtschaftswissenschaften". Die Arbeit wird nun wieder aufgegriffen, außer von Spiegel Online auch ausführlich vom Tagesspiegel. Wobei hier wie da das journalistisch weniger gut Abgehangene bei aller Kritik daran, wie die Öffentlich-Rechtlichen an ihre Gelder kommen und wie sie ihre Aufträge erfüllen (nämlich natürlich nicht so gut, wobei Terschüren hier auch – das ist, journalistisch betrachtet, relativ überraschend, das Deutschlandradio einschließt), jeweils ganz am Schluss kommt und kaum noch Raum in der Berichterstattung einnimmt. Joachim Huber im Tagesspiegel:

"Eine Reform der Reform muss her, schreibt Terschüren. Sie plädiert für eine Steuerfinanzierung. Damit würde die jeweilige wirtschaftliche Leitungsfähigkeit Bemessungsgrundlage, das Regelwerk zur Befreiung oder Staffelung könnte entfallen, ebenso der Aufwand bei den Anstalten wie auch der Beitragsservice."

Die ganze Arbeit stünde dann bei Bedarf hier.

+++ Was hier auch noch hingehört, ist Ranga Yogeshwars Erwiderung auf Thomas Tumas letzte Woche abgedruckte Polemik gegen ProQuote im Spiegel (Altpapier). ProQuote ist ein Verein, der eine 30-prozentige Frauenquote auf der Führungsebene im Journalismus fordert; seine Vorsitzende ist Spiegel-Redakteurin. Es geht u.a. um die Frage, ob man sich als Journalist mit einer Sache gemein machen darf oder, wie Hanns Joachim Friedrichs einst behauptete, nicht. Horden von Praktikern beantworten diese Frage Tag für Tag bei vollem Bewusstsein anders als Friedrichs. Yogeshwar, selbst Mitglied bei ProQuote, schreibt nun:

"Der begnadete weiße Chefjournalist Friedrichs und auch der Essayverfasser Thomas Tuma (...) haben nie in ihrer Karriere nur wegen ihres XY-Chromosomenpaars vor einer Mauer gestanden. Ja, ich verstehe nur allzu gut die Medienfrauen von ProQuote, die anno 2013 im aufgeklärten Deutschland endlich ihre Stimme erheben und ihren Platz einfordern. Wer, bitte schön, soll es sonst tun? Und wie schmerzlich muss es für sie sein, wenn Kollege Tuma in seinem Essay Sätze wie den folgenden schreibt: 'Sie sind bei ihrer Vereinsarbeit nicht nur einseitig Partei. Sie sind es leider aus einem schlichten Beweggrund: Eigeninteresse, das sie geschickt als gesellschaftliche Relevanz inszenieren.' Schlägt hier Geringschätzung in Neid um?"

Wobei auch und gerade Wolfgang Michals Reaktion bei Carta auf Tumas Text lesenswert ist. Kurzzusammenfassung: Tuma warf ProQuote etwa vor, ihre Vorsitzende würde von anderen Frauen interviewt wie eine DDR-Staatsratsvorsitzende von einer Mikrofonhalterin des Staatsrundfunks. Michal schrieb darauf über Tuma:

"Gerade er als Wirtschafts-Ressortleiter (und ehemaliger Medienjournalist) weiß ja, wie wahnsinnig kritisch und furchtlos nachhakend männliche Wirtschaftsredakteure sind, wenn sie Vorstandsvorsitzende interviewen oder porträtieren. Wie sie Mannesmut vor Königsthronen beweisen und Matthias Döpfner oder Josef Ackermann erbarmungslos ins Kreuzverhör nehmen."

Tuma darauf im Spiegelblog:

"Wirken da Männer-Seilschaften? Ich habe da meine Zweifel, halte das trotzdem für durchaus diskutierenswert, aber dann bitte breit und nicht nur auf Wirtschaftsberichterstattung bezogen."

Michal darauf:

"Das einzige, was mich wirklich überzeugen würde, wäre eine Gegenüberstellung: ein Vergleich der Interviews und Porträts, die von ProQuote-Mitgliedern mit Frauen in Führungspositionen gemacht wurden, und solchen, die von weiblichen ProQuote-Nicht-Mitgliedern gemacht wurden. Als dritte Kontrollgruppe würde ich noch die männlichen Journalisten einbeziehen. Wenn es dann tatsächlich signifikante Unterschiede in der Herangehensweise gäbe, hätten Sie mich überzeugt. Welcher Medienwissenschaftler möchte das bitte im Rahmen seiner Gender-Studien übernehmen?"

Ein Themenvorschlag, der hiermit weitergeleitet sei.


