Wenig Hoffnung auf Durchbruch bei Syrienkonferenz

Foto: REUTERS/Ammar Abdullah
Wenig Hoffnung auf Durchbruch bei Syrienkonferenz
Nach der Ausladung des Iran steht der am Mittwoch beginnenden Syrienkonferenz in der Schweiz nichts mehr im Weg. Die Hoffnung auf ein rasches Ende des Bürgerkriegs ist zwar gering. Doch könnten die Gespräche die humanitäre Hilfe für die Opfer erleichtern. Menschenrechtler erheben unterdessen schwere Foltervorwürfe gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad.

In den vergangenen drei Jahren sind in dem Bürgerkrieg mindestens 130.000 Menschen gestorben, mehr als neun Millionen Syrer sind auf der Flucht. Zu der Konferenz werden Vertreter der syrischen Regierung von Präsident Baschar al-Assad sowie des wichtigsten Oppositionsbündnisses, der Nationalen Koalition, erwartet. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte am Montag den Iran am Montag von der Zusammenkunft wieder ausgeladen. Die tags zuvor ausgesprochene Einladung war in den USA und bei der syrischen Opposition auf Widerstand gestoßen. Teheran ist einer der wenigen Assad-Verbündeten.

Tausende Gefangenen gequält und ermordet?

Die neuen Vorwürfe gegen Assad stützen sich auf tausende Bilder eines ins Ausland geflüchteten syrischen Polizeifotografen und enthalten Hinweise auf die systematische Folterung und massenhafte Tötung von Gefangenen. Die britische Tageszeitung "Guardian" und der US-Nachrichtensender CNN berichteten am Dienstag, dass 11.000 Gefangene grausam gequält und getötet worden sein sollen. Das syrische Regime bestreitet in der Regel derartige Vorwürfe oder übergeht sie mit Schweigen. Mehr noch: In einem Interview der französischen Nachrichtenagentur AFP ließ Assad durchblicken, dass er sich vorstellen könne, bei der nächsten Präsidentschaftswahl wieder anzutreten.

###mehr-artikel###CNN und der "Guardian" beriefen sich auf Angaben von drei internationalen Rechtsanwälten, die in der Vergangenheit als Staatsanwälte an den UN-Tribunalen für Jugoslawien und Sierra Leone gewirkt hatten. Sie hatten das Material des Überläufers ausgewertet. Der Mann mit dem Decknamen "Caesar" soll es auf elektronischen Datenträgern aus dem Land geschmuggelt haben. Wie Desmond de Silva, Geoffrey Nice und David Crane darlegten, dokumentieren die Unterlagen Todesfälle zwischen März 2011 und August 2013. Viele der Bilder zeigten demnach Leichen mit Folterspuren. Einigen seien die Augen ausgestochen worden, andere seien erdrosselt oder durch Stromstöße getötet worden.

Der Streit um die Ein- und spätere Ausladung des Iran vor der Konferenz ging auch am Dienstag weiter. Russlands Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete dies als Fehler, der aber keine Katastrophe sei. "Ich bedaure dass diese ganze Geschichte nicht zur Autorität der Organisation der Vereinten Nationen beiträgt", so Lawrow. Während die Führung in Teheran von einem  enttäuschenden Schritt sprach, begrüßten die syrische Opposition und die US-Regierung die Entscheidung des UN-Generalsekretärs. Eine Sprecherin des US-Außenministeriums erklärte, alle Parteien könnten sich jetzt auf die Arbeit konzentrieren, die darin bestehe, das Leiden des syrischen Volkes zu beenden und den lange überfälligen Prozess eines politischen Übergangs zu beginnen.

Kompromiss von 2012 nie umgesetzt

Grundlage der neuen Friedensgespräche ist der Genf-1-Kompromiss vom Juni 2012, der nie umgesetzt wurde. Er sieht eine Waffenruhe, die Freilassung von politischen Häftlingen und die Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung der Opposition vor. Assad will dagegen erreichen, dass Staaten wie Katar und Saudi-Arabien keine Waffen mehr an die Rebellen liefern. Er strebt eine Regierungsumbildung unter Beteiligung von Technokraten und Pseudo-Oppositionellen an, damit er erneut fürs Präsidentenamt kandidieren kann. Die Regimegegner bestehen auf seinen Rücktritt. An einer Übergangsregierung sollen Exil-Oppositionelle beteiligt sein - und Regimefiguren, "an deren Händen kein Blut klebt".

