Zwischen Licht und Dunkel: Das Geheimnis der Heiligen Nacht

Foto: epd-bild / Rainer Oettel
Ein leuchtender Herrnhuter Weihnachtsstern, aufgenommen zur Abendstunde.
Zwischen Licht und Dunkel: Das Geheimnis der Heiligen Nacht
"Stille Nacht, heilige Nacht", das ist auf der ganzen Welt der Soundtrack des Weihnachtsfestes. Die Nacht hat für die Feier der Geburt Jesu und für die christliche Tradition insgesamt eine besondere Bedeutung: Gott offenbart sich den Menschen häufig in der Nacht.
24.12.2013
epd
Lothar Simmank

Dunkel muss es sein, dazu im Hintergrund ein warmer Lichtschein über weißem Schnee - mit diesem Szenario lässt sich am Heiligabend der Übergang aufs Weihnachtsfest stimmungsvoll inszenieren: Es beginnt die Heilige Nacht. Der Kontrast von Nachtschwärze und Taghelle gehört zum Fest wie Tannenbaum und Kerzen. Das gilt auch für die Nachmittags- und Abendgottesdienste: Zumindest dämmern sollte es beim Kirchgang, sonst stellen sich die Weihnachtsgefühle nicht ein.

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Alles nur künstlich-kitschige Stimmungsmache? Nein, die Nacht hat in der christlichen Tradition eine besondere Bedeutung, die an vielen Stellen der Bibel zum Ausdruck gebracht wird. Gott offenbart sich den Menschen häufig in der Nacht: Schon in der Schöpfungsgeschichte trennt Gott mit den Worten: "Es werde Licht!" die nächtliche Finsternis vom hellen Tag. Meist begegnet der Gott Israels den Menschen in der Nacht - wie etwa Jakob im Traum auf der Himmelsleiter. Im Alten Testament zeigt er dem kinderlosen Abraham den Sternenhimmel und verspricht ihm Nachkommen, so zahlreich wie die Sterne am Himmel. Und im Neuen Testament wird nicht nur Jesus in der Nacht im Stall von Bethlehem geboren. Er wird später auch nach durchwachter Nacht von Judas verraten und stirbt unter nachtschwarzem Himmel. In der Osternacht wird seine Auferstehung gefeiert.

Die Gegensätzlichkeit von Tag und Nacht ist in der weihnachtlich-theologischen Deutung offenkundig. Schon die Adventskerzen kündigen symbolisch an: "Das Licht kommt in die Finsternis". Die Heiligen Drei Könige folgen dem hellen Stern am nächtlichen Himmel, der sie zur Krippe im Stall leitet. Dort hüten "die Hirten auf dem Felde des Nachts ihre Herde", wie der Evangelist Lukas erzählt.

Zwölf Nächte voller Trost und Kraft

Meist erscheint die Nacht nach christlich-jüdischer Deutung nicht negativ und bedrohlich, sondern geheimnisvoll und spannend: "Gott will im Dunkel wohnen und hat es doch erhellt", dichtete Jochen Klepper 1938 in dem adventlichen Gesangbuchlied "Die Nacht ist vorgedrungen" (EG 16) über die ambivalente Zeitspanne zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen.

Natürlich war die Nacht für die Menschen auch immer schon gefahrvoll und angsteinflößend. Gleichzeitig aber strahlt ein Licht in der Dunkelheit besondere Geborgenheit aus. Das ist Teil der Weihnachtsbotschaft: "Ich bin das Licht der Welt", sagt der Messias von sich selbst im Johannesevangelium: "Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben" (Johannes, 8,12).

Es ist also kein Zufall, dass das beliebteste christliche Fest nachts oder zumindest am frühen Abend zelebriert wird. Die Nacht ist lang, ans frühe Zubettgehen denkt niemand. Jörg Zink erklärt in seinem 2009 erschienenen Meditations-Klassiker "Zwölf Nächte" in Bezug auf die Zeit zwischen Weihnachten und 6. Januar: "Die Zeit um Weihnachten war seit alters her von Nächten bestimmt, und alles Große und Wichtige geschah in der Nacht. Das war immer so. An der dunkelsten Stelle des Jahres gehen wir durch zwölf besondere Nächte und nehmen auf, was da zu uns kommen will an Trost und Kraft."

Bescherung vor dem ersten Hahnenschrei

Der katholische Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs von der Uni Würzburg hat die Bräuche rund um den 25. Dezember erforscht, der auch das alte Datum der Wintersonnenwende war. Es war der Tag, so Fuchs, an dem man in Rom die Geburt des unbesiegbaren Sonnengottes gefeiert hat. Daraus habe sich in christlicher Zeit dann möglicherweise Weihnachten entwickelt: Als Fest zur Geburt der "wahren Sonne", Jesus Christus.

Dabei ist das traditionelle deutsche Weihnachtsfest am Abend des 24. Dezembers eine recht neue Entwicklung. Sie beruht auf der im jüdisch-christlichen Kulturkreis überlieferten Idee, dass ein Festtag bereits am Vorabend mit Einbruch der Dunkelheit beginnt. Bis zum 18. Jahrhundert fand der Weihnachtsgottesdienst am ersten Weihnachtstag frühmorgens statt, oft sogar schon zwischen drei und fünf Uhr. Die Bescherung gab es dann noch vor dem ersten Hahnenschrei in der Dunkelheit. Erst die Verlagerung des Gottesdienstes auf Mitternacht und schließlich - vor allem im protestantischen Bereich - auf den Nachmittag und Abend, verschob auch die Bescherung auf den Heiligen Abend.