Druck auf Kirchenasyl in Bayern wächst

Schild mit der Aufschrift "Kirchenasyl heisst Solidarität" in einer evangelischen Kirche
epd-bild/Hans-Jürgen Bauer
Kirchenasyl in bayrischen Kirchen wird erschwert durch verschärfte, teils unmenschliche Abschiebungen, beklagt der Kirchenasylverein matteo. (Symbolbild)
Abschiebepraxis verschärft
Druck auf Kirchenasyl in Bayern wächst
Wer über Bulgarien nach Europa flüchtet, läuft Gefahr, brutale Polizeigewalt zu erleben. Ankömmlinge in Deutschland werden nach EU-Recht wieder zurückgeschickt. Der Druck auf das Kirchenasyl wächst.

Eine syrische Frauenrechtlerin sollte in der vergangenen Woche nach Frankreich abgeschoben werden - ohne ihre Kinder. Diese leben wie die Frau selbst im niederbayerischen Kelheim. Auf die Schnelle suchte der Kirchenasylverein matteo einen Asylplatz für die Familie und wurde bei einer Kirchengemeinde in der Region fündig. Die Abschiebung der Frau konnte in letzter Minute verhindert werden. 

Fälle wie diese, die sich als unmenschliche Härte erweisen, nehmen bayernweit zu, stellt David Geitner, der Kirchenasylberater der bayerischen evangelischen Landeskirche, fest: "Der Bedarf an Kirchenasyl wird höher." Die vermehrten Anfragen führt er auf eine "rigidere Abschiebepraxis" des Bundesinnenministeriums, beziehungsweise der bayerischen Behörden zurück. Eine Verschärfung der Abschiebepraxis beobachte er vor allem bei Abschiebungen in Drittländer nach dem sogenannten Dublin-Abkommen.

Nach den Verteilregeln der EU muss ein Flüchtling in dem Land seinen Asylprozess durchlaufen, in dem er zuerst europäischen Boden betritt. Wer weiterreist, wird zurückgeschickt. Syrer und Afghanen mit eigentlich hohen Asyl-Anerkennungsquoten in Deutschland werden so in Länder wie Bulgarien, Litauen und Rumänien abgeschoben. Von dort erreichten die Helfervereine Berichte über erschreckende Zustände in den Unterkünften, in denen die Geflüchteten festgehalten werden.

Erst Anfang April wurde ein junger syrischer Kriegsflüchtling in der Oberpfalz ins Kirchenasyl aufgenommen, um ihn vor der Abschiebung nach Bulgarien zu bewahren, wo er bereits brutale Polizeigewalt und Körperverletzung erlebt hatte. Helfervereine und Kirchenasylbeauftragte sprechen von "unerträglichen Menschenrechtsverletzungen" und fordern explizit einen Stopp der Abschiebungen nach Bulgarien, Litauen und Rumänien.

Diakon David Geitner, Berater für Kirchenasyl in der bayerischen Landeskirche.

Für LGBTQ-Menschen könne auch eine Abschiebung nach Polen riskant sein. Unterdessen versuchen Kirchengemeinden vermehrt, Geflüchtete im Kirchenasyl aufzunehmen - je häufiger die Anfragen und je höher der Druck ausfällt, schildert Geitner weiter. "Dabei geraten sie selbst an ihre Kapazitätsgrenzen." 

Über 165 abgeschlossene Fälle von Kirchenasyl gewährte die bayerische evangelische Landeskirche laut eigenen Angaben im Jahr 2023. Im Schnitt seien es 35 Kirchenasyle gewesen, die in Kirchengemeinden zeitgleich untergebracht waren. Etwa 40 Gemeinden seien derzeit aktiv im Kirchenasyl, wenn es darum geht, Menschen aufzunehmen. Die Kirchen gewähren dabei Schutz, bis die Frist für eine Rückführung ihrer Schützlinge abläuft. "Faktisch können wir nicht mehr vermitteln, weil die Gemeinden ausgelastet sind", sagt er.

Erwerbstätigenquote von Flüchtlingen steigt mit Aufenthaltsdauer

Unterdessen geht die Asyldebatte weiter. Eine jüngst veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg zeigt, dass die Erwerbstätigenquote von geflüchteten Menschen mit der Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland steigt. Demnach sind sieben Jahre nach ihrem Zuzug 63 Prozent der Flüchtlinge erwerbstätig. Acht Jahre nach dem Zuzug sind es 68 Prozent.

Die Untersuchung bezieht sich auf geflüchtete Menschen, die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland gekommen sind. Unter den 2015 zugezogenen geflüchteten Frauen waren laut Studie 31 Prozent erwerbstätig, unter den Männern 75 Prozent. Nach Erkenntnissen der Arbeitsmarktforscher stieg mit zunehmender Aufenthaltsdauer nicht nur die Erwerbstätigenquote, auch die Beschäftigungsqualität verbesserte sich. So waren 76 Prozent der beschäftigten Flüchtlinge, die 2015 zugezogen sind, 2022 in Vollzeit beschäftigt.