Filmtipp der Woche: "Avatar" (James Cameron)

Filmtipp der Woche: "Avatar" (James Cameron)
Der Film, der das Kino revolutioniert? Technisch hält James Camerons "Avatar" sein Versprechen, aber die Geschichte kommt über eine nette Öko-Plotte kaum hinaus.
16.12.2009
Von Katarina Grimnitz

Um was es im Fantasy-Spektakel "Avatar – Aufbruch nach Pandora" geht, ist schnell erzählt: in einer Militärkolonie wird der Ex-Marine Jake als vertrauensbildende Maßnahme zu feindlichen Ureinwohnern geschickt. Willkommen bei den Na’vi: Auf seiner Mission verliebt Jake sich in Land und Leute und wechselt die Seiten. Schauplatz ist der Mond Pandora im 22. Jahrhundert, der lebenswichtige Mineralvorkommen aufweist. Da die Pandora-Atmosphäre für Menschen giftig ist, bekommt der gelähmte Held einen Doppelgänger, oder vielmehr einen Ableger: ein gentechnisch konstruiertes Mischwesen aus Na’vi- und menschlicher DNS. Sobald sich Jake eins in eine Art Tank legt, kann er seinen blauhäutigen Avatar Jake zwei kraft seines Bewusstseins dahin lenken, wo die wilden Kerle wohnen, kann reiten, schwimmen, fliegen, lieben.

Regisseur James Cameron, der mit "Terminator" und "Titanic" technisch innovative Kassenknüller drehte, will mit seinem mit 400 Millionen Dollar teuersten Film aller Zeiten erneut Filmgeschichte schreiben. Ebenso sehr Geschäftsmann wie Künstler, puschte Camerton "Avatar" vor dem Start zum "Must-See"-Event. Mit diesem Film soll die 3-D-Animation als Kinostandard durchgedrückt werden; ein Computerspiel, längst nicht mehr nur das "Spiel zum Film", ist bereits erschienen.

Überschlanke Körper

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Die "Performance Capture"-Methode, mit der die Züge realer Schauspieler digital verändert werden, wirkt überzeugender als zuletzt bei Robert Zemeckis’ "Disneys Weihnachtsgeschichte", dessen computeranimierte Menschen den Eindruck lebender Toter machen. Camerons Wesen sind optisch von vorneherein nur menschenähnlich (obgleich sie denken, fühlen und küssen wie Menschen).

Kobaltblau, mit zuckenden Schwänzen und überschlanken Körpern, die an aufrecht gehende Geparden erinnern, mit katzenhaft stumpfen Nasen und goldenen Tigeraugen, sind die Na’vis elegante Kreaturen. Ihre digitalisierten Züge erinnern faszinierend an menschliche Vorbilder wie Sigourney Weaver, als alte Alienversteherin mit dabei. Sam Worthington als introvertierter Doppel-Held und Amazone Zoë Saldana mit ihrer digital gestreckten Tänzerinnenfigur sind ein anmutiges Paar. Cameron, passionierter Tiefseetaucher, kreiert verwunschene Tropen, die mit ihren grünblauen Schattierungen, fluoreszierenden Pflanzen, schwebenden Bergen und Quallen-Glühwürmchen einem Aquarium ähneln.

Bauklötze der Evolution

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Die Menagerie, in der die Bauklötze der Evolution neu zusammengesetzt wurden, sorgt mit sechsbeinigen Panthern, Huftieren mit Schmetterlingsflügeln und Drachen für weitere Hingucker. Mittels ihres Plug-In-Haarzopfs, mit dem die Na’vi an Flora und Fauna andocken, haben sie buchstäblich einen Draht zur Natur – eine anschauliche Metapher für vollvernetzten Pantheismus. So kann der Film mit seiner Paradieswelt, in die sich Jake fallen lässt, ästhetisch sein Versprechen einlösen (obgleich zuletzt der Trickfilm "Coraline" ähnlich fantasievolle Nacht-Botanik zeigte).

Inhaltlich aber kommt das Abenteuer über ein unironisches B-Movie, gespeist von Natur-versus-Zivilisation-Filmen, Western und Fantasy-Ware wie "Der mit dem Wolf tanzt", "Herr der Ringe" und "Iron Man", nicht hinaus. Die edlen Wilden in diesem paternalistisch-romantische Ethno-Potpourri erinnern hauptsächlich an nordamerikanische Indianer und Amazonasstämme; Assoziationen an Vietnam-, Irak- und Afghanistankrieg sind überdeutlich. Bei den Kolonisatoren stehen die Guten, welche die Na’vis zur Umsiedlung überreden wollen, den Bösen, die das Problem mit Gas und Panzern lösen wollen, gegenüber.

Langer Showdown

Mit einem Showdown, der den Film auf zweieinhalb Stunden längt, lässt Cameron die zuvor erweckten ozeanischen Gefühle außen vor und widmet der Gamer-Fraktion ein ausgiebiges Action-Shoot-Out. Dabei greift die oft beschworene Na’vi-Urgöttin als "dea ex machina" ein, aber nicht konsequent durch - so dass die esoterische Erlöser-Geschichte wie "Matrix" auf eine Fortsetzung zusteuert.

USA 2009. Regie: James Cameron. Buch: James Cameron. Mit: Sam Worthington, Zoë Saldana, Sigourney Weaver, Stephen Lang, Michelle Rodriguez, Giovanni Ribisi. 161 Min. FSK ab 12, ff.

epd