Große Feier für den "kleinen Griechen"

Große Feier für den "kleinen Griechen"
Vor 450 Jahren starb Philipp Melanchthon (1497-1560). Er war einer der größten Gelehrten seiner Zeit, enger Freund Martin Luthers und mit ihm gemeinsam Wegbereiter der Reformation. Wittenberg, wo Melanchthon mehr als vier Jahrzehnte wirkte, steht in diesen Tagen ganz im Zeichen der Erinnerung an diesen großen kleinen Mann.
18.04.2010
Von Bernd Buchner

Er soll nur etwa 1,50 groß gewesen sein, dazu schmächtig und hager. Doch geistig war Philipp Melanchthon ein Riese: Der Altphilologe, Theologe und Pädagoge gilt als einer der wichtigsten Gelehrten des beginnenden 16. Jahrhunderts, als Begründer des deutschen Humanismus und Wegbereiter der Reformation. In Bretten im Kraichgau wurde Melanchthon 1497 geboren - gestorben ist er vor genau 450 Jahren, am 19. April 1560, in Wittenberg (Foto unten: Handschrift von Melanchthons Wittenberger Stadtgeschichte von 1556). Gemeinsam mit Martin Luther hatte er die Stadt zum geistigen Zentrum Europas und zum "Rom des Nordens" gemacht.

Und Wittenberg weiß, was es Melanchthon zu verdanken hat: Mit einer Fülle von Gottesdiensten, Konzerten, Ausstellungen sowie weiteren geistlichen und kulturellen Veranstaltungen wird in diesen Tagen an den Reformator erinnert. Der "kleine Grieche", wie sein Freund Luther ihn gerne nannte, zieht sogar die Mächtigen des Landes an: Zum Festakt am Montag in der Schlosskirche will neben anderen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommen - und das, nachdem sie wegen der Aschewolke über Europa eine Odyssee über den halben Kontinent hinter sich hat.

Bildung für alle Schichten

Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer (CDU), erklärte, auf die Impulse Melanchthons vor allem im Bildungswesen hinzuweisen sei gerade heute unerlässlich. Für den Gelehrten sei Bildung kein Lebenszweck, sondern notwendige Voraussetzung für Lebenstüchtigkeit gewesen. Zudem gelte Melanchthon als Verfechter einer elementaren Bildung für alle Kinder unabhängig der sozialen Herkunft oder ihres Geschlechts. Die Botschaft des Wittenberger Gelehrten ist also angesichts des verbreiteten Bildungsnotstands im Land aktueller denn je.

Melanchthon selbst war unterdessen nicht ganz so lebenstüchtig, wie Wolfgang Böhmer vielleicht glaubt. Als er 1519 als Professor nach Wittenberg gekommen war, machten sich seine Freunde, allen voran Luther, schon bald Sorgen um den schmächtigen Mann - und besorgten ihm eine Frau, die sich um ihn kümmert. Mit der Bürgermeisterstochter Katharina Krapp und den vier Kindern lebte Melanchthon lange Zeit in prekären wohnlichen Verhältnissen, ehe ihm der sächsische Kurfürst Johann ein stattliches Haus im Zentrum Wittenbergs bauen ließ. Dort verbrachte der Gelehrte die letzten zwei Lebensjahrzehnte.

Lange Nacht für den Reformator

Das Melanchthonhaus (Foto rechts) ist denn auch in diesen Tagen Zentrum der Erinnerungsfeiern. Bei einer "langen Melanchthonnacht" am Samstagabend gab es unter dem Motto "Kleiner Mann ganz groß" eine Reihe von Theater- und Musikeinlagen, zudem konnten sich die rund 300 Besucher die jüngst eröffnete Ausstellung "Neue Schätze für Melanchthon" ansehen - Gemälde, Plastiken, Handschriften und alte Drucke werden dort noch bis Ende August gezeigt. Bis zum nächsten Jahr wird das Gebäude unter Einbeziehung des Nachbarhauses grundsaniert, die Eröffnung ist für September 2011 geplant.

Für einen Paukenschlag bei den Wittenberger Feierlichkeiten sorgte am Sonntag der badische evangelische Landesbischof Ulrich Fischer. Unter Verweis auf Melanchthon, der auch als Verfechter der Reformation die Kircheneinheit nie aus dem Blick verlor, rief er die Protestanten auf, neu über die Idee nachzudenken, dem Papst einen Ehrenprimat über die Christenheit zuzusprechen. Dies sei ein "höchst anstößiger, aber für die weitere ökumenische Debatte fruchtbarer Gedanke", so Fischer. Auf evangelischer Seite habe dies leider bisher kaum positive Reaktionen ausgelöst.

Noch heute ein Vorbild

Melanchthon sei ein Vorbild, an dem man sich auch heute noch orientieren könne, fuhr der Landesbischof fort. Er sei durch seine beharrlichen Gründungen von Schulen und Universitäten ein Wegbereiter der humanistischen Bildungstradition gewesen. Der Reformator hatte 1526 in Nürnberg das erste humanistische Gymnasium in Deutschland gegründet. Bildung war für den Reformator kein Selbstzweck, sondern stand im Dienst des Glaubens. Nach Melanchthons Auffassung gehöre Bildung zum religiösen Menschen, so Prälat Stephan Dorgerloh, Wittenberg-Beauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Philipp Melanchthon wurde unter dem Namen Philipp Schwarzerdt 1497 geboren. Später änderte sein Großonkel, der berühmte Humanist Johannes Reuchlin, den Namen in "Melanchthon", griechisch für "schwarze Erde". Ab 1518 lehrte er in Wittenberg (Foto: Marktplatz mit Rathaus und Stadtkirche ) als Professor Griechisch, später auch Theologie. Er entwickelte sich zu einer der wichtigsten Persönlichkeiten der Reformation. Seine Neuerungen im Bildungswesen trugen ihm den Titel "Lehrer Deutschlands" ein. Philipp Melanchthon hat unter anderem die "loci communes" (1522), die erste evangelische Dogmatik, sowie 1530 die Confessio Augustana verfasst, das grundlegende Glaubensbekenntnis der lutherischen Kirchen.

In der Schlosskirche begraben

Nach seinem Tod wurde Melanchthon neben seinem einstigen Weggefährten Martin Luther (1483-1546) in der Wittenberger Schlosskirche bestattet. Beim dortigen Festakt am Montag spricht neben der Kanzlerin auch der amtierende EKD-Ratsvorsitzende, der rheinische Präses Nikolaus Schneider. Eröffnet worden war das mehrtägige Programm zum 450. Todestag Melanchthons am Freitag mit einer Ausstellung in seinem ehemaligen Wohn- und Sterbehaus. Innerhalb der von der EKD bis zum Reformationsjubiläum im Jahr 2017 ausgerufenen Dekade steht das Jahr 2010 unter dem Motto "Reformation und Bildung".

mit Material von epd

Bernd Buchner ist Redakteur bei evangelisch.de und zuständig für die Ressorts Politik und Religion.