Fuchs und Henker

Fuchs und Henker

Bertelsmann will die Sperrminorität der Jahr-Familie bei Gruner+Jahr loswerden. Gruner+Jahr ist eine Zeitschrift namens Seasons los. Der MDR hat Bernd Hilder dagegen wieder "an der Backe".

Manchmal muss es schwerstes Gerät sein:

"Teile und herrsche: Europas größter Medienkonzern will sich durch ein Tauschgeschäft die Hamburger Verlagsgruppe Gruner+Jahr komplett einverleiben, berichtet der bestens vernetzte Klaus Boldt im 'manager magazin'."

Also: imperial-lateinisches Zitat (auf Deutsch) und dahinter Superlativ ("größte") und Raunerei ("bestens vernetzte"). Kommt von: Markus Gärtner auf turi2.de, dem beliebten Mediennewsaggregatorendienst.

Und, why not, die Nachricht hat ja auch was, hier der Teaser fürs Manager Magazin von Klaus Boldt himself:

"Derzeit verhandele Vorstandschef Thomas Rabe (47) mit Vertretern der Familie Jahr um einen Tausch von deren G+J-Anteil in Höhe von 25,1 Prozent gegen eine Beteiligung an Bertelsmann selbst... Wie es in Unternehmenskreisen heißt, strebe die Familie Jahr einen Bertelsmann-Anteil von mindestens 5 Prozent an. Zuvor hatte die BHF-Bank ein Gutachten vorgelegt, wonach der Wert des jahrschen G+J-Pakets knapp 4 Prozent an Bertelsmann entspräche."

Man kann das aber offenbar auch unaufgeregter fahren. Die SZ (Seite 31) zum Beispiel schreibt eine Meldung, die in den Übernahme-Gerüchten Bertelsmanns Wunsch nach Schalten und Walten ohne Sperrminorität nachvollziehen kann, um dann mit einem launigen Zweifel aufzuwarten:

"Warum die Familie Jahr das Modell attraktiv finden sollte, erschließt sich allerdings nicht."

Argumentative Unterstützung kommt von der Berliner, die online nur einen wirtschaftshumorlosen Agenturbericht gestellt hat:

"Im ersten Halbjahr 2012 ging das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) um rund 14 Prozent auf 506 Millionen zurück. Dem Gewinnanstieg im deutschen TV-Geschäft hätten schwache Werbemärkte in anderen Ländern und höhere Investitionen ins Programm entgegengestanden."

Wobei man den Informationsgehalt von solch nüchternen Beiträgen nicht unterschätzen sollte. Das Wirken von Bertelsmann-Chef Thomas Rabe wird gewürdigt:

"Gerade erst hat der Medienriese seine Rechtsform geändert, um Geld für große Einkäufe zur Verfügung zu haben. Die Macht der Eigentümer ist dabei gesichert. Die bisherige Bertelsmann AG firmiert ab sofort als Bertelsmann SE & Co. KGaA, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien."

In der Zeitung (Seite 26) schreibt Ralf Mielke dagegen in Kenntnis des Boldt-Texts, warum die Jahr-Familie Interesse an dem Deal haben könnte:

"Für die Jahrs ergäbe ein Verkauf Sinn, weil der Wert von Gruner+Jahr in den vergangenen Jahren gesunken sei und ein weiterer Verfall nicht ausgeschlossen, es geht angeblich um 200 Millionen Euro pro Jahr. Bertelsmann-Anteile sind dagegen stabil bis im Wert steigend."

Vielleicht findet die SZ in der nächsten Zeit noch ein schönes Gegenargument heraus. Schön ist jedenfalls auch der Halbsatz aus Claudia Tieschkys Beitrag zum Einstellung einer Zeitschrift:

"Der kurze Atem bei Season könnte aber auch mit dem Erfolg von Couch zu tun haben."

Den kurzen Atem hatte G+J, was ein wenig erklärt, warum sich Bertelsmann etwas vom alleinigen Bestimmen über das prekäre Printgeschäft versprechen könnte.

Gleichzeitig, und deshalb ist der Satz so schön, zeigt er die konkrete Poesie dieser anemotionalisierten Zeitschriftentitel, die dann aber immer so einem leicht reizbaren wirtschaftlichen Kalkül gehorchen müssen. Der Überdruss an Instant-Marken, die viel versprechen wollen, aber sich rasch beweisen müssen, ist vermutlich nur vergleichbar mit der nicht enden wollenden Suche der ARD nach etwas Solidem im Vorabendprogramm.