ALTPAPIERKORB

+++ Thomas Tuma schreibt im aktuellen Spiegel über Stefan Raabs Duschkopf, einen Duschkopf, mit dem es möglich sei, zu duschen, ohne dass der Kopf nass wird. Auch Raabs letzte Innovation hat Tuma angekündigt, damals mit einem konfrontativen Interview. Die Frage, die sich Medienjournalisten stellt, ist, ob der Duschkopf es zu "TV Total" schafft. Wenn ich das richtig deute, hat er das Patent mit einem Stefan Bruckmann eingereicht +++ Es gibt eine Gegendarstellung von Thomas Gottschalk (der in der ganzen Geschichte seine Rolle hat, siehe Carta) im Spiegel zu dieser Geschichte: Er habe keineswegs "Fressnapf" gesagt, um den Namen des Unternehmens "Fressnapf" zu erwähnen +++

+++ Nochmal der Spiegel: Der Bundesnachrichtendienst hat in den Fünfzigern und Sechzigern Journalisten als Informanten angeworben, und nun musste er erstmals deren Namen nennen: "Dass der Dienst nun Quellen offengelegt hat, liegt auch an der Ankündigung einer Klage durch den Spiegel-Verlag. Bei Recherchen zur Spiegel-Affäre 1962 hatte die Redaktion entdeckt, dass der Geheimdienst nach eigenen Angaben mehrere 'geheime Linien' in das Magazin gelegt hatte. Der Spiegel verlangte vom BND, die Verräter beim Namen zu nennen und Details zu offenbaren" +++ Willi Winkler schreibt dazu in der SZ: "Der BND hat jetzt erstmals gegenüber dem mitbetroffenen Spiegel zugegeben, dass er seine Leute auch in den unterschiedlichsten deutschen Redaktionen implantieren konnte. Mit nur fünfzehn Jahren Verzögerung wird damit bestätigt, was Erich Schmidt-Eenbohm in seinem Buch Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten offengelegt hatte." Die guten Kontakte des BND zur Presse seien bekannt, "legendär" etwa sei "das freundschaftliche Porträt, das die damalige Zeit-Politikredakteurin Marion Gräfin Dönhoff 1963 über den BND-Chef Reinhard Gehlen fabrizierte". Winkler: "Nun steht es jedem Spionage-Unternehmen frei, alles Mögliche auszukundschaften, doch darf der Auslandsgeheimdienst BND nicht im Inland ermitteln" +++

+++ Im Tagesspiegel-Interview ordnet Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen die "heute show" u.a. ein – unter den Aspekten Medienkritik, falsch verstandenes Aufmerksamkeitsstreben und Entkernung von Politik +++

+++ Wer folgt Tom Buhrow bei den "Tagesthemen"? Fragte die Berliner Zeitung, fragt der Spiegel. Letzterer nennt Ingo Zamperoni favorisiert, aber mit einer Tendenz zu "Man wird sehen", während die Berliner Zeitung gleich bei "Man wird sehen" bleibt. Interessant ist das wegen des Postengeschachers zwischen den ARD-Anstalten: Buhrow könnte als "Tagesthemen"-Moderator anders entscheiden als als WDR-Intendant. Dass Buhrows derzeitiger Status "Vollblutjournalist" in der FAS von wiederum Stefan Niggemeier angezweifelt wird, soll nicht unerwähnt bleiben +++

+++ Der Medienjournalist und v.a. Fernsehkritiker Hans Hoff, der von seinen neuen Auftraggebern von DWDL lustigerweise als "der Hoff" angekündigt wird, hat ebendort seine erste Kolumne abgeliefert. Man wünscht viel Erfolg +++ Bei Carta schreibt Christian Sickendieck: "Ich als Leser muss dem Journalisten, dem Medium vertrauen können. Und an diesem Punkt lässt sich die gesamte Misere der Medien festmachen: Nicht das Internet ist schuld an den Schwierigkeiten der Zeitungen, Zeitschriften und Magazine. Der Hauptgrund ist der unfassbare Vertrauensverlust in den letzten Jahren, den die Medien selbst zu verantworten haben" +++

+++ Und zum Fernsehen: Dieter Nuhr bekommt sein verdientes Fett weg im Spiegel. "Vordergründig gibt er den Anti-Hildebrandt. Tut so, als unterliefe er die moralinsauren Regeln des Kabaretts. In Wahrheit lässt er selbst bloß Moralin ab, statt linksdrehendem eher rechtsdrehendes" +++ Rezensionen: "Billig. Billiger. Banane", die taz über eine ARD-Doku +++ Und die FAZ über eine Fußballdoku von Aljoscha Pause über "Trainer!", die auch so heißt (WDR, 22.45 Uhr) +++

Das Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

weitere Blogs

Wozu Notre Dame wieder aufbauen? Lego ist doch viel günstiger...
Die Generalkonferenz der Methodist:innen hat vor Kurzem die diskriminierenden Regelungen gegenüber queeren Menschen aufgehoben. Katharina Payk traf zwei spannende Vertreter der methodistischen Kirche zum Gespräch über die gegenwärtigen Kämpfe und die Zukunft in der weltweiten Freikirche.
… von monumentalen Skills, die nicht zählen.