###mehr-info###Der Syrienkonflikt begann im März 2011. In dem arabischen Land bietet sich ein Bild des Grauens: Täglich erhöht sich die Zahl der Toten - bislang starben weit mehr als 100.000 Menschen. Mehr als neun Millionen sind auf der Flucht - bei einer Bevölkerung von 22 Millionen. Fast die Hälfte der Syrer kann sich nicht mehr alleine versorgen. Städte, Dörfer und die Infrastruktur liegen in Trümmern. So viel Elend wie im Syrienkonflikt hätten seine Mitarbeiter seit "vielen, vielen Jahren" nicht erlebt, sagt der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres.

Beide Seiten begingen Kriegsverbrechen

Sowohl das Assad-Regime als auch Rebellengruppen machen sich Kriegsverbrechen schuldig. So kamen die weltweit geächteten Chemiewaffen nach Erkenntnissen der UN-Inspekteure 2013 mindestens fünf Mal zum Einsatz. Allein bei dem Massaker am 21. August im Raum Damaskus starben hunderte Zivilisten einen qualvollen Tod. Es war eines der schwersten Kriegsverbrechen des 21. Jahrhunderts. Nur ein Machtwort der Großmächte USA und Russland leitete daraufhin die Vernichtung der syrischen Giftgasbestände ein. "Wir müssen diese Waffen so schnell wie möglich unschädlich machen", fordert UN-Generalsekretär Ban.

Allerdings: Syriens Krieg wird auch mit konventionellen Waffen zunehmend barbarisch. Assads Luftwaffe warf im Dezember Bomben auf die Millionenmetropole Aleppo. Hunderte Menschen starben, viele wurden schwer verletzt. Die Versehrten können nur notdürftig behandelt werden - wenn überhaupt. "Seit dem Beginn des Krieges sind die meisten Krankenhäuser in Aleppo beschädigt worden oder zerstört", erklärte Aitor Zabalgogeazkoa, Syrien-Koordinator von "Ärzte ohne Grenzen".

Gesundheitssystem droht zusammenzubrechen

Aleppo ist kein Einzelfall: Die Weltgesundheitsorganisation warnt vor dem Kollaps des syrischen Gesundheitssystems. Im ganzen Land seien viele Hospitäler nicht mehr arbeitsfähig. In den meisten der noch funktionierenden Krankenhäuser herrsche Mangel an allen Ecken und Enden: Es fehlten Betäubungsmittel, Antibiotika und Mittel zur Behandlung von Wunden.

###mehr-links###Das dramatische Ausmaß der Not spiegelt sich auch in einer Zahl wider: 6,5 Milliarden US-Dollar benötigen die UN-Hilfswerke und ihre Partnerorganisationen, um die bedürftigen Syrer im nächsten Jahr mit dem Allernötigsten zu versorgen. Niemals zuvor brauchten die Vereinten Nationen eine so große Summe für eine humanitäre Katastrophe. Bislang versprachen Geberländer erst 2,4 Milliarden Dollar für die Syrien-Hilfe bereitzustellen.

Die Aussichten auf einen Erfolg bei der Konferenz in der Schweiz werden unterdessen als gering eingeschätzt. Das Ziel der Bildung einer Übergangsregierung in Syrien stehe in weiter Ferne, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich. Im Vordergrund des Treffens müssten humanitäre Fragen stehen. Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im Bundestag, Michael Brand (CDU), sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), er erhoffe sich von der Konferenz "eine Perspektive in Richtung Waffenruhe". Es müsse zu einem späteren Frieden für die Menschen kommen, die zu Millionen unter diesem brutalen Gemetzel zu leiden hätten.

"Im Sinne der Kinder handeln"

Nach Ansicht des Direktors der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, muss in Montreux ein Waffenstillstand erreicht werden. "Erst wenn die Bombardements und Gefechte enden, ist die Versorgung der Bevölkerung möglich, kann sich die Lage entspannen und eine Übergangsregierung gebildet werden", sagte Perthes. Die internationale Kinderhilfsorganisation World Vision appellierte an die Staatengemeinschaft, ohne Vorbedingungen in die Verhandlungen zu gehen. Nur so sei ein positives Ergebnis verhandelbar, erklärte der Friedensexperte des Hilfswerks, Ekkehard Forberg. "Im Sinne der Kinder muss dringend gehandelt werden, damit das Land wieder eine Zukunft hat und das Leiden beendet werden kann."

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf der internationalen Gemeinschaft angesichts des syrischen Bürgerkriegs Versagen vor. "Die Völkergemeinschaft scheint nur allzu gern bereit, die Ermordung syrischer Zivilisten andauern zu lassen", sagte der geschäftsführende Direktor der Organisation, Kenneth Roth, bei der Vorstellung des World Report 2014 am Dienstag in Berlin. Es sei zu wenig getan worden, um die Gewalt zu beenden und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.