David Denk schimpft äußert sich in der TAZ zum wiederholten Male kritisch über die Regionalkrimifranchisierung im Fernsehen:

"Pate für diesen Irrsinn stand natürlich die ARD-Jahrhundertidee, regional verankerte Schmunzelkrimis unter der Dachmarke "Heiter bis tödlich" zu etablieren. Trotz mittelprächtiger Quoten geht der Irrsinn (Wortwiederholungen sind dem Thema angemessen) heiter weiter. Nächste Woche könnte ich mir - wenn ich nicht schon unaufschiebbar verabredet wäre - in der thüringischen Landesvertretung in Berlin 'Akte Ex' angucken, den jüngsten Streich aus der Reihe, der am 18. September startet, nach 'Nordisch herb', 'Henker & Richter', 'Hubert & Staller', 'Morden im Norden', 'München 7' und 'Alles Klara'. Einer Ausstrahlung harren noch 'Fuchs und Gans' und 'Hauptstadtrevier'. Vergangene Woche Dienstag begannen in Aachen die Dreharbeiten zu "Zwischen den Zeilen". Zehn (!) Serien aus einer Idee – das ist so effizient wie bodenlos einfallslos."

####LINKS####

Spaßvögel könnten anmerken, dass es im Gegenteil einigen Einfallsreichstums bedarf, um eine Idee zehnmal zu variieren, ohne dass das wie in der Musik nach Variation aussehen darf. Alles in allem ist man angesichts eines solchen Programmangebots aber froh, dass das es diese fragmentierten Zielgruppen und zeitversetzte Sehen gibt und man selbst nicht mehr auf dem Schulhof die Kärrnerarbeit der Binnendifferenzierung leisten muss: "Haste gestern 'Modisch Nord' gesehen?" – "Ne, ich find 'Hubert und Staller' viel straffer als 'Fuchs und Elster'. – 'Alles Klärchen'."

Kurz: wer soll das eigentlich noch auseinanderhalten?

Womöglich geht es beim Fernsehen der Zukunft aber gar nicht ums Auseinanderhalten, sondern ums Ineinanderfließen. Kurt Sagatz malt im Tagesspiegel in einem umfangreichen Text die Zeit (nach der Funkausstellung) aus, wenn Google TV in Deutschland Computer und Fernsehen verschmelzen will:

"Zu den kostenpflichtigen Angeboten kommen die Mediatheken der TV-Sender, so sie nicht dem Beispiel einiger amerikanischer Networks folgen, die nach dem Start von Google TV in den USA vor gut zwei Jahren ihre Angebote für diese Plattform sperrten. Auch in Deutschland sitzt die Angst der Sender vor den neuen Konkurrenten aus der IT-Ecke tief. Auch medienpolitisch werfen Geräte wie Google TV ganz neue Fragen auf."

Der "aufsplitternde TV-Markt" stellt auch RTL vor neue Herausforderungen, wie am Rande eines Portraits in der FTD verlautet, das Anke Schäferkordt gewidmet ist, die bei der gestrigen Pressekonferenz first time als Chefin der ganzen RTL Group auftrat.

"Schäferkordt schwenkt um: 'Das Wachstum wird vom Start neuer Sender kommen', sagt sie. RTL geht deshalb nun europaweit mit mehreren neuen kleinen Sendern mit spitzen Zielgruppen ins Rennen. TV-Inhalte seien der Haupttreiber für On-Demand-Plattformen, meint Schäferkordt."

Das gibt zu denken (während ein FAZ-Wirtschaftstext, Seite 18, vor allem die Ämterhäufung von Schäferkordt beschreibt und die Zusammenarbeit mit dem einstigen Konkurrenten Guillaume de Posch an der Spitze). Der gesamte Innovationsdruck von Verlagen und Öffentlich-Rechtlichen wird sich also in eigene Kanäle entladen: Couch TV, Season Channel, Hubert Henker 5, Fuchs TV. Seufz


