Der gläserne Arbeitnehmer: Auf "Elena" folgt "Bea"

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Die Datenübertragung an den Staat macht den Bürger durchschaubar - zumindest für die Behörden.
Der gläserne Arbeitnehmer: Auf "Elena" folgt "Bea"
22.000 Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen das Kartenprojekt Elena, mit dem Arbeitnehmerdaten zentral erfasst werden sollten. Im vergangenen Jahr wurde es eingestellt, doch die Regierung will es nun stückchenweise wiederbeleben.

Das umstrittene Kartenprojekt "Elena", mit dem Arbeitgeber verpflichtet werden sollten, sensible Mitarbeiterdaten zentral zu melden, soll einen Nachfolger erhalten: "Bea". Bea steht für "Bescheinigungen elektronisch annehmen" und wird als Teilprojekt von Elena fortgeführt. Gegen Elena waren rund 22.000 Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht worden.

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Vor einem Jahr hatte das Bundeswirtschaftsministerium die Einstellung des Projekts verkündet. Weil das entsprechende Gesetz, das die Meldepflicht aufhob, erst im Dezember in Kraft trat, mussten Unternehmen dennoch ihre Daten an die Zentrale Speicherstelle in Würzburg übermitteln. 700 Millionen Datensätze fielen auf diese Weise an, deren erfolgreiche Löschung im April vom Bundesdatenschutzbeauftragten verkündet werden konnte.

Nach und nach eine komplette Übersicht

Nun also "Bea": Ab 2014 sollen Arbeitgeber nach Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses Arbeitsbescheinigungen an die Bundesagentur für Arbeit elektronisch übermitteln. Aus den Bescheinigungen sollen die Art der Tätigkeit, die Höhe des Entgelts und die Dauer der Beschäftigung hervorgehen. Die Bescheinigung entscheidet über den Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld.

Weil auch diejenigen an die Arbeitsagentur gemeldet werden, die anschließend sofort einer weiteren Tätigkeit nachgehen, erhält die Agentur auf diese Weise nach und nach eine komplette Übersicht über alle abhängig Beschäftigten. Welcher Zweck damit verfolgt wird, ist unbekannt. Und wo die Daten gespeichert werden sollen und welche Behörden auf sie zugreifen dürfen, ist noch nicht entschieden.

Abmahnungen und Streiktage sollten zentral gemeldet werden

Elena war noch ein Stück weiter gegangen: Geplant war, auch Informationen über Abmahnungen, Kündigungsgründe und Streiktage zu melden. Renitente, der Arbeitgeber-Politik nicht ohne weiteres folgende Mitarbeiter sollten damit in einer zentralen Datenbank gläsern werden. Die Gewerkschaften protestierten entschieden, und sogar der liberale, wirtschaftsfreundliche Bundeswirtschaftsminister Phillip Rösler sprach von einem "bürokratischen Monstrum".

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Laut Antwort der Bundesregierung war jedoch nicht die umfassende Datenübermittlung der Grund für das Scheitern. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jan Korte (Linke) zu Elena und Bea gibt die Bundesregierung jetzt lediglich ein technisch-organisatorisches Problem an: Das Projekt sei an der "fehlenden Verbreitung der qualifizierten elektronischen Signatur" gescheitert.

Der hohe Sicherheitsstandard, der "datenschutzrechtlich zwingend geboten war", würde sich "auch in absehbarer Zeit nicht flächendeckend verbreiten". Für Jan Korte steht fest: "Anstatt aber deren Ursachen ehrlich und ergebnisoffen zu diskutieren und dann daraus Konsequenzen zu ziehen, bereitet die Bundesregierung still und heimlich die nächste Investitionsruine vor."

Bea – eine abgespeckte Elena

Jedenfalls soll das Nachfolgeprojekt Bea nun technisch anspruchsloser und im Umfang etwas abgespeckt werden: Laut einem Bericht der "Financial Times Deutschland" soll bei Bea einfach auf die digitale Signatur verzichtet werden, die eine unverfälschte Übermittlung der Daten hätte garantieren sollen. Und es sollen mit Bea weniger Daten erfasst werden - "der Aspekt des Datenschutzes" habe jetzt "Priorität". Welche Informationen nun aber letztendlich betroffen sind, ist noch unklar. Wie die Bundesregierung auf Nachfrage von Korte erklärte, gibt es bislang immerhin schon eine Wirtschaftlichkeitsberechnung, einen technischen Lösungsansatz, ein Projekthandbuch, einen Zeitplan und einen Projektantrag.

Auf die Idee, Daten der arbeitenden Bevölkerung zentral zu sammeln und zu speichern, will die Bundesregierung jedenfalls auch in Zukunft nicht ohne weiteres verzichten. Für die Arbeitnehmer ergibt sich zunächst kein Mehrwert, deshalb werden Betroffene und die interessierte Öffentlichkeit erst einmal außen vor gelassen. Interessanter schon ist ein solches Projekt für Softwarehersteller, die das Ministerium auch bereits zu einer internen Anhörung einlud.

Zu den Eingeladenen gehörten auch große Konzerne wie Volkswagen, SAP und REWE. Für Jan Korte ist die Auswahl derer, die für das Ministerium als Vertreter "der Praxis" sieht, "schon ziemlich bezeichnend". Er kritisiert: "Jegliche Information über Ziele, technische Lösungsansätze und Zeitplan werden zurückgehalten, von einer Beteiligung der Interessenverbände der Betroffenen ganz zu schweigen."

Bea als Neustart von Elena?

Vielleicht geht es auch darum, die bereits investierten Gelder teilweise zu retten bzw. auch ein anderes, seit Jahren wankendes Kartenprojekt, nämlich die elektronische Gesundheitskarte, zu stützen. Jedenfalls wird Bea jetzt von der gleichen Firma mitgestaltet wie die Gesundheitskarte. Jan Korte: "Der Klüngel von Profiteuren und Politik scheint nach jeder neuen Pleite noch enger und entschlossener zu werden."

Bea ist im Übrigen nur ein Teil des vom Bundesarbeitsministerium bereits im Februar gestarteten Projekts "OMS", dem "Optimierten Meldeverfahren in der sozialen Sicherung", das in den nächsten zwei Jahren weitere, noch nicht benannte elektronische Meldeverfahren in der Sozialversicherung untersuchen und verbessern soll. Elena könnte mit OMS häppchenweise also doch wieder zum Leben erweckt werden.