ALTPAPIERKORB

+++ Mit dem möchte man als natural born Miesepeter sofort tauschen: Sky-Deutschland-Chef Brian Sullivan ist im HB-Gespräch mit Joachim Hofer und Hans-Peter Siebenhaar voll gut drauf. Befragt zu den Bundesligarechten, die sich Sky für 486 Millionen jährlich ("Wir hätten auch noch mehr bezahlt") für fünf Jahre gesichtert hat: "Die lange Laufzeit ist ja das Schöne. Wir können jetzt die nächsten fünf Jahre exakt planen und wissen genau, welche Kosten und welche Rechte wir haben. Das ist für ein börsennotiertes Unternehmen von großem Nutzen." So geht das die ganze Zeit. Great. +++

+++ Bundesliga ist ja wieder: Nico Schmidt diskutiert im Tagesspiegel die Saisonhefte durch, von denen es auch einige gibt: "Um wirtschaftlich rentabel zu sein, müssen die Verlage ihre Zeitschrift früh an den Kiosk bringen, dafür müssen sie auf Aktualität verzichten. Auf den Mannschaftsfotos fehlen Nationalspieler, Kaderlisten sind unvollständig. Unter diesen finden sich in den Sonderheften freie Zeilen – der Fan kann hier die Daten der Spieler eintragen, die nach Redaktionsschluss verpflichtet wurden." Auch als App? +++ TAZ-Sportredakteur Markus Völker erklärt noch mal den Grund der Verpixelung von Werbenamen auf den Zeitungsbildern. +++ Björn Wirth informiert in der Berliner, was wann wo geguckt werden kann. +++ Und AP-Autor René Martens hat für die Funkkorrespondenz eine Jubiläumssendung auf, ausgerechnet, Phoenix gesehen: "Bei der Auswahl der Drehorte für die Beiträge – unter anderem Köln, Mönchengladbach, nochmals Bonn – spielten die geringen Reisekosten wohl keine kleine Rolle. Die Interviewpartner reisten überwiegend aus der Umgebung an."

+++ Weiter weg: Michael Moorstedt schreibt in der SZ (Seite 31) über die Dumpingpreise, für die in den USA die Illusion von Lokaljournalismus erweckt wird: "Die Honorare sind kläglich - oftmals wird kaum mehr als ein paar Dollar für Texte von mehreren Hunderten Wörtern Länge bezahlt. Trotzdem ist die Nachfrage nach den Jobs enorm. Das Gros der potenziellen Autoren, die als Bewerber um die Aufträge kämpfen, sitzt in Ländern wie Bangladesh, Indien oder den Philippinen." +++ Steffen Grimberg informiert in der TAZ über einen gerichtlichen Erfolg von Bernd Hilder, der mal Chefredakteur der LVZ war und dann Intendant des MDR werden sollte: "Jetzt hat Madsack Hilder erst mal wieder an der Backe: In erster Instanz erklärte das Leipziger Arbeitsgericht die Kündigung für unwirksam. Der 53-Jährige scheiterte jedoch mit seiner Forderung, bis zum Abschluss des Verfahrens vorläufig weiterbeschäftigt zu werden, weil, wie die LVZ in eigener Sache nicht ganz ohne Süffisanz berichtet, 'das Interesse des Zeitungshauses an der Nichtbeschäftigung Hilders als Chefredakteur überwiege'." +++ Joachim Huber schreibt im Tagesspiegel über das Gerede um Peter Altmaiers Sexualität. +++ Matthias Rüb erzählt in der FAZ (Seite 33) von der vor Morddrohungen geflohenen mexikanischen Journalistin Lydia Cacho. +++

+++ Meedia.de kompiliert Twittertweets zur Post von Wagner an die Homo-Ehe. +++ Und Ronnie Grob öffnet auf Medienwoche.ch eine neue Lesart auf Dr. Michael Maier, der die ganze Woche über mit einer Spiegel-Beef beschäftigt hat – dessen Online-Geschäfte sind, laut Grobs Text, nämlich erfolgreich. +++

Neues Altpapier gibt's am Montag wieder.

weitere Blogs

Traupaar während der Zeremonie in St. Johannis
Am schönen Datum 24.4.24 standen in ganz Bayern Kirchen offen für spontane Segnungen und Trauungen
Lesbisches Paar
Was hat der 01. Mai mit queerer Theologie zu tun? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass Queerness immer schon Teil der Arbeiter*innenbewegung war. Und weil die Lesbian Visibility Week erst gestern zu Ende gegangen ist, nimmt der Beitrag ein Beispiel aus der lesbischen Geschichte auf.
Illustration blauer Stuhl
Dieses Jahr blieben beim Pessach-Seder viele Stühle